RS UVS Oberösterreich 1995/04/12 VwSen-221175/6/Gf/Km

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Veröffentlicht am 12.04.1995
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Rechtssatz

Gemäß § 24 VStG iVm § 71 Abs.1 Z1 VStG ist gegen die Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Nach § 24 VStG iVm § 71 Abs.2 AVG muß ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Gemäß § 24 VStG iVm § 69 Abs.1 Z2 AVG ist dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Nach § 24 VStG iVm § 69 Abs.2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, einzubringen. Die Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt L vom 4.5.1994, Zl., wurde dem Berufungswerber am 17.5.1994 durch Hinterlegung zugestellt.

Daß diese Zustellung, insbesondere wegen Abwesenheit vom Zustellort i. S.d. § 17 Abs.3 ZustG, unwirksam gewesen wäre, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Die Einspruchsfrist i.S.d. § 49 Abs.1 VStG begann daher am 17.5.1994 zu laufen und endete mit Ablauf des 31.5.1994.

Erst mit Schreiben vom 16.9.1994 hat der Rechtsmittelwerber einen Wiedereinsetzungs- bzw. einen Wiederaufnahmeantrag gestellt. Soweit es die Frage der Rechtzeitigkeit dieser Anträge betrifft, wird darin lediglich auf ein - offenbar aus Anlaß des laufenden Vollstreckungsverfahrens - mit der belangten Behörde am 5.9.1994 geführtes Telefonat sowie darauf Bezug genommen, daß der Beschwerdeführer seit Anfang Mai 1994 "wegen einer akuten und fieberhaften Periodonitis" (Zahnwurzelerkrankung), "die zeitweise zu Bettlägrigkeit führte, laufend" bei einem Dentisten in Behandlung stand, "was natürlich mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden war", sodaß er "zur fraglichen Zeit in keinster Weise physisch und psychisch voll einsatz- und verantwortungsfähig" gewesen sei.

Aus diesen Äußerungen geht hervor, daß der Berufungswerber zum fraglichen Zeitraum jedenfalls am Zustellort anwesend und die Zustellung somit rechtmäßig war (im gegenteiligen Fall wäre nämlich von der absoluten Nichtigkeit der Strafverfügung auszugehen gewesen, sodaß sich deren Bekämpfung im Wege eines Wiedereinsetzungs- bzw. Wiederaufnahmeantrages von vornherein erübrigt hätte). Durch die Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige am Zustellort war ihm auch bekannt, daß ein behördliches Schriftstück für ihn am Postamt zur Abholung bereitgehalten wurde. Die vom Beschwerdeführer eingewendete krankheitsbedingte Behinderung war objektiv besehen keinesfalls derart, daß sie dessen Dispositionsfähigkeit völlig ("zeitweise zu Bettlägrigkeit führte") ausschloß sowie es ihm auch nicht faktisch verunmöglichte, das zwei Wochen hindurch am Postamt hinterlegte Schriftstück zu beheben. Die einige Monate später seitens der belangten Behörde betriebene Vollstreckung der Strafverfügung traf ihn somit keineswegs überraschend bzw. hat der Rechtsmittelwerber diese Folgen seiner eigenen Fahrlässigkeit zuzuschreiben, wenn er die Hinterlegungsanzeige offenbar leichtfertig ("Wieso ich die Strafverfügung vom Bauamt nicht erhielt, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen") ignorierte. Ein Hinderungsgrund i.S.d. § 71 Abs.1 Z1 AVG ist darin entgegen der Auffassung des Berufungswerbers jedenfalls ebensowenig gelegen wie das Hervorkommen einer neuen Tatsache i.S.d. § 69 Abs.1 Z2 AVG, sodaß weder die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch jene für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen (vgl. z.B. VwGH v. 19.5.1983, 83/15/0025; v. 6.2.1989, 88/10/0132; bzw. v. 30.3.1978, 2772/76; v. 23.11.1988, 88/01/0225).

Dennoch erweist sich die Zurückweisung der entsprechenden Anträge durch den angefochtenen Bescheid als rechtswidrig:

Wenn diese auch offensichtlich unbegründet waren, so hat die belangte Behörde doch übersehen, daß sich der Rechtsmittelwerber in seinem Schreiben vom 16.9.1994 auf ein von der Behörde mit ihm aus Anlaß des Vollstreckungsverfahrens am 5.9.1994 geführtes Telefonat bezogen hat (in dem ihm zugestanden wurde, binnen zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben; siehe den im Akt des Magistrates L zu Zl. unter ONr. XX erliegenden Aktenvermerk vom 5.9.1994). Erst aus Anlaß dieses Gespräches wurde ihm nachweislich bekannt (und offenbar auch tatsächlich erst aktuell bewußt), daß gegen ihn ein Vollstreckungsverfahren läuft, weil ihm auch die Vollstreckungsverfügung (d.i. Bescheid des Bürgermeisters der Stadt L vom 4.7.1994, Zl.) lediglich durch Hinterlegung zugestellt werden konnte, wobei der Berufungswerber diese Sendung wiederum nicht behoben hat. Damit ist aber augenfällig, daß der 5.9.1994 - die erste unmittelbare Kontaktnahme zwischen der Behörde und ihm - als jener Tag anzusehen ist, an dem der Beschwerdeführer frühestens Kenntnis von jenem Grund, den er zum Anlaß für die Stellung eines Wiedereinsetzungs- bzw. Wiederaufnahmeantrages genommen hat, erlangte.

Das spätestens am 19.9.1994 (im von der belangten Behörde vorgelegten Akt fehlt zwar das Kuvert, jedoch findet sich ein Stempel des Inhaltes "Magistrat L mit Post eingel. 20.9.1994", woraus - im Zweifel jedenfalls zugunsten des Berufungswerbers - zu schließen ist, daß das Schriftstück der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend zumindest am Tag zuvor aufgegeben wurde) zur Post gegebene Schreiben erweist sich somit als rechtzeitig i.S.d. § 69 Abs.2 AVG bzw. § 71 Abs.2 AVG; die belangte Behörde hätte daher den Wiedereinsetzungs- bzw. den Wiederaufnahmeantrag des Berufungswerbers nicht zurückweisen dürfen, sondern vielmehr jeweils eine Sachentscheidung zu treffen gehabt.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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