RS UVS Oberösterreich 1995/05/11 VwSen-102734/5/Br

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Veröffentlicht am 11.05.1995
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Rechtssatz

Zutreffend führt die Erstbehörde rechtlich aus, daß bei einem Verkehrsunfall, bei dem Personen verletzt wurden, die im § 4 Abs.1 StVO 1960 (alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht) genannten Personen u.a. auch die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen haben. Zutreffend ist auch, daß nach Abs.1 lit.c und Abs.2 leg. cit. an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken ist und wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, die im Abs.1 genannten Personen Hilfe zu leisten haben; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geht zutreffend auch dahin, daß ein nicht offenbar unbegründeter Verdacht, daß eine andere Person verletzt worden sein könnte, genügt, um die Meldepflicht auszulösen (vgl ua VwGH vom 22.3.1991, 90/18/0266). Es kommt auch nicht auf den Grad der Verletzung an, auch nicht nennenswerte Verletzungen lösen die Verständigungspflicht nach § 4

Abs.2 aus (VwGH 27.4.1984, 83/02/0392 = ZfVB 1984/6/3415;

20.4.1988, 87/02/0118 = ZfVB 1989/1/152). Kommt bei einem Verkehrsunfall ein Radfahrer zu Sturz, muß mit Verletzungen gerechnet werden, auch wenn solche nicht äußerlich erkennbar sind (VwGH 25.11.1985, 85/02/0208 = ZfVB 1986/3/1349).

Dies besagt jedoch nicht, daß eine Verletzung einer Person (mit Ausnahme seiner selbst) als solche unter allen Umständen erkannt werden müßte. Hier war dies - möglicherweise auch wegen des "erschütterten Zustandes" nach einen derartigen Sturz - nicht der Fall. Es könnte demnach bei dieser Fallkonstellation ohnehin dahingestellt bleiben, ob es (auch) als Verschulden zu werten ist oder ob die Mitnahme des (wie sich zu Hause herausstellte) leicht verletzten Kleinkindes nach Hause der Hilfeleistungsverpflichtung nicht näher kommt, als mit dem Kleinkind auf der Unfallstelle zuzuwarten. Nachdem diese Verletzung nicht sogleich erkannt wurde, war mit der fernmündlichen Verständigung der Polizeidienststelle in dieser Situation der gesetzlichen Verpflichtung genüge getan worden. Auch im Verwaltungsstrafrecht ist nur ein schuldhaftes Verhalten strafbar (VwGH 13.5.1987, 85/18/0067). Würde davon ausgegangen, daß die Berufungswerberin sich objektiv nicht im Sinne der hier sehr stringenten Bestimmung der StVO verhalten hätte, so wäre im Rahmen der Verschuldensprüfung die Frage der Zumutbarkeit oder der Voraussetzungen nach § 6 VStG einer Klärung zuzuführen. Eine Tat ist nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbesand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Betreffend des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht ist es gesicherte Rechtsansicht (s E Slg. 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle sich anders verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Die Maßfigur muß angesichts dieser rechtsdogmatischen Prinzipien jede andere Mutter in die Lage der Berufungswerberin gedacht werden. Jedes andere Verhalten, als eines welches aus ihrer Sicht eine maximale Versorgung ihres zweijährigen Kindes erwarten läßt, ist daher nicht zu erwarten. Man würde daher jedes Ausmaß an die objektive Sorgfaltspflicht überspannen, würde man der Berufungswerberin zumuten wollen, daß sie nach dem Sturz mit ihrem Fahrrad an welchem außer ihr und ihrem Kind niemand beteiligt war, an der Unfallstelle zu verbleiben und das Eintreffen der Polizei - welche wohl nur von Dritten verständigt werden hätte können - vor Ort abzuwarten. Eine Entfernung von der Unfallstelle würde im Sinne des § 6 VStG in dieser Situation wohl auch gerechtfertigt erachtet werden können. Nur ein solches Verhalten, welches die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus (vgl. abermals VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Das Verlassen der Unfallstelle wäre wohl daher selbst bei Erkennen der Verletzung ihres Kindes ihr nicht als "Schuld" vorzuwerfen gewesen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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