RS UVS Oberösterreich 1995/05/04 VwSen-221074/6/Ga/La

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Veröffentlicht am 04.05.1995
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Rechtssatz

Die für die Strafbemessung maßgeblichen Grundsätze regelt § 19 VStG. Danach obliegt es der - insoweit eine Ermessensentscheidung treffenden - Strafbehörde, die Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens (hier: gemäß § 31 Abs.2 ASchG Geldstrafe bis 50.000 S) an Hand der objektiven Kriterien des Unrechtsgehalts (§ 19 Abs.1 VStG) und der subjektiven Kriterien des Schuldgehalts (§ 19 Abs.2 VStG) zu bewerten und entsprechend dieser Bewertung die Strafe festzusetzen. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe (sinngemäß sind hiefür heranzuziehen: §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches) gegeneinander abzuwägen. Im ordentlichen Strafverfahren sind schließlich die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Vor diesem Hintergrund war die Berücksichtigung des von der belangten Behörde gegen den Berufungswerber am 14.10.1993 gefällten Straferkenntnisses als besonderer Erschwerungsgrund iSd § 33 Z2 StGB rechtswidrig. Es kommt nämlich, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, nicht darauf an, daß eine einschlägige Verurteilung im Zeitpunkt der Fällung eines (Folge-)Straferkenntnisses vorliegt, sondern daß die Vorstrafe bereits zum Zeitpunkt der Tat rechtskräftig ausgesprochen gewesen ist. Im Berufungsfall enthält der Schuldspruch für alle vier Fakten mit der Angabe des 9.8.1993 als Feststellungszeitpunkt nur eine einzige Zeitangabe. Selbst wenn unterstellt wird, daß dieser Feststellungszeitpunkt vorliegend als Tatzeitpunkt gelten kann, folgt daraus, daß das als Grundlage für den Erschwerungsgrund herangezogene Straferkenntnis vom 14.10.1993 zur Tatzeit des gegenständlichen Falles noch nicht einmal gefällt, geschweige denn rechtskräftig gewesen ist.

Haben aber die mit dem Straferkenntnis vom 14.10.1993 vorgeworfenen "gleichartigen Übertretungen" als Erschwerungsgründe wegzufallen, ist auch die mit diesen Vortaten von der belangten Behörde begründete vorsätzliche Begehungsweise der Übertretungen des vorliegend angefochtenen Straferkenntnisses nicht aufrechtzuerhalten. In der Konsequenz war daher, anders als nach der Darstellung in der Begründung dieses Straferkenntnisses, gerade nicht davon auszugehen, daß der Beschuldigte nur durch entsprechend hohe Strafen von der neuerlichen Begehung gleichartiger Verwaltungsübertretungen abgehalten werden könne.

Wie erwähnt, kann dem Schuldspruch als Tatzeit in diesem Fall

allenfalls nur der Zeitpunkt der Feststellung unterlegt werden. Die

Annahme eines Tatzeitraumes scheidet ersichtlich aus, weil

einerseits die Sachverhaltsannahme in der Mitvergangenheitsform

ausgedrückt ist ("... am 9.8.1993 ... wurde folgender Sachverhalt

festgestellt: 1. Es wurden ... keine ... zur Verfügung gestellt

..." usf.) und andererseits kein Tatzeitbeginn für Zeiträume vor dem 9.8.1993 angegeben ist.

Der unabhängige Verwaltungssenat stellt daher im Zweifel zugunsten des Berufungswerbers fest, daß als Tatzeit allein der 9.8.1993 vorliegt. Diese somit bloß eintägige Tatzeit bedeutet zugleich, daß den Taten aus diesem Blickwinkel nur ein insoweit reduzierter Unrechtsgehalt zugrundezulegen ist.

Das Vorbringen des Berufungswerbers, wonach die Fertigstellung des für das Jahr 1994 vorgesehenen Neubaues der Betriebsanlage durch widrige Umstände um einige Monate verzögert worden sei (seine Mutter sei zum Pflegefall geworden und schließlich im Mai 1994 verstorben; einer seiner Arbeitnehmer sei wegen des Wehrdienstes abwesend gewesen; dennoch sei der Rohbau zum Zeitpunkt der Berufungserhebung jedoch schon fertiggestellt und werden bis zum Jahresende 1994 die Anlagen für seine Arbeitnehmer zur Benützung bereitstehen) hält der unabhängige Verwaltungssenat für glaubwürdig. Die anderen Verfahrensparteien haben diesen Angaben nicht widersprochen, insbesondere hat die belangte Behörde im Zuge der Vorlage dieser Darstellung nichts entgegengesetzt. Der unabhängige Verwaltungssenat würdigt dieses Vorbringen als schuldmindernd. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist nicht zu leugnen, daß die tägliche, unmittelbare Konfrontation mit der schweren Erkrankung eines nahestehenden Menschen andere Verpflichtungen zumindest subjektiv-emotional in den Hintergrund treten läßt. Im Ergebnis ist der Strafbemessung auch eine geringere Tatschuld zugrundezulegen.

Zusammenfassend waren aus diesen Gründen die zu den Fakten 1., 3. und 4. verhängten Strafen deutlich herabzusetzen. Das nun festgesetzte Ausmaß von je 1.000 S hält der unabhängige Verwaltungssenat gleichermaßen für tat- und schuldangemessen und sollte darüber hinaus geeignet sein, dem Berufungswerber die Ernsthaftigkeit der Anliegen des Arbeitnehmerschutzes auch in den Angelegenheiten der betrieblichen Sanitärhygiene bzw. der Pausenplatzgestaltung in Erinnerung zu halten.

In Würdigung der herabgesetzten Geldstrafen waren jeweils auch - unter Bedachtnahme auf das Verhältnis zum Strafrahmen - die Ersatzfreiheitsstrafen angemessen herabzusetzen.

Dem Berufungswerber wird angelastet, es sei den Arbeitnehmern kein Umkleideraum zur Verfügung gestellt worden; dadurch sei § 86 Abs.2 AAV verletzt worden.

Die Gebotsnorm betreffend 'Umkleideraum' enthält jedoch nicht der Abs.2, sondern der Abs.4 des § 86 AAV. Dort ist die Anordnung, wonach in Betrieben Umkleideräume vorhanden sein müssen, allerdings unter der Voraussetzung festgelegt, daß dies nur für Betriebe gilt, in denen "regelmäßig mehr als zwölf Arbeitnehmer beschäftigt werden" oder für Betriebe, in denen dies im Hinblick auf Arbeitsstoffe oder Arbeitsbedingungen aus Gründen des Gesundheitsschutzes notwendig ist (vgl. auch § 14 Abs.5 ASchG). Weder das eine noch das andere wesentliche Tatbestandselement ist jedoch, wie die Einsicht in den Strafakt erweist, dem Berufungswerber rechtzeitig zum Vorwurf gemacht worden. Da sich aber eine die Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs.1 VStG ausschließende Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (vgl. Erk. 14.10.1994, 94/02/0287, zu einem hier vergleichbaren Fall der Übertretung des § 87 Abs.1 zweiter Satz AAV) auf alle die Tat betreffenden, wesentlichen Sachverhaltselemente beziehen muß, hätte der Berufungswerber nur dann wegen der gegenständlichen Verwaltungsübertretung bestraft werden dürfen, wenn auch entweder das eine oder das andere oben genannte Sachverhaltselement von einer innerhalb der Frist des § 31 Abs.2 VStG vorgenommenen Verfolgungshandlung umfaßt worden wäre, was jedoch nicht zutrifft. Das aber bedeutet, daß der Berufungswerber im Spruchpunkt 2. nicht mehr hätte bestraft werden dürfen, weil dieser Tatvorwurf zum Zeitpunkt der Fällung des angefochtenen Straferkenntnisses bereits verjährt gewesen ist. Wenngleich somit infolge des auf die Strafe eingeschränkten Rechtsmittels auch dieser Spruchpunkt bereits rechtskräftig geworden ist, ist er dessen ungeachtet rechtswidrig. Dies aber veranlaßt den unabhängigen Verwaltungssenat in diesem Spruchpunkt auf Grund der Berufung gemäß § 21 Abs.1 erster Satz VStG von einer Strafe abzusehen, weil zufolge der demgemäß besonderen Umstände vertretbar (dh. aus dem Blickwinkel eines "fairen Verfahrens" in billiger Weise (Art.6 Abs.1 MRK)) angenommen werden kann, daß das Verschulden des Beschuldigten nur geringfügig ist und die Folgen der Übertretung nur unbedeutend sind. Die gleichzeitige Erteilung einer Ermahnung ist nicht iSd § 21 Abs.1 zweiter Satz VStG erforderlich.

Den somit verbleibenden und, wie dargelegt, dem unabhängigen Verwaltungssenat schon rechtskräftig vorgelegenen, gleichwohl zum Nachteil des Beschuldigten das Gesetz offenkundig verletzenden Schuldspruch im Spruchpunkt 2. wird die belangte Behörde mit Hilfe der Möglichkeiten des § 52a VStG aus der Rechtsordnung beseitigen können.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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