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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des Dr. GU, Rechtsanwalt in P, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 3. August 2000, Zl. LGS NÖ/SVL/12181/2000, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Beschwerdeführers und des Vertreters der belangten Behörde, Dr. DO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war bis 31. März 2000 als Rechtsanwaltsanwärter beschäftigt. Das Dienstverhältnis wurde durch Kündigung seitens des Beschwerdeführers zu diesem Termin aufgelöst. Der Beschwerdeführer beantragte sodann die Zuerkennung von Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Gänserndorf vom 26. Mai 2000 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 11 AlVG für den Zeitraum vom 1. April 2000 bis 28. April 2000 kein Arbeitslosengeld zu erhalten habe und eine Nachsicht nicht erteilt werde. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, gemäß § 11 AlVG erhielten Arbeitslose, die ihr Dienstverhältnis freiwillig ohne triftigen Grund gelöst hätten, für die Dauer von vier Wochen, gerechnet vom Tage der Beendigung des Dienstverhältnisses an, kein Arbeitslosengeld. Der Beschwerdeführer habe sein Beschäftigungsverhältnis als Rechtsanwaltsanwärter freiwillig ohne triftigen Grund gelöst. Auch lägen keine berücksichtigungswürdigen Gründe für eine Nachsicht vor.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er führte aus, er habe das in Rede stehende Dienstverhältnis aufgelöst, weil er eine Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt anstrebe. Eine einvernehmliche Auflösung sei seitens seines damaligen Dienstgebers abgelehnt worden. Es bestünden massive Bestrebungen, die Praxisdauer für Rechtsanwälte von derzeit fünf Jahren herabzusetzen. Dadurch sei zu befürchten, "dass der Markt überschwemmt werde". Auch sei auf Grund der Sparmaßnahmen der Regierung zu befürchten, dass die Mehrzahl der Universitätsabgänger in die Anwaltschaft dränge. Um diesen Bestrebungen entgegen zu wirken und am Markt eine Chance zu haben, sei dem Beschwerdeführer daher gar nichts anderes übrig geblieben, als zum jetzigen Zeitpunkt, mangels einer anderen Möglichkeit, das Dienstverhältnis durch Kündigung zu lösen.
Der Beschwerdeführer berief sich darüber hinaus auf den in § 11 AlVG verwiesenen § 10 Abs. 2 AlVG, welcher vorsehe, dass der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie etwa der Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen sei. Der Beschwerdeführer habe am 16. Mai 2000 eine Tätigkeit als Rechtsanwalt aufgenommen.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. August 2000 gab diese der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen Gesetzesstellen aus, der Beschwerdeführer sei vom 1. Mai 1996 bis 31. März 2000 als Rechtsanwaltsanwärter beschäftigt gewesen. Das Dienstverhältnis habe durch Kündigung seitens des Dienstnehmers geendet. Die Kündigung seitens des Beschwerdeführers sei erfolgt, um sich selbstständig zu machen. Zu einer Teilnahme an einem Gründungsprogramm der erstinstanzlichen Behörde sei es in Ermangelung der notwendigen Voraussetzungen der Teilnahme nicht gekommen. Der Auflösung des Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers habe es an triftigen Gründen gemangelt. Darunter seien nämlich insbesondere jene wichtigen Gründe anzusehen, welche den Dienstnehmer zu einem vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis berechtigten. Der Grund müsse von so schwer wiegender Natur sein, dass die Fortsetzung des Dienstverhältnisses, wenn auch nur für kurze Dauer, für den Dienstnehmer unzumutbar sei. Hiezu zählten etwa ein bei Fortsetzung der Arbeit eintretender Gesundheitsschaden, die Unfähigkeit zur Dienstleistung, die widerrechtliche Schmälerung der Bezüge, Angriffe auf die körperliche Integrität, Ehre und Sittlichkeit des Arbeitnehmers. Der Beschwerdeführer habe jedoch gekündigt, um sich zum günstigstmöglichen Zeitpunkt selbstständig zu machen. Die in der Berufung angeführten Gründe seien keine triftigen Gründe im Sinne des § 11 AlVG.
Ein berücksichtigungswürdiger Fall im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG liege ebenfalls nicht vor. Ein solcher sei nur gegeben, wenn die Beschäftigungsaufnahme innerhalb einer angemessenen Frist, das heiße innerhalb bzw. unmittelbar nach Ende der Sperrfrist liege. Vorliegendenfalls habe die Sperrfrist am 28. April 2000 geendet. Die Arbeitsaufnahme sei erst mit 16. Mai 2000, also nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Bezug von Arbeitslosengeld verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
§ 10 und § 11 AlVG in der für den strittigen Zeitraum in Geltung gestandenen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 15/2000 lauteten:
"§ 10. (1) Wenn der Arbeitslose
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sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder
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sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch sein Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder
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ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder
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auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen,
verliert er für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Liegt im Zeitraum eines Jahres vor dem Beginn eines Anspruchsverlustes bereits ein früherer Anspruchsverlust, so beträgt der im ersten Satz genannte Zeitraum acht Wochen. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.
(2) Der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes ist in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zB Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen. Vor dieser Nachsicht sowie vor Erlassung einer Entscheidung gemäß Abs. 1 ist der Regionalbeirat anzuhören.
§ 11. Arbeitslose, deren Dienstverhältnis infolge eigenen Verschuldens beendet worden ist oder die ihr Dienstverhältnis freiwillig ohne triftigen Grund gelöst haben, erhalten für die Dauer von vier Wochen, gerechnet vom Tage der Beendigung des Dienstverhältnisses an, kein Arbeitslosengeld. § 10 Abs. 2 gilt sinngemäß."
Eingangs ist festzuhalten, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf den Tatbestand des § 11 AlVG gestützt hat. Die Verfügbarkeit des Beschwerdeführers, der sein Dienstverhältnis durch Kündigung zu einem etwa sechs Wochen vor Aufnahme seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit gelegenen Zeitpunkt zur Auflösung gebracht hat, um sich selbstständig zu machen, zur Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt zwischen dem 1. April 2000 und dem 15. Mai 2000 wurde somit nicht in Zweifel gezogen.
Der Beschwerdeführer wendet sich vorerst gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Auflösung seines Dienstverhältnisses sei "freiwillig" erfolgt. Dies sei unzutreffend, zumal sich sein damaliger Dienstgeber standhaft geweigert habe, einer einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses zuzustimmen. Der Beschwerdeführer sei daher gezwungen gewesen, selbst zu kündigen.
Damit verkennt der Beschwerdeführer aber die Bedeutung des Wortes "freiwillig" in § 11 AlVG. Durch die Verwendung dieses Begriffes brachte der Gesetzgeber zwar zum Ausdruck, dass sich der freie Wille des in der Folge Arbeitslosen auf die Herbeiführung der Beendigung des Dienstverhältnisses durch Kündigung beziehen muss. An der Freiwilligkeit der Auflösung eines Dienstverhältnisses durch Dienstnehmerkündigung ändert aber freilich der Umstand nichts, dass es dem Dienstnehmer wünschenswerter erschienen wäre, der Dienstgeber hätte ihm gekündigt bzw. hätte einer einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses zugestimmt. Das Vorliegen von Willensmängeln in Ansehung der Kündigungserklärung, welche deren Freiwilligkeit entgegengestanden wären, wurde nicht dargetan.
Der Beschwerdeführer vertritt weiters die Auffassung, er habe im Verwaltungsverfahren triftige Gründe für die Auflösung seines Dienstverhältnisses ins Treffen geführt und wiederholt in diesem Zusammenhang das bereits in der Berufung erstattete Vorbringen. Darüber hinaus wird behauptet, sein Dienstgeber habe ihm deutlich mitgeteilt, dass eine berufliche Laufbahn des Beschwerdeführers als eingetragener Rechtsanwalt in der Kanzlei des Dienstgebers nicht erwünscht und möglich sei. In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer weiters vor, dass eine Verzögerung der Verselbstständigung insbesondere auch auf Grund der regionalen Verhältnisse zu erheblichen Problemen geführt hätte.
Die mangelnde Arbeitswilligkeit wird in den (systematisch miteinander zusammenhängenden) §§ 9 bis 11 AlVG näher geregelt. Während § 9 jene Fälle regelt, in denen Arbeitslosigkeit bereits eingetreten ist, der Arbeitslose jedoch an der Beendigung dieses Zustandes nicht hinreichend mitwirkt (wofür der Gesetzgeber die in § 10 Abs. 1 AlVG vorgesehene Sanktion des Verlustes des Anspruches auf Arbeitslosengeld vorsieht), bestimmt § 11 (in Ergänzung dazu), dass eine solche Sanktion u.a. auch denjenigen trifft, der den Zustand der Arbeitslosigkeit infolge Auflösung seines Dienstverhältnisses ohne triftigen Grund herbeiführt. Diese Bestimmungen sind Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszwecke, nämlich den arbeitslos Gewordenen, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so wieder in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. § 10 Abs. 1 und § 11 AlVG sanktionieren daher das Verhalten desjenigen, der entweder einen solchen Zustand des Unterhalts- und Vermittlungsbedarfes schuldhaft herbeigeführt hat oder zwar ohne Verschulden in einen solchen Zustand geraten ist, seine Beendigung jedoch zu vereiteln sucht (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 1990, Zl. 90/08/0084, und vom 3. Juli 1990, Zl. 90/08/0106).
Unter den in § 11 AlVG genannten triftigen Gründen sind zwar nicht nur Austrittsgründe im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes zu verstehen; die Verwendung des Wortes "triftig" deutet aber darauf hin, dass der Gesetzgeber nicht nur die gänzlich grundlose Herbeiführung des Versichertenrisikos "Arbeitslosigkeit" als mangelnde (und damit zumindest temporär anspruchshemmende) Arbeitswilligkeit versteht, sondern auch jene Fälle der Auflösung von Dienstverhältnissen als vermeidbare (und daher der Versicherungsgemeinschaft nicht ohne weiteres zumutbare) Leistungsfälle betrachtet, in denen zwar ein Grund für die Auflösung des Dienstverhältnisses ins Treffen geführt werden kann, es diesem Grund aber (gemessen an den auf Grund der dargelegten Gesetzeszwecke an den einzelnen Versicherten zu richtenden Verhaltensanforderungen) an zureichendem Gewicht mangelt. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes sind bei Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "triftige Gründe" vor allem Zumutbarkeitsgesichtspunkte maßgebend, wie sie § 9 Abs. 2 und 3 AlVG auch für den arbeitslos gewordenen Versicherten im Hinblick auf dessen Verpflichtung, eine vom Arbeitsamt vermittelte oder sich bietende Arbeitsgelegenheit zu ergreifen, vorsieht. Die bei Anwendung des § 11 AlVG vorzunehmende Zumutbarkeitsprüfung hat freilich die gänzlich anders geartete Situation des in Beschäftigung Stehenden (zum Unterschied zu dem bereits arbeitslos Gewordenen) zu berücksichtigen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. Juli 1990, Zl. 90/08/0106, und vom 19. Mai 1992, Zl. 91/08/0189).
Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze hat die belangte Behörde den unbestrittenen Sachverhalt mit Recht dahin beurteilt, dass der Beschwerdeführer sein Dienstverhältnis zwar nicht grundlos, aber ohne triftigen Grund im Sinne des § 11 AlVG aufgelöst hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 8. Juni 1993, Zl. 93/08/0111, zum Ausdruck gebracht, dass es der bloßen Erwartung höherer Aufstiegschancen und besserer Entlohnung in einem neuen Arbeitsverhältnis - gemessen an den auf Grund der dargelegten Gesetzeszwecke an den einzelnen Versicherten zu richtenden Verhaltensanforderungen zwecks tunlichster Bestreitung seines Lebensunterhaltes ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel - an zureichendem Gewicht mangle, um deshalb die freiwillige Lösung eines langjährigen Dienstverhältnisses, von dem nicht behauptet wurde, es sei dem Arbeitslosen die Fortsetzung aus einem der in § 9 angeführten Gründen unzumutbar gewesen, als einen der Versichertengemeinschaft zumutbaren Leistungsfall im Sinne des § 11 AlVG erscheinen zu lassen.
Die in diesem Erkenntnis zum Ausdruck gebrachten Wertungsgesichtspunkte sind aber auch im vorliegenden Fall von Bedeutung. Die zu erwartende Verbesserung der Berufschancen des Beschwerdeführers als freier Rechtsanwalt gegenüber der Fortsetzung seiner Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter ist mit der Erwartung höherer Aufstiegschancen und besserer Entlohnung in einem anderen Arbeitsverhältnis durchaus vergleichbar. Das Vorliegen eines triftigen Grundes ist hier ebenso wenig wie in jenem Fall anzunehmen, welcher dem hg. Erkenntnis vom 8. Juni 1993 zu Grunde gelegen ist. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die hier erfolgte Auflösung des Dienstverhältnisses zu einem etwa sechs Wochen vor Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit gelegenen Zeitpunkt. Die Annahme der belangten Behörde, die Voraussetzungen des § 11 erster Satz AlVG lägen beim Beschwerdeführer vor, ist daher nicht zu beanstanden.
Nach der Aktenlage unzutreffend ist auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, wonach eine Anhörung des Regionalbeirates vorliegendenfalls nicht erfolgt sei. Aus dem den Verwaltungsakten angeschlossenen Protokoll über die Sitzung des Unterausschusses für Arbeitslosenversicherung des Regionalbeirates beim Arbeitsmarktservice Gänserndorf vom 25. Mai 2000 ergibt sich eine Befassung desselben mit der Angelegenheit des Beschwerdeführers sowie eine Ablehnung der Nachsichtsgewährung in Ansehung der Sperrfrist.
Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden:
Die belangte Behörde hat die Anwendung des in § 11 zweiter Satz AlVG verwiesenen § 10 Abs. 2 AlVG ausschließlich mit der Begründung versagt, dass die Aufnahme der Tätigkeit des Beschwerdeführers als selbstständiger Rechtsanwalt erst am 16. Mai 2000, also weder innerhalb der Sperrfrist, noch unmittelbar nach deren Ende erfolgt sei.
Diese damit zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung erweist sich aus folgenden Erwägungen als inhaltlich rechtswidrig:
Zunächst ist festzuhalten, dass das Gesetz die Aufnahme einer anderen Beschäftigung ausdrücklich als Grund für die gänzliche oder teilweise Nachsicht vom Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes vorsieht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter "Beschäftigung" im Verständnis dieser Gesetzesbestimmung auch eine selbstständige, die Arbeitslosigkeit ausschließende Erwerbstätigkeit zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. April 1999, Zl. 97/08/0025). Die ausdrückliche Hervorhebung dieses Beispielsfalles durch den Gesetzgeber geht offenbar auf die Überlegung zurück, dass die Aufnahme einer anderen Beschäftigung durch den Arbeitslosen innerhalb eines absehbaren Zeitraumes nach Verwirklichung des Tatbestandes für den Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes die Versichertengemeinschaft für Zeiträume, die nach Ende der Ausschlussfrist liegen, von der Leistung von Arbeitslosengeld entbindet und damit wiederum entlastet. Eine ausdrückliche Regelung, innerhalb welcher Frist die andere Beschäftigung aufgenommen werden muss, um eine gänzliche oder teilweise Nachsicht vom Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes zu rechtfertigen, enthält § 10 Abs. 2 AlVG nicht.
Jedenfalls ist aber festzuhalten, dass die Möglichkeit einer gänzlichen oder teilweisen Nachsicht im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 AlVG für die Verlusttatbestände des § 10 Abs. 1 leg. cit., welche Ausschlussfristen von mindestens sechs bzw. im Falle des zweiten Satzes dieser Bestimmung von mindestens acht Wochen zur Folge haben, besteht. Der Verwaltungsgerichtshof geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass gemäß § 10 Abs. 2 AlVG eine gänzliche oder teilweise Nachsicht zu erfolgen hat, wenn ein Arbeitsloser, über den nach § 10 Abs. 1 zweiter Satz AlVG eine Ausschlussfrist von acht Wochen verhängt wurde, noch vor Ablauf dieser Frist eine andere Beschäftigung aufnimmt.
In den Fällen des § 11 erster Satz AlVG gilt § 10 Abs. 2 leg. cit. sinngemäß. Das in § 11 erster Satz AlVG umschriebene Verhalten bewirkt lediglich den Verlust des Arbeitslosengeldes für die Dauer von vier Wochen, statt wie in den Fällen des § 10 Abs. 1 leg. cit. von mindestens sechs bzw. von mindestens acht Wochen. Damit hat der Gesetzgeber aber an ein Verhalten im Sinne des § 11 erster Satz AlVG eine weniger gravierende Sanktion geknüpft als an ein solches nach § 10 Abs. 1 erster oder zweiter Satz AlVG.
Würde man nun die Rechtsansicht der belangten Behörde teilen, wonach eine Nachsicht von der in § 11 umschriebenen Sanktion nur dann möglich wäre, wenn der Arbeitslose innerhalb der nach dieser Bestimmung verhängten Ausschlussfrist oder kurz nach deren Ablauf eine neue Beschäftigung aufnimmt, so hätte dies zur Konsequenz, dass eine Nachsicht von der in § 11 erster Satz AlVG vorgesehenen milderen Sanktion an strengere Voraussetzungen geknüpft wäre, als eine solche von den in § 10 Abs. 1 erster und zweiter Satz AlVG umschriebenen gravierenderen Sanktionen.
Vorliegendenfalls hat der Beschwerdeführer innerhalb von acht Wochen ab Verwirklichung des Tatbestandes des § 11 erster Satz AlVG eine selbstständige Erwerbstätigkeit, also eine Beschäftigung im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG aufgenommen. Die Auffassung der belangten Behörde, die Aufnahme der in Rede stehenden Beschäftigung sei zu spät erfolgt, um eine Nachsicht im Verständnis des § 10 Abs. 2 AlVG im Zusammenhang mit § 11 zweiter Satz AlVG zu rechtfertigen, erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig.
Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand gebührt gemäß § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG nur dann, wenn der Beschwerdeführer durch einen Anwalt vertreten war. Dies ist bei einem in eigener Sache einschreitenden Rechtsanwalt nicht der Fall (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 1997, Zl. 97/02/0214).
Wien, am 1. Juni 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000190136.X00Im RIS seit
18.10.2001