Index
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;Norm
BDG 1979 §43;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des Prof. Dipl. Ing. Dr. L in W, vertreten durch Dr. Michaela Tulipan, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Keplerplatz 13, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 8. Juni 1998, Zl. 133/6-DOK/97, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1944 geborene Beschwerdeführer steht als Professor für Maschinenbau an der Höheren Technischen Bundeslehranstalt in X in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Stadtschulrat für Wien (Senat für Lehrer an technischen und gewerblichen Lehranstalten) vom 17. Oktober 1997 wurde der Beschwerdeführer - nach durchgeführter mündlicher Verhandlung - wie folgt schuldig erkannt:
"Prof. Dipl. Ing. Dr. L ist schuldig,
1. er hat als Lehrer an der Höheren Technischen Bundeslehranstalt X am 31. Jänner 1997 die vierte und fünfte Unterrichtsstunde des stundenplanmäßig vorgesehenen Unterrichts nicht abgehalten,
2. er hat die Weisung des Schulleiters, diesen Unterricht zu halten, nicht befolgt,
3. er hat durch die Nichtbefolgung der Ladung in den Stadtschulrat für Wien für Montag, den 14. April 1997, der Weisung des Vorgesetzten nicht entsprochen.
er hat dadurch gegen seine Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG, § 44 Abs. 1 sowie § 211 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979) verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 91 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 in der derzeit gültigen Fassung begangen."
Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen verhängte die Disziplinarbehörde erster Instanz über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 in Verbindung mit § 126 Abs. 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von zwei Monatsbezügen unter Ausschluss der Haushaltszulage.
Mit dem im Instanzenzug - in nicht öffentlicher Sitzung - ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 8. Juni 1998 hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers "nicht stattgegeben" und das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis bestätigt.
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde nach Darlegung der maßgebenden Rechtslage im Wesentlichen aus, es sei nach dem Berufungsvorbringen von dem im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis festgestellten Sachverhalt auszugehen; dieser sei unbestritten. Der Beschwerdeführer habe demnach am 31. Jänner 1997 seine Lehrverpflichtung hinsichtlich der stundenplanmäßig vorgesehenen vierten und fünften Unterrichtsstunde verletzt, die Weisung des Schulleiters - diesen Unterricht zu halten - nicht befolgt und der Ladung in den Stadtschulrat für Wien am 14. April 1997 - sohin einer Weisung des Vorgesetzten - nicht entsprochen. Am Tag vor einem beabsichtigten Arztbesuch habe der Beschwerdeführer der Direktion seine Dienstverhinderungsmeldung schriftlich bekannt gegeben. Dem Berufungsvorbringen, es habe sich daraus die Dringlichkeit des Arztbesuches ergeben, sei entgegenzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen wäre, auf die Dringlichkeit schriftlich oder mündlich besonders hinzuweisen. Die vorgebrachte Dringlichkeit des Arztbesuches erscheine als "leere Schutzbehauptung", weil es sich um eine "präparative Zahnbehandlung" gehandelt habe, die über einen längeren Zeitraum gedauert habe. Zudem habe der Beschwerdeführer seinen Zahnarzttermin vom 29. Jänner 1997 nicht wahrgenommen, weil "eine Konferenz an diesem Tag stattgefunden hatte" und er am Donnerstag einen anderen Arzttermin für Freitag habe ausmachen können; ein anderer Arzttermin (als der Termin am 31. Jänner 1997) sei erst nach dreieinhalb Wochen möglich gewesen, was dem Beschwerdeführer aber zu spät erschienen sei; er habe nämlich Beschwerden beim Essen gehabt und deshalb nicht drei Wochen warten wollen. Insgesamt würden sich die Behauptungen des Beschwerdeführers "als sehr widersprüchlich darstellen". Einerseits habe er den ursprünglich vereinbarten Arzttermin (am 29. Jänner 1997) nicht wahrgenommen. Dies lasse aber offenbar darauf schließen, dass keine besondere Dringlichkeit vorgelegen sei. Er behaupte nicht, dass akute Schmerzen am Donnerstag Abend aufgetreten seien und der Zahnarzttermin am 31. Jänner 1997 unaufschiebbar gewesen sei. Andererseits werde der Arztbesuch damit gerechtfertigt, dass der Arzttermin knapp gewesen sei und der Arzt nur wenige Minuten gewartet haben würde. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund der Beschwerdeführer den Arzttermin wahrgenommen und sich nicht um eine Terminverschiebung bemüht habe, zumal er den Zahnarzttermin schon am Donnerstag habe ausfallen lassen, um bei der Konferenz pflichtgemäß anwesend zu sein. Nicht der Schulleiter habe die Dringlichkeit des Arztbesuches zu erfragen gehabt, sondern der Beschwerdeführer habe "seinen Vorgesetzten zu unterstützen". Zu dieser Unterstützungspflicht gehöre es auch, über die Dringlichkeit eines Arztbesuches zu informieren, damit der Vorgesetzte organisatorische Maßnahmen treffen könne. Der Beschwerdeführer habe nach Abhaltung der ersten Unterrichtsstunde, wobei diese von AV Dipl. Ing. T hospitiert worden sei, die Schule ohne Meldung der Abwesenheit verlassen. Dies habe dazu geführt, dass erst auf Grund der Benachrichtigung der Direktion über die Abwesenheit des Beschwerdeführers für die unbeaufsichtigten Schüler eine Ersatzkraft gesucht worden sei. Die Behauptung des Beschwerdeführers, eine Meldung sei im Hinblick auf den dringenden Weg zum Zahnarzt zeitlich nicht mehr möglich gewesen, sei nicht nachvollziehbar, weil zwischen dem Ende des Unterrichts um
9.40 Uhr und dem Zahnarzttermin um 10.00 Uhr zumindest dem hospitierenden Dipl. Ing. T die Abwesenheit hätte gemeldet werden können. Der Beschwerdeführer habe vom Assistenten der Direktion um ca. 9.00 Uhr die Mitteilung erhalten, dass sein Arztbesuch nicht bewilligt worden sei. Unverständlich sei, aus welchem Grund nicht zu diesem Zeitpunkt auf die Dringlichkeit des Arztbesuches hingewiesen worden sei. Hinsichtlich des Besprechungstermines am 14. April 1997 im Stadtschulrat habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er hätte diesbezüglich ein Vertagungsansuchen an das Gericht richten müssen, was nur nach Rücksprache mit der zuständigen Richterin möglich gewesen wäre; er habe jedoch an den ihm zur Verfügung gestandenen beiden Tagen diese Richterin nicht erreichen können. Ein Ersuchen um Vertagung der Gerichtsverhandlung sei nicht möglich gewesen. Der Gerichtstermin sei bereits am 13. Jänner 1997 festgesetzt worden. Der Stadtschulrat habe den Besprechungstermin jedoch am 3. April 1997 für den 14. April 1997 festgesetzt. Am 4. April 1997 habe der Beschwerdeführer schriftlich bekannt gegeben, dass eine Terminverhinderung vorliege; er hätte bereits ab dem 4. April 1997 mit der zuständigen Richterin Kontakt aufnehmen können. Es sei nicht geklärt, aus welchem Grund der Beschwerdeführer nicht mit der Richterin Kontakt aufgenommen, oder im Stadtschulrat um Verlegung des Besprechungstermines ersucht habe. Der Beschwerdeführer hätte versuchen können, die zuständige Geschäftsstellenleiterin der Gerichtsabteilung zu erreichen, oder ein Fax mit der Bekanntgabe der Terminverhinderung an die Richterin zu schicken. Unter Zugrundelegung des unbestrittenen Sachverhaltes ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass Rechtfertigungsgründe für die Nichteinhaltung der Dienstpflichten vorgelegen seien. Obwohl die körperliche Unversehrtheit gegenüber den Dienstpflichten das höherwertige Rechtsgut sei, habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht, dass ein höherwertiger bedeutender Nachteil zu befürchten gewesen sei und die Nichteinhaltung seiner Lehrverpflichtung bzw. die Nichtbefolgung der Weisung des Vorgesetzten das einzige und angemessene Mittel gewesen sei, die körperliche Unversehrtheit zu schützen. Hinsichtlich der Nichtbefolgung der Ladung in den Stadtschulrat für den 14. April 1997 bestehe überhaupt keine Rechtfertigung. Da seit dem Bekanntwerden der Terminkollision noch zehn Tage verstrichen seien, könne "von einem gegenwärtigen Angriff überhaupt nicht ausgegangen werden".
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 7. Oktober 1998, B 1495/98-5, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie entsprechend den am 6. November 1998 erhobenen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit § 87 Abs. 3 Verfassungsgerichtshofgesetz mit Beschluss vom 11. November 1998, B 1495/98-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem mit Schriftsatz vom 13. Jänner 1999 ergänzten Beschwerdevorbringen in dem Recht verletzt, der ihm angelasteten Dienstpflichtverletzungen nicht schuldig erkannt und dafür nicht disziplinär bestraft zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (das ist der 9. Abschnitt Disziplinarrecht) zur Verantwortung zu ziehen.
§ 43 BDG 1979 regelt die allgemeinen Dienstpflichten des Beamten. Nach dem Abs. 1 dieser Gesetzesstelle ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Nach Abs. 2 leg. cit. hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
§ 44 BDG 1979 regelt die Dienstpflichten gegenüber dem Vorgesetzten. Nach dem Abs. 1 dieser Gesetzesstelle hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
Der Beamte kann die Befolgung einer Weisung zufolge Abs. 2 leg. cit. ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.
Hält der Beamte eine Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er zufolge Abs. 3 leg. cit., wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt.
Gemäß § 48 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten, wenn er nicht vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt vom Dienst abwesend ist.
§ 51 BDG 1979 regelt die Abwesenheit vom Dienst. Der Beamte, der vom Dienst abwesend ist, ohne vom Dienst befreit oder enthoben zu sein, hat nach dem Abs. 1 dieser Gesetzesstelle den Grund seiner Abwesenheit unverzüglich seinem Vorgesetzten zu melden und seine Abwesenheit zu rechtfertigen. Ist der Beamte durch Krankheit, Unfall oder Gebrechen an der Ausübung seines Dienstes verhindert, so hat er nach Abs. 2 leg. cit. seinem Vorgesetzen eine ärztliche Bescheinigung über den Beginn der Krankheit und nach Möglichkeit über die voraussichtliche Dauer der Dienstverhinderung vorzulegen, wenn er dem Dienst länger als drei Arbeitstage fernbleibt oder der Vorgesetzte oder der Leiter der Dienststelle es verlangt. Kommt der Beamte dieser Verpflichtung nicht nach, entzieht er sich einer zumutbaren Krankenbehandlung oder verweigert er die zumutbare Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung, so gilt die Abwesenheit vom Dienst nicht als gerechtfertigt.
Bestehen berechtigte Zweifel an der für die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erforderlichen körperlichen oder geistigen Eignung des Beamten, so hat sich dieser gemäß § 52 Abs. 1 BDG 1979 auf Anordnung der Dienstbehörde einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Der infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens vom Dienst abwesende Beamte hat sich nach Abs. 2 leg. cit. auf Anordnung der Dienstbehörde einer ärztlichen Untersuchung zur Prüfung seines Gesundheitszustandes zu unterziehen. Wenn es zur zuverlässigen Beurteilung erforderlich ist, sind Fachärzte heranzuziehen. Eine Anordnung im Sinne des ersten Satzes ist spätestens drei Monate nach Beginn der Abwesenheit vom Dienst und sodann in Abständen von längstens drei Monaten zu erteilen.
§ 211 BDG 1979 regelt die lehramtlichen Pflichten. Der Lehrer ist nach dieser Gesetzesstelle zur Erteilung regelmäßigen Unterrichtes (Lehrverpflichtung) sowie zur genauen Erfüllung der sonstigen aus seiner lehramtlichen Stellung sich ergebenden Obliegenheiten verpflichtet und hat die vorgeschriebene Unterrichtszeit einzuhalten.
1. Zum Schuldspruch 1. (betreffend die vierte und fünfte Unterrichtsstunde am 31. Jänner 1997):
Beide Disziplinarbehörden haben die unter Spruchpunkt 1. angelastete Tat als Verletzung der Dienstpflichten "gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG, § 44 Abs. 1 sowie § 211 BDG 1979" qualifiziert, wobei § 44 Abs. 1 BDG 1979 auf diesen Teil des Schuldspruches offenbar nicht zu beziehen ist.
Der somit angenommene Pflichtenverstoß gegen § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 liegt - schon aus rechtlichen Gründen - nicht vor. Dass der Beschwerdeführer durch die unter Spruchpunkt 1. vorgeworfene Tat Dienstpflichten im Sinne des § 43 Abs. 2 BDG 1979 verletzt hätte, ist nicht nachvollziehbar; ein solcher Pflichtenverstoß wurde von der belangten Behörde nicht begründet. Nach dem Inhalt der Anschuldigung (Vorwurf der ungerechtfertigten Abwesenheit im Zusammenhang mit einer nicht genehmigten Dienstverhinderungsmeldung) hätte die belangte Behörde die Bestimmungen der §§ 48 Abs. 1, 51 und 52 BDG 1979 betreffend die darin geregelten besonderen Dienstpflichten in Betracht ziehen müssen. Auf Grund dieser besonderen Pflichtenregelungen über die Dienstzeit bzw. die (gerechtfertigte) Abwesenheit vom Dienst schied ein Verstoß gegen die grundsätzlich subsidiär anzuwendende Regelung der allgemeinen Dienstpflichten des § 43 BDG 1979 vorliegend aus (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. März 1991, Zl. 91/09/0002, und vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0111). Die belangte Behörde hätte die dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt 1. vorgeworfene Tat in rechtlicher Hinsicht somit ausschließlich danach prüfen müssen, ob der Beschwerdeführer besondere Dienstpflichten verletzt hat. Schon aus diesem Grund ist der Schuldspruch 1. inhaltlich rechtswidrig.
Die belangte Behörde hat die Rechtslage zudem dadurch verkannt, dass sie über die Berufung des Beschwerdeführers in nichtöffentlicher Sitzung entschieden hat, obwohl - entgegen der Darlegung in ihrer Begründung, dass der Sachverhalt unbestritten sei - wesentliche Tatsachenfeststellungen gar nicht getroffen wurden, oder der Klärung in einer mündlichen Verhandlung bedurft hätten (vgl. § 125a BDG 1979). Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde nicht einen "unbestrittenen Sachverhalt" aus dem erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis wiedergegeben (oder nur sprachlich zusammengefasst), sondern sie hat vom festgestellten Sachverhalt abweichende (somit bestreitende) Berufungsausführungen und die in erster Instanz abgelegte Aussage des Beschwerdeführers - allerdings ohne sich von seiner Glaubwürdigkeit einen persönlichen Eindruck zu verschaffen - mit ihrer eigenständigen Beurteilung als "leere Schutzbehauptung", als "sehr widersprüchlich" oder als "nicht nachvollziehbar" gewürdigt. Diese Beweiswürdigung (auch von Ergebnissen des Verfahrens der Unterinstanz) ohne Durchführung eines eigenen Ermittlungsverfahrens verletzt den Grundsatz der Unmittelbarkeit (§ 126 Abs. 1 BDG 1979) und ist daher rechtswidrig. Es erübrigt sich schon aus diesem Grund daher darauf einzugehen, ob die im Rahmen dieser (rechtswidrigen) Beweiswürdigung angestellten Erwägungen der belangten Behörde schlüssig sind.
2. Zur Verweigerung der Wahrnehmung des Zahnarzttermines und der Weisung des Schulleiters, den Unterricht zu halten (Spruchpunkte 1. und 2.):
Die Argumentation der Disziplinarbehörden geht dahin, der Arztbesuch des Beschwerdeführers sei deshalb nicht gerechtfertigt gewesen, weil keine Dringlichkeit dieses Arzttermines vorgelegen sei. Diese Beurteilung beruht allerdings nicht auf festgestellten medizinischen Sachgrundlagen und auch nicht auf einem medizinischen Sachverständigengutachten. Die Ansicht, der Zahnarzttermin des Beschwerdeführers sei nicht dringlich gewesen und er hätte auf einen späteren Termin verschoben werden können, stützt sich allein auf die Meinung von Personen, die keine medizinische (noch viel weniger eine hier notwendige fachärztliche) Ausbildung besitzen und die zur Beurteilung zahnheilkundlicher Sachverhalte bzw. Sachfragen (als Grundlage einer darauf aufbauenden rechtlichen Beurteilung) nicht berufen sind. Um die Dringlichkeit bzw. Notwendigkeit der in Rede stehenden zahnärztlichen Versorgung und Behandlung sachgerecht einschätzen und beurteilen zu können, wäre vielmehr eine Abklärung der Ursachen der - in tatsächlicher Hinsicht nicht in Zweifel gezogenen - Schmerzen des Beschwerdeführers notwendig gewesen. Feststellungen darüber, welche Behandlung bzw. zahnärztliche Versorgung am Beschwerdeführer (konkret) erfolgte, wurden gar nicht getroffen. Auch über die gesundheitlichen Auswirkungen und Risken einer allenfalls späteren zahnärztlichen Versorgung des Beschwerdeführers oder der Zumutbarkeit einer späteren Behandlung haben die Disziplinarbehörden weder Ermittlungen angestellt noch Feststellungen getroffen.
Der Vorgesetzte (Schulleiter) des Beschwerdeführers hätte aus Anlass seiner Entscheidung über die ihm vorgelegene Dienstverhinderungsmeldung bzw. das Ansuchen des Beschwerdeführers um Dienstfreistellung für den Zahnarzttermin ermitteln müssen, ob die begehrte Dienstabwesenheit gerechtfertigt ist oder nicht. Dies hätte allerdings erfordert, dass die medizinische und die terminliche Seite dieses Arztbesuches etwa durch (auf kurzem Wege vorgenommene) Befragung des behandelnden Zahnarztes oder des Beschwerdeführers geprüft worden wäre.
Im vorliegenden Fall war der Vorgesetzte (Schulleiter) des Beschwerdeführers allerdings an einer solchen sachlichen Klärung, ob eine gerechtfertigte Dienstabwesenheit vorliege oder nicht, von vornherein gar nicht interessiert. Der Schulleiter hat sofort und ohne jedwede Klärung eines Sachverhaltes die Ablehnung der Genehmigung der Dienstverhinderung ausgesprochen.
Die Disziplinarbehörden haben bei der ihr Ergebnis begünstigenden, nur selektiven Wiedergabe (Feststellung) des Sachverhaltes folgende wesentliche Teile der Aussage des Vorgesetzten (Direktor Hofrat Dipl. Ing. Dr. techn. I) in der Verhandlung vor der Disziplinarbehörde erster Instanz unberücksichtigt gelassen:
"Auf die Frage, warum er den Zahnarzttermin nicht genehmigt habe:
Weil der Kollege L sehr oft auch schon in der Vergangenheit immer wieder wegen sonstiger Gründe, die in seiner Privatsphäre gelegen sind und mit seinen Nebenbeschäftigungen zu tun haben, oder auch manchmal unbegründet, oder zumindest hinterher nicht begründet, den Unterricht oder Konferenzen verlassen hat, und daher so gesehen aus dieser Sicht für mich kein unbeschriebenes Blatt war. Wenn das also ein Kollege macht, der immer ordnungsgemäß seinen Dienst versieht und er kommt einmal zu mir und sagt: Gestern habe ich nicht können wegen einer Konferenz, könnte ich nicht ... dann werde ich sagen, na ja selbstverständlich. Wenn aber es jemand ist, der notorisch seit zumindest über einem Jahrzehnt gegen den Stachel löckt, würde ich das so sagen, und das mit Wonne, dann ist es selbstverständlich, dass ich eigentlich gewartet habe, dass ich endlich einmal einen Punkt habe, wo ich ihn erwischen kann.
...
Auf die Frage und wenn man also nicht sichtbare Behinderungen
aufweist, finden sie, es sei kein Akutfall:
Also in jedem Fall ja, bei ihnen. Bei jedem anderen würde ich das anders sehen, aber bei der Vorgeschichte nicht. Und wir beide wissen, wovon ich spreche."
Vor dem Hintergrund dieser Aussage des Vorgesetzten (Schulleiters) ist unmissverständlich zu erkennen, dass die Dienstfreistellung des Beschwerdeführers für seinen Zahnarzttermin jedem anderen Lehrer - hätte er ein gleichartiges Ansuchen wie der Beschwerdeführer gestellt - gewährt worden wäre, im konkreten Fall des Beschwerdeführers aber nur deshalb abgelehnt wurde, weil der Beschwerdeführer das Ansuchen gestellt hatte. Die Vorgangsweise des Schulleiters beruhte unverhohlen auf sachfremden Erwägungen (Entschließungen), nämlich auf Willkür. Gleiches gilt für die in diesem Zusammenhang rechtswidrig erteilte Weisung des Schulleiters, den Unterricht zu halten (Spruchpunkt 2.).
Der Beschwerdeführer kam seiner Verpflichtung nach § 51 Abs. 1 BDG 1979 vorliegend offenbar nach, weil er seine - auf zwei Stunden begrenzte - Abwesenheit meldete. Der Vorgesetzte (Schulleiter) hat die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nicht verlangt. Der Beschwerdeführer ist demnach seiner Meldepflicht nachgekommen, ohne dass gleichzeitig eine Bescheinigungs- oder Behandlungspflicht entstanden wäre; diese Pflichten konnte daher von ihm vorliegend nicht verletzt werden (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 15. Juni 1981, Slg. NF Nr. 10489/A; und vom 20. Mai 1992, Zl. 90/12/0313; sowie Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 2. Auflage 1996, Seiten 218 und 221).
Der Schuldspruch nach den in untrennbarem Zusammenhang stehenden Spruchpunkten 1. und 2. erweist sich somit als rechtswidrig.
3. Zum Schuldspruch 3 (Ladung in den Stadtschulrat für den 14. April 1997):
Die Disziplinarbehörden sind davon ausgegangen, dass eine Weisung des Vorgesetzten (Stadtschulrat) vorlag, die der Beschwerdeführer nicht befolgt habe.
Die in dieser Hinsicht angenommene Verletzung der Gehorsamspflicht liegt schon auf Grund folgender Erwägungen nicht vor:
Gegen seine im Wege der Direktion ausgesprochene Ladung für den 14. April 1997 hat der Beschwerdeführer eingewendet, dass er zu diesem angeordneten Termin wegen eines Gerichtstermines verhindert sei. Diesen Einwand belegte der Beschwerdeführer durch Vorlage eines gerichtlichen Verhandlungsprotokolls (mit darin enthaltener Ladung und Terminangabe). Auf Grund dieses als Remonstration gegen die angeordnete Ladung zu wertenden Vorbringens des Beschwerdeführers stellte eine Sachbearbeiterin des Stadtschulrates Erhebungen bei der zuständigen Richterin an und erkundigte sich danach, ob der Gerichtstermin verschoben werden könne; diese Kontaktaufnahme mit dem Gericht führte allerdings nicht dazu, dass der Gerichtstermin abberaumt wurde.
Hat der Beschwerdeführer seine hinreichend begründeten Bedenken gegen die angeordnete Ladung (Weisung) dem Vorgesetzten (Weisungsgeber) somit mitgeteilt, so hat dies - wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt - zur Folge, dass bis zu einer schriftlichen Erteilung der Weisung für den Beamten (Lehrer) keine Pflicht zur Befolgung der von ihm für gesetzwidrig gehaltenen Weisung besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/09/0230, und die darin angegebene Judikatur). Dass die Ladung in den Stadtschulrat, nachdem der Beschwerdeführer die Terminverhinderung (bzw. Terminkollission) eingewendet hatte, gegenüber dem Beschwerdeführer schriftlich erteilt (wiederholt) worden wäre, haben die Disziplinarbehörden nicht festgestellt. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten eine schriftliche Weisungserteilung (Ladung) nicht erkennen. Die Rechtsvermutung der Zurückziehung der Weisung (Ladung) im Sinne des § 44 Abs. 3 zweiter Satz BDG 1979 ist daher eingetreten.
Da der Vorgesetzte (Stadtschulrat) somit nicht auf Befolgung seiner Weisung (Ladung) bestanden hat, konnte der Beschwerdeführer die ihm unter Spruchpunkt 3. zur Last gelegte Verletzung der Gehorsamspflicht nicht begehen.
Der Schuldspruch erweist sich insgesamt als rechtswidrig. Dies zieht notwendigerweise die Aufhebung des Strafausspruches nach sich.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 6. Juni 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998090317.X00Im RIS seit
14.08.2001Zuletzt aktualisiert am
19.08.2009