RS UVS Oberösterreich 1995/04/12 VwSen-200135/6/Wei/Bk

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Veröffentlicht am 12.04.1995
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Rechtssatz

Gemäß § 174 Abs.1 lit.a Z6 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem letzten Satz Z1 dieses Absatzes mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- oder mit Arrest bis zu vier Wochen zu ahnden ist, wer das Rodungsverbot des § 17 Abs.1 nicht befolgt.

§ 17 Abs.1 Forstgesetz 1975 verbietet die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung). Unter Rodung ist nicht nur die Beseitigung des Holzwuchses und des Humus sondern auch die nachfolgende Verwendung dieses Bodens zu anderen Zwecken als solchen der Waldkultur zu verstehen (vgl Wohanka/Stürzenbecher/Blauensteiner/Jäger, Kommentar zum Forstrecht (1993), 57 Anm 4). Die Strafbestimmung pönalisiert sowohl eine Rodung im technischen Sinn als auch die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken. Dementsprechend stellt die unbefugte Rodung ein Dauerdelikt dar, das im Herbeiführen und Bestehenlassen der Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als solchen der Waldkultur besteht (vgl dazu im einzelnen die Judikatur bei Bobek/Plattner/Reindl, Forstgesetz, 2.A (1995) Anm 5) zu § 174 ForstG; Wohanka/Stürzenbecher/Blauensteiner/Jäger, Kommentar zum Forstrecht, 318f Anm 2 bis 4).

Gegenständlich steht unbestritten fest, daß der Bw im Jahr 1991 zur Bewirtschaftung seines kleinen Waldes in der Größe von höchstens 2 ha ein nach Art und Umfang der Ausführung sogar für Wohnzwecke geeignetes Gebäude im Grundriß von 8,2 m x 6 m auf seinem Waldgrundstück XX der KG D. errichtet hat und seither auch benutzt. Nach beiden im forstrechtlichen Auftragsverfahren eingeholten Gutachten der forstfachlichen Amtssachverständigen besteht aufgrund der konkreten Umstände (Kleinwald von etwa 2 ha, sehr gut erschlossen, geringe Entfernung von 10 km zum Wohnsitz) keine forstbetriebswirtschaftliche Notwendigkeit für eine Waldarbeiterunterkunft.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es auch dann unzulässig, auf einer unbestockte Grundfläche ohne Erteilung einer Rodungsgenehmigung eine Hütte zu errichten, wenn diese Hütte zwar faktisch der forstbetrieblichen Bewirtschaftung dient, aber dafür nicht unbedingt erforderlich ist (vgl VwSlg 9920 A/1979). Die Forsthütte darf außerdem nur der forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung dienen (vgl Nachw bei Bobek/Plattner/Reindl, Forstgesetz, 2.A (1995), Anm 5 zu § 1 ForstG, E 4 bis E 6). An das Erfordernis der unbedingten Notwendigkeit legt der Verwaltungsgerichtshof einen strengen Maßstab an (vgl ua VwGH 30.9.1992, 91/10/0172), da sonst bei der Vielzahl von Kleinbetrieben eine mit den Zielen des Forstgesetzes unvereinbare Waldverhüttelung drohen würde (vgl näher Wohanka/Stürzenbecher/Blauensteiner/Jäger, Kommentar zum Forstrecht, 18 fAnm 4).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Errichtung und Verwendung einer Forstbetriebshütte auf Waldboden ohne unbedingte Notwendigkeit als verbotene Rodung iSd § 17 iVm § 174 Abs.1 lit.a Z6 Forstgesetz 1975 anzusehen. Die widersprechenden Rechtsausführungen der Berufung sind demgegenüber nicht stichhältig. Ob widerrechtlich errichtete Hütten ortsüblich sind und ob auch anderen Waldeigentümern die Entfernung aufgetragen wurde oder nicht, ist irrelevant. Aus Vollzugsdefiziten kann der Bw keine subjektiven Rechte ableiten.

Das Kriterium der forstwirtschaftlichen Notwendigkeit ist objektiv und nicht nach den subjektiven Vorstellungen und Bedürfnissen des Bw auszulegen. Deshalb gehen die Ausführungen des Bw im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand sowie auf die nach seiner Meinung betriebswirtschaftlich sinnvolle Verwendung der errichteten Waldarbeiterunterkunft ins Leere. An der Richtigkeit der von den Amtssachverständigen vorgenommenen forstfachlichen Beurteilung der Situation seines Forstbetriebs können die persönlichen Vorstellungen des Bw nichts ändern.

Auch der Einwand der denkunmöglichen Anwendung des § 17 Abs.1 Forstgesetz 1975 vor dem Hintergrund der Unterscheidung zwischen den Begriffen Wald und Waldboden ist unberechtigt. Selbst wenn die Hütte auf einer beschotterten Fläche errichtet worden sein sollte, bedeutet das noch nicht, daß kein Waldboden hätte vorliegen können. Für die Feststellung der Waldeigenschaft einer Fläche kommt es auf die Begriffsbestimmungen des § 1 Abs.1 bis 3 Forstgesetz 1975 an. Gemäß § 1 Abs.1 Forstgesetz 1975 sind mit forstlichem Bewuchs bestockte Grundflächen als Wald anzusehen, soweit die Bestockung mindestens eine Fläche von 1.000 m2 und eine durchschnittliche Breite von 10 m erreicht. Nach dem Abs.2 sind Grundflächen auch Wald, deren forstlicher Bewuchs infolge Nutzung oder aus sonstigem Anlaß vorübergehend vermindert oder beseitigt ist.

Gemäß § 1 Abs.3 Forstgesetz 1975 gelten auch dauernd unbestockte Grundflächen als Wald, insoweit sie in einem unmittelbaren räumlichen und forstbetrieblichen Zusammenhang mit Wald stehen und dessen Bewirtschaftung dienen (wie forstliche Bringungsanlagen, Holzlagerplätze, Waldschneisen).

Der Begriff Waldboden ist zwar nicht gesetzlich definiert, hängt aber naturgemäß eng mit dem Begriff des Waldes zusammen. Es handelt sich dabei um zum Wald gehörige Grundflächen, ohne Rücksicht auf die Grundstücks- und Eigentumsgrenzen und unabhängig von einem fehlenden forstlichen Bewuchs (vgl dazu Bobek/Plattner/Reindl, Forstgesetz, 2.A (1995), Anm 1 zu § 17 ForstG). Entgegen der Ansicht des Bw folgt dies schon aus der Begriffsbestimmung des § 1 Abs.3 Forstgesetz 1975 und aus dem § 1 Abs.7 leg.cit., der Kahlflächen als Waldboden ohne jeglichen Bewuchs bezeichnet. Der Verhandlungsschrift vom 30.09.1992 über den Lokalaugenschein im Administrativverfahren ist zu entnehmen, daß sich das Gebäude isoliert im dicht umgebenden Waldgebiet befindet und daß die Aufschließung durch einen Schotterweg mit Umkehrplatz im unmittelbaren Bereich des Gebäudes erfolgt. Dementsprechend besteht zwischen der gegenständlichen Grundfläche, auf der sich die errichtete Hütte befindet, ein unmittelbarer räumlicher und forstbetrieblicher Zusammenhang. Der Schotterweg mit Umkehrplatz dient der forstliche Bewirtschaftung. Forstliche Bringungsanlagen sind als Wald anzusehen (arg § 1 Abs.3 und § 65 Forstgesetz 1975). Für eine Ausnahme nach § 1 Abs.4 und 5 Forstgesetz gibt es weder aktenkundigen Anhaltspunkte noch haben die Berufungswerber eine entsprechende Behauptung aufgestellt.

Im Ergebnis kann an der widmungswidrigen Verwendung von Waldboden auch deshalb nicht gezweifelt werden, weil der Bw anstatt einer schlichten Forstbetriebshütte eine großzügig ausgestattete Wochenendhütte errichtet hat, die er offensichtlich auch für Erholungszwecke verwendet.

Der Bw behauptet die Verfassungswidrigkeit des § 17 Forstgesetz 1975 wegen Eingriffs in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentum nach Art.5 StGG und Art.1 des 1. ZP zur EMRK. Er wendet sich gegen die Regelung des § 17 Abs.2 Forstgesetz, die er als absolutistisch bezeichnet, weil nur öffentliche und keine privaten Interessen berücksichtigt werden. Er erachtet den Wesensgehalt des Eigentumsrechts verletzt.

§ 17 Abs.1 könne davon nicht losgelöst gesehen werden.In weiterer Folge wird im wesentlichen die strenge Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes, daß eine Forstbetriebshütte für die Waldbewirtschaftung unbedingt erforderlich sein muß, als totalitäre Wirtschaftslenkungsmaßnahme kritisiert, die weder mit der Freiheit des Eigentumsrechts noch mit der Freiheit des Erwerbs vereinbar sei. Auch die Versagung des Anspruchs auf eine solche Hütte für den Fall, daß zum Zweck der Waldbewirtschaftung auch ein anderer Zweck hinzukomme, sei nicht grundrechtskonform. Das Forstrecht nehme die Entscheidungen der Naturschutzbehörde und Baubehörde vorweg. Seine Prädominanz sei verfassungsrechtlich bedenklich. Außerdem sei das Recht, auf eigenem Grund ein Bauwerk zu errichten, ein civil right im Sinne der EMRK, das in die Entscheidungskompetenz eines Tribunals falle. Aus diesen Überlegungen stellt der Bw den Antrag, der unabhängige Verwaltungssenat möge einen Gesetzesprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof bezüglich § 17 Abs.1, 2 und 4 Forstgesetz 1975 stellen. Der Aufhebungsantrag möge in eventu auf die Worte "öffentliches" in § 17 Abs.2 und "öffentlichen" in § 17 Abs.4 leg.cit. beschränkt werden.

Zu diesem Vorbringen des Bw ist zunächst festzustellen, daß eine zulässige Antragstellung des unabhängigen Verwaltungssenates hinsichtlich der Absätze 2 und 4 des § 17 Forstgesetz 1975 bereits an der mangelnden Präjudizialität scheitert. Diese Vorschriften waren im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden. Was die Anwendung des Rodungsverbotes gemäß § 17 Abs.1 Forstgesetz 1975 betrifft, kann der unabhängige Verwaltungssenat die Bedenken des Bw jedenfalls nicht teilen. Der Bw übersieht, daß er eigenmächtig und ohne jede Bewilligung oder Erkundigung bei kompetenter Stelle eine großzügig ausgestattete Forstbetriebshütte errichtet hat. Er hat die zuständigen Behörden vor vollendete Tatsachen gestellt, anstatt vorher um eine Rodungsbewilligung anzusuchen. Selbst wenn alle seine Einwände gegen § 17 Abs.2 und 4 Forstgesetz zuträfen, änderte das nichts an der grundsätzlichen Bewilligungspflicht der Rodung iSd § 17 Abs.1 Forstgesetz 1975, die der Bw aber ignoriert hat. Das erstbehördliche Straferkenntnis ist schon aus diesem Grunde zu Recht ergangen. Im übrigen hat der Verfassungsgerichtshof den § 17 Forstgesetz 1975 bereits als verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage bezeichnet (vgl VfSlg 10349/1985). Der unabhängige Verwaltungssenat sieht sich daher nicht zu einer Antragstellung gemäß Art.129a Abs.3 iVm Art.89 Abs.2 und Art.140 Abs.1 B-VG veranlaßt.

Da der strafbehördlich formulierte Spruch dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht zuletzt im Hinblick auf den Deliktscharakter des § 17 Abs.1 iVm § 174 Abs.1 lit.a Z6 als Dauerdelikt zu ungenau erschien, hat er im Rahmen der Identität der Tat eine Neuformulierung vorgenommen, die eine präzisere Darstellung des maßgeblichen Tatverhaltens enthält. Der Tatzeitraum war mit dem Datum des angefochtenen Straferkenntnisses zu begrenzen. Die Ersatzfreiheitsstrafe bekämpft der Bw mit dem Vorbringen, daß sie im Hinblick auf die EMRK nicht hätte verhängt werden dürfen. Zur Widerlegung dieses Einwandes genügt es, auf den im Verfassungsrang stehenden Vorbehalt Österreichs zu Art.5 EMRK hinzuweisen, der sich auch auf Art.6 EMRK erstreckt (vgl dazu näher VfSlg 11369/1987 und VwSlg 12466 A/1987).

Die von der Strafbehörde verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen steht allerdings im Mißverhältnis zur ausgesprochenen Geldstrafe. Die Ersatzfreiheitsstrafe war gemäß § 16 Abs.2 VStG iVm der Freiheitsstrafdrohung des § 174 Abs.1 letzter Satz Z1 Forstgesetz 1975 innerhalb eines Strafrahmens bis zu 4 Wochen zu bemessen. Während die Geldstrafe den primären Strafrahmen zu 10 % ausgeschöpft hat, entspricht die strafbehördlich festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe fast 18 % des dafür in Betracht kommenden Strafrahmens. Für diesen Unterschied hat die belangte Behörde keine Begründung angegeben. Dies widerspricht aber der ständigen Judikatur des O.ö. Verwaltungssenates, wonach die Ersatzfreiheitsstrafe im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip des Art.1 Abs.3 PersFrSchG 1988 (BGBl. Nr. 684/1988) grundsätzlich in Relation zu der verhängten Geldstrafe festzusetzen ist, wobei das Verhältnis der höchstmöglichen Geldstrafe zur höchstmöglichen Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend ist. Nur mit besonderer Begründung darf davon abweichend aus Rücksicht auf die schlechten persönlichen Verhältnisse des Täters eine unverhältnismäßige Ersatzfreiheitsstrafe bemessen werden, die aber noch im Rahmen der Schuld des Täters vertretbar erscheinen muß.

Der unabhängige Verwaltungssenat ist aber der Ansicht, daß die beträchtliche Schuld des Bw auch eine Geldstrafe deutlich über den verhängten S 10.000,-- gerechtfertigt hätte und diese vergleichsweise geringe Geldstrafe nur wegen der nicht allzu günstigen Einkommenssituation des Bw bemessen worden ist. Im übrigen war auch seine Sorgepflicht zu berücksichtigen. Sieht man von diesen eher ungünstigen persönlichen Verhältnissen ab, rechtfertigt das Gewicht der wesentlichen Strafzumessungsfaktoren (erhebliche Beeinträchtigung der forstrechtlich geschützten Interessen, beträchtliches Ausmaß des Verschuldens und spezialpräventive Erfordernisse) trotz der Unbescholtenheit des Bw durchaus eine Strafe in Höhe von 18 % des Strafrahmens. Deshalb erscheint die Ersatzfreiheitsstrafe, für die es nicht auf die persönlichen Verhältnisse des Bw ankommt, auch in einer Höhe von 5 Tagen als tat- und schuldangemessen. Der erstbehördliche Strafausspruch war daher ebenfalls zu bestätigen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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