Das gegenständliche aufgrund einer Betriebsbesichtigung erstellte Schreiben des Arbeitsinspektorates W. vom 13.1.1994 stellt eine schriftliche Aufforderung gemäß § 9 Abs.1 ArbIG dar, unverzüglich den den Rechtsvorschriften entsprechenden Zustand herzustellen. Dies ist auch unmittelbar der Präambel des Schreibens zu entnehmen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsinspektorates sowie auch der belangten Behörde stellt aber der Schlußsatz dieses Schreibens, nämlich die Beseitigung der Mängel schriftlich mitzuteilen, ebenfalls einen Teil dieser Aufforderung dar. Wird auch in der Präambel die "unverzügliche" Mängelbeseitigung angeordnet, so stellt nämlich die Fristsetzung im Schlußsatz eine Terminisierung dar, bis zu welchem Zeitpunkt jedenfalls die Wiederherstellung zu erfolgen hat.
Wird einer solchen Aufforderung nicht entsprochen, so "hat" das Arbeitsinspektorat eine Anzeige an die zuständige Verwaltungsstrafbehörde zu erstatten (§ 9 Abs.2 ArbIG). Dabei ist zu beachten, daß im österreichischen Verwaltungsstrafverfahren das Prinzip der Amtswegigkeit gilt, dh daß Verwaltungsübertretungen von Amts wegen festzustellen sind. Es ist die Auferlegung einer Meldepflicht im Gesetz nicht vorgesehen. Eine solche Meldepflicht käme im übrigen einer Selbstdenunziation gleich und würde daher dem Anklageprinzip und dem Grundrecht auf ein faires Verfahren widersprechen.
Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung ist daher bei verfassungskonformer Auslegung der Gesetzesstelle die Erteilung eines Auftrages zur Meldung der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes unzulässig (vgl ARD, Arbeitnehmerschutz - ASchG, Arbeitsinspektion ArbIG, redigiert von D. Scherff, 222f). Danach kann, ob einer Aufforderung entsprochen wurde, in der Regel nur aufgrund einer neuerlichen Kontrolle festgestellt werden. Eine Aufforderung gemäß § 9 Abs.1 stellt keinen Bescheid dar und kann dem Arbeitgeber keine Pflichten auferlegen, die sich nicht ohnehin bereits aus den Arbeitnehmerschutzvorschriften bzw. den bescheidmäßigen Vorschreibungen ergeben.).
Ein Straftatbestand gemäß § 24 Abs.1 Z3 ArbIG (danach ist strafbar, wer entgegen § 7 die erforderlichen Auskünfte nicht erteilt) ist deshalb nicht gegeben, weil zur Vollendung dieses Tatbestandes denknotwendig eine Anfrage durch das Arbeitsinspektorat vorauszugehen hat. Eine solche Anfrage stellt die Einholung von Erkundigungen über Tatsachen dar. Dies läßt sich schon aus der Systematik des ArbIG (Überschrift "Vernehmung von Personen" zu § 7 leg.cit. und der weitere Verweis auf §§ 48 und 49 AVG) erkennen. Es soll durch diese Gesetzesstelle vielmehr die Möglichkeit geschaffen werden, durch persönliche Einvernahme und schriftliche Anfrage eine Momentaufnahme der Tatsachen in einem Betrieb zu erhalten. Die Auskunft über die Einhaltung der Gesetze ist vom Gesetzgeber nicht gemeint. Eine entsprechende Anfrage ist jedoch vom Arbeitsinspektorat Wels nicht ergangen bzw ist nicht aktenkundig. Die Aufforderung zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes unter Fristsetzung kann nicht als Anfrage zwecks Erlangung einer Auskunft angesehen werden. Allenfalls hätte nach Ablauf der Frist eine entsprechende Anfrage um eine Auskunft betreffend den tatsächlichen Zustand in der betreffenden Betriebsstätte eingeholt werden müssen. Im Grunde der genannten Bestimmungen hat daher der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen, weshalb das Straferkenntnis aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.