TE Vwgh Erkenntnis 2001/6/20 99/06/0175

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Veröffentlicht am 20.06.2001
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 lita;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litc;
BauG Vlbg 1972 §4 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs8;
BauG Vlbg 1972 §9 Abs1;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde des A M in T, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 30. September 1999, Zl. I-5/3/Thü/99, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: 1. J B in T, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in D; 2. Gemeinde T, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und dem Erstmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren des Erstmitbeteiligten wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde T vom 10. Mai 1999 wurde dem Erstmitbeteiligten unter Spruchpunkt I. die beantragte Baubewilligung für die Errichtung einer Garage und einer Stützmauer auf dem näher bezeichneten Grundstück erteilt. Unter Spruchpunkt II: wurde die Einwendung des Beschwerdeführers betreffend die Beschaffenheit des Baugrundstückes als unbegründet abgewiesen und zum Abstand der Stützmauer zur Nachbargrundgrenze festgestellt, dass gemäß § 9 Vbg. Baugesetz Einfriedungen und sonstige Wände ohne Bauabstand errichtet werden könnten und der Begriff "sonstige Wände" auch Stützmauern umfasse.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Berufungskommission der Gemeinde T vom 30. Juli 1999 als unbegründet abgewiesen (es wurde der Spruch - weitgehend wie im erstinstanzlichen Bescheid - wiederholt, es wurde nunmehr die "Errichtung einer Garage sowie einer Stütz- und Einfriedungsmauer" bewilligt und wurden als angewendete gesetzliche Bestimmungen § 31 Abs. 3 iVm § 32 Vbg. BauG angeführt).

Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 30. September 1999 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dem Nachbarn kein über den durch § 30 Abs. 1 BauG begrenzten Rahmen hinausgehendes Recht zur Mitsprache zustehe. Insbesondere besitze der Nachbar keinen Rechtsanspruch darauf, dass das Bauvorhaben sämtlichen baurechtlichen Bestimmungen entspreche (es wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juni 1994, Zl. 94/06/0058, verwiesen). Die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes könne entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers daher nicht festgestellt werden, soweit er bemängle, dass die Planunterlagen zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Baubehörde nicht vollständig und der Rechtslage entsprechend vorgelegen seien. Reichten die von einem Bauwerber vorgelegten Planunterlagen aus, um dem Nachbarn jene Informationen zu vermitteln, die er zur Verfolgung seiner Rechte im Verwaltungsverfahren und vor dem Verwaltungsgerichtshof brauche, dann stehe ihm kein subjektiv-öffentliches Recht darauf zu, dass diese Unterlagen objektiv in jeder Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen genügten. Der Beschwerdeführer habe schon aus den bei der mündlichen Verhandlung am 9. April 1999 vorliegenden Plänen die zur Verfolgung seiner Rechte maßgeblichen Umstände erkennen können. Insbesondere sei es ihm daraus möglich gewesen, die Bauabstände des Vorhabens zu seiner Liegenschaft sowie die Situierung der Stützmauer und deren Lage zu ersehen. Die Nachreichung des Detailplanes vom 29. April 1999 habe auf die für den Beschwerdeführer in Betracht kommenden Nachbarrechte daher keinen Einfluss mehr gehabt. Auch mit der im Verfahren vor den Gemeindeinstanzen beantragten Einholung eines bodenmechanischen bzw. geologischen Sachbefundes könne der Beschwerdeführer kein dem Katalog der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte nach dem Baugesetz angehörendes Mitspracherecht aufzeigen. Wenn er meine, diese Gutachten hätten den Beweis erbracht, dass die Beschaffenheit des Untergrundes insgesamt für die geplante Bauführung ungeeignet sei, so sei er einerseits darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift nicht seinem Interesse, sondern in erster Linie dem Interesse des Bauwerbers diene, und zum anderen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Vorschriften über die erforderliche Eignung des Bauplatzes ebenso wenig ein Nachbarrecht begründeten, wie ein Rechtsanspruch auf Einholung von Sachverständigengutachten in diesem Zusammenhang bestehe. Die Verfahrensrechte des Nachbarn könnten nämlich nicht weiter reichen als seine materiellen Rechte, weil erstere stets nur der Durchsetzung eines im materiellen Recht geregelten Rechtsanspruches dienen könnten.

Gemäß § 30 Abs. 1 lit. a Baugesetz sei über Einwendungen der Nachbarn, die sich auf Rechte stützten, die durch § 4, soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen sei, begründet würden, in der Erledigung über den Bauantrag abzusprechen. Gemäß § 4 Abs. 1 Baugesetz müssten Baugrundstücke für Gebäude eine solche Lage, Form und Größe haben, dass auf ihnen den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechende Gebäude errichtet werden könnten. Sie dürften nicht durch Lawinen, Hochwasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen udgl. gefährdet sein. Eine Baubewilligung dürfe nur erteilt werden, wenn solche Gefahren durch entsprechende Auflagen oder Bedingungen abgewendet werden könnten. Aus der Formulierung dieser Bestimmung gehe hervor, dass sie - in Verbindung mit § 30 Abs. 1 lit. a leg. cit. - nur auf Gebäude Bezug nehme und daher nur in Bezug auf die Errichtung von Gebäuden anwendbar sei. Dem Gesetz könne nicht unterstellt werden, es habe mit dieser Bestimmung auch Bauwerke einbeziehen wollen, weil eine anders lautende Auslegung keinen Sinn ergebe. Eine solche Auslegung entspreche nicht nur nicht dem klaren Gesetzeswortlaut. Auch Feuerstein, Vorarlberger Baugesetz, S. 14, Anm. 6 zu § 2, vertrete die Auffassung der belangten Behörde. Dem Gesetzgeber sei also offenkundig bewusst gewesen, dass dieses subjektivöffentlichen Nachbarrecht eben nur für Gebäude gelte. Wenn schon der objektive Ausdruck im Gesetz deutlich sei, sei für die Auslegung der gesetzlichen Bestimmung allein dieser maßgeblich, unabhängig davon, ob der (subjektive) Wille des Gesetzgebers damit übereinstimme, davon abweiche oder überhaupt undeutlich sei.

Auch mit der Argumentation, dass die Stütz- bzw. Einfriedungsmauer nur deshalb habe errichtet werden müssen, weil der Erstmitbeteiligte die Errichtung einer Garage beabsichtigt habe, die zweifellos ein Gebäude im Sinne des Baugesetzes darstelle und die Stützmauer einen unselbstständigen Gebäudebestandteil der zu errichtenden Garage bilde, sei für den Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers nichts gewonnen. Aus dem Gesetz könne dazu nichts abgeleitet werden. Einer Stütz- bzw. Einfriedungsmauer komme eine durchaus eigenständige Funktion in dem Sinne zu, dass sie einen Schutz gegen Hangrutschungen auf das Grundstück des Erstmitbeteiligten bilden solle. Die Garage dagegen sei ein Gebäude, welches zum Unterstellen von Kraftfahrzeugen diene, und somit eine völlig andere Funktion habe als die Stützmauer. Aus den Planunterlagen sei ersichtlich, dass die Garage selbst so weit von der Grundstücksgrenze entfernt sei, dass schon durch diesen Abstand keinerlei Auswirkungen auf das Nachbargrundstück des Beschwerdeführers im Sinne des § 30 Abs. 1 lit. a BauG denkbar seien.

Für eine Anwendung der für Gebäude geltenden Abstandsbestimmungen bleibe deswegen kein Raum, weil die Stützmauer nicht als unselbstständiger Gebäudebestandteil bewertet werden könne. Es sei daher der 3 m-Abstand lediglich hinsichtlich der Garage einzuhalten. Der Argumentation, es hätte auch bei selbstständiger Qualifikation als Bauwerk der für Bauwerke geltende Abstand von 2 m eingehalten werden müssen, sei entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen habe, dass unter dem Begriff "sonstige Wände" im Sinne des § 6 Abs. 8 Baugesetz auch Stützmauern zu verstehen seien. In Bezug auf die Anwendbarkeit des § 6 Abs. 8 leg. cit. sei es bedeutungslos, ob es sich bei der projektierten Mauer um eine Einfriedungs- oder um eine Stützmauer handle. Entscheidend in diesem Zusammenhang sei allein, was aus der Zusammenschau des § 30 Abs. 1 lit. b und c in Verbindung mit § 6 Abs. 8 und 9 Baugesetz zu folgern sei, nämlich dass sowohl hinsichtlich einer Einfriedung als auch hinsichtlich der Errichtung einer Stützmauer an der Grundstücksgrenze dem Anrainer nur dann ein Mitspracherecht zustehe, wenn die Einfriedung bzw. Stützmauer das Nachbargrundstück im Bereich des anstoßenden Geländes um mehr als 1,80 m überrage. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Stützmauer projektgemäß in den Hang eingebaut werde und daher ein Überragen des Nachbargrundstückes an der Grundstücksgrenze nicht stattfinden könne. Aus diesem Grund sei daher auch kein Abstand zur Grundstücksgrenze des Beschwerdeführers einzuhalten bzw. gelte diesbezüglich der in § 6 Abs. 8 Baugesetz genannte Ausnahmetatbestand.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Vbg. Baugesetz, LGBl. Nr. 39/1972 (BauG), müssen Baugrundstücke für Gebäude eine solche Lage, Form und Größe haben, dass auf ihnen den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechende Gebäude errichtet werden können. Sie dürfen nicht durch Lawinen, Hochwasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen udgl. gefährdet sein. Eine Baubewilligung (§ 31) darf nur erteilt werden, wenn solche Gefahren durch entsprechende Auflagen oder Bedingungen abgewendet werden können.

Von der Nachbargrenze müssen oberirdische Gebäude gemäß § 6 Abs. 7 BauG mindestens 3 m entfernt sein. Gemäß § 6 Abs. 8 leg. cit. hat bei oberirdischen Bauwerken, ausgenommen Gebäude und Einfriedungen oder sonstige Wände bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück, der Abstand von der Nachbargrenze mindestens 2 m und bei unterirdischen Bauwerken mindestens 1 m zu betragen, falls nicht der Nachbar einem geringeren Abstand zustimmt und die im Abs. 9 genannten Interessen nicht beeinträchtigt werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 erster Satz leg. cit. dürfen Einfriedungen an der Grenze des Nachbargrundstückes dieses ohne Zustimmung des Nachbarn nicht um mehr als 1,80 m überragen.

Gemäß § 30 Abs. 1 BauG ist über Einwendungen der Nachbarn, die sich auf Rechte stützen, die durch folgende Vorschriften begründet werden, in der Erledigung über den Bauantrag abzusprechen:

a) § 4, soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist;

b) § 6, insoweit er den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm, betrifft;

c) § 9 Abs. 1 hinsichtlich von Einfriedungen an der Grenze eines Nachbargrundstückes.

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Mindestabstände im Sinne des § 6 Abs. 7 BauG nicht eingehalten würden. Zur Argumentation der belangten Behörde, dass es sich bei der an die Grundstücksgrenze heranreichenden Futtermauer um eine sonstige Wand im Sinne des § 6 Abs. 8 BauG handle, sei auf die im Bauakt erliegenden planlichen Unterlagen, die zumindest teilweise bereits Gegenstand der bislang einzigen Bauverhandlung am 9. April 1999 gewesen seien, zu verweisen. Aus der Ansicht von Nordwest Maßstab 1 : 100 ergebe sich nämlich, dass die als Futtermauer bezeichnete Wand einen wesentlichen und integrierenden Bestandteil der Garage darstelle und daher funktionell als Gebäudewand der Garage fungiere. Das Dach der Garage schließe direkt an diese Futtermauer an. Diese sei direkt in die Gebäudewand der Garage integriert und habe daher auch bautechnisch die Funktion einer Gebäudewand, für welche die Mindestabstandsflächen des § 6 Abs. 7 BauG einzuhalten seien und auf welche die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs. 8 leg. cit. nicht anzuwenden sei.

Dem Beschwerdeführer ist entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass unter dem Begriff "sonstige Wände" im Sinne des § 6 Abs. 8 BauG auch Stützmauern zu verstehen sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Mai 1992, Zl. 92/06/0081, und vom 14. April 1994, Zl. 94/06/0056). Er sieht sich auch im vorliegenden Fall nicht dazu veranlasst, von dieser Rechtsauffasung abzugehen. Auch der Ansicht, dass die vorliegende Stütz- bzw. Einfriedungsmauer einen unselbstständigen Bestandteil der Garage, nämlich eine Gebäudewand der Garage, darstelle, kann nicht gefolgt werden. Schon die vom Beschwerdeführer bezogene Ansicht Nordwest zeigt die Stütz- bzw. Einfriedungsmauer und die Garagenfront als zwei unterschiedliche Bauteile, auch wenn die Mauer unmittelbar an die Garage angrenzt. Insbesondere ergibt sich aber aus dem geänderten Ausführungsplan vom 29. April 1999, dass die Mauer an keiner Stelle Teil einer der Garagenwände, insbesondere der nordostseitigen, ist. Die Mauer endet danach in 0,3 m Breite an der Ecke des Garagengebäudes entlang der nordostseitigen Gebäudewand. Diese nordostseitige Ecke des Garagengebäudes selbst ist bereits 3m von der Grundgrenze des Grundstückes des Beschwerdeführers entfernt.

Darüber hinaus bringt der Beschwerdeführer vor, im Hinblick auf § 6 Abs. 8 BauG sei darauf zu verweisen, dass die Stützmauer seine Liegenschaft, bezogen auf das teilweise gleich verlaufende Niveau mit der Liegenschaft des Mitbeteiligen, um mehr als 1,80 m überrage und daher auch im Lichte des § 6 Abs. 8 leg. cit. die Mindestabstände von 2 m einzuhalten gewesen wären.

Diesbezüglich ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass es bei der Bemessung der Höhe einer Stütz- bzw. Einfriedungsmauer gemäß § 6 Abs. 8 und § 9 Abs. 1 BauG nicht auf das Niveau des Nachbargrundstückes an einer beliebigen Stelle ankommt, sondern darauf, dass das Nachbargrundstück an der Grenze um nicht mehr als 1,80 m von einer solchen Mauer überragt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 94/06/0056). Da das Gelände des Grundstückes des Beschwerdeführers an der Grundstücksgrenze in der Richtung des Baugrundstückes abfällt und die vorliegende Mauer nur bis zu der Höhe des natürlichen Geländeverlaufes des Grundstückes des Beschwerdeführers hochgezogen werden soll, das Grundstück des Beschwerdeführers an der Grundstücksgrenze somit durch diese Mauer nicht überragt wird, wird der Beschwerdeführer diesbezüglich in subjektiven Rechten nicht verletzt.

Der Beschwerdeführer rügt weiters, dass er in der Bauverhandlung die Einholung eines bodenmechanischen und eines geologischen Sachbefundes zum Beweis dafür beantragt habe, dass es bei Durchführung des Bauvorhabens zu Hangrutschungen auf seiner Liegenschaft kommen werde. Die Baubehörde habe diese Beweisanträge einfach übergangen und vertrete die Rechtsauffassung, § 4 Abs. 1 BauG sei auf seine Liegenschaft nicht anwendbar, weil es sich nicht um ein Baugrundstück handle. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass § 30 Abs. 1 lit. a leg. cit. dem Grundnachbar ein subjektiv-öffentliches Recht zuerkenne, wenn mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen sei. Mit den potenziellen Auswirkungen seien die im § 4 Abs. 1 BauG geregelten Auswirkungen gemeint. Die belangte Behörde verkenne jedoch den Bedeutungsgehalt des § 4 Abs. 1 BauG, wenn sie glaube, dass § 30 Abs. 1 lit. a leg. cit. mögliche Hangrutschungen im Bereich von Grundstücken legalisiere, da diese Bestimmung von ihrem systematischen Aufbau her den Schutz von Nachbargrundstücken bezwecke. Der Verweis auf § 4 BauG sei im § 30 Abs. 1 lit. a leg. cit. allgemein gehalten, da von der zuletzt zitierten Gesetzesbestimmung nicht der gesamte Regelungsinhalt des § 4 leg. cit. umfasst sei, weil z. B. § 4 Abs. 2 BauG im Zusammenhang mit § 30 Abs. 1 lit. a leg. cit. nicht vom Verweis umfasst sei.

§ 30 Abs. 1 lit. a leg. cit. wolle ungeachtet des Verweises auf

§ 4 leg. cit. negative Auswirkungen auf Nachbargrundstücke

vermeiden, wobei die Gesetzesbestimmung des § 30 Abs. 1 lit. a BauG nicht nach der Widmungsart des Nachbargrundstückes differenziere, sondern allgemein negative Auswirkungen verhindern wolle. Es bedeutete einen absurden Wertungswiderspruch, dem Gesetzgeber, der durch die Bestimmung des § 4 leg. cit. den Schutz von Grundstücken bezwecke, zu unterstellen, diesen Schutz in dem Fall zu versagen, wenn ein Grundstück anderer Widmungskategorie von negativen Auswirkungen betroffen sei. Wenn die belangte Behörde auf S. 5 ihrer Entscheidungsbegründung dartue, dass § 4 BauG nicht den Interessen des Grundnachbarn, sondern jenen des Bauführers diene, so werde an dieser Stelle deutlich, dass die belangte Behörde den Bedeutungsgehalt dieser Norm grundlegend verkenne, und sich daher eine Rechtsauffassung zu Eigen mache, die insgesamt den Verdacht einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung durch die belangte Behörde nahe lege. Die belangte Behörde unterstelle dem § 30 Abs. 1 lit. a BauG einen Sinngehalt, der sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht ergebe. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde wäre nur dann richtig, wenn diese Gesetzesbestimmung folgenden Wortlaut hätte: "... soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke mit Gebäuden zu rechnen ist;"

Die undifferenzierte Formulierung Nachbargrundstücke lasse diesen Schluss jedoch nicht zu, da nicht der gesamte Regelungsinhalt des § 4 BauG vom Verweis des § 30 Abs. 1 lit. a leg. cit. umfasst sei und diese Bestimmung daher nur hinsichtlich der Art der negativen Auswirkungen auf § 4 leg. cit. verweise, zumal sie die rechtlich gesicherte Zufahrt im Sinne des § 4 Abs. 2 leg. cit. nicht mit den Auswirkungen auf Nachbargrundstücke gleichsetze (es wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1978, Zl. 794/78, verwiesen).

Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer sowohl den Sinngehalt von § 4 Abs. 1 BauG als auch dessen Auslegung durch die belangte Behörde. § 4 Abs. 1 leg. cit. für sich gesehen umschreibt Anforderungen, denen ein Baugrundstück für Gebäude zu entsprechen hat. Erst i.V.m. § 30 Abs. 1 lit. a leg. cit. können subjektiv-öffentliche Rechte aus dieser Norm abgeleitet werden. Aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 BauG geht hervor, dass nur auf die Errichtung von Gebäuden abgestellt wird (vgl. dazu auch Feuerstein, Vorarlberger Baugesetz, S. 14, Anm.6 zu § 2, der darauf hinweist, dass sich mehrere "Vorschriften des Baugesetzes .... überhaupt nur auf Gebäude (z.B. §§ 4, 5, 11, 28 und 29)" bezögen). Daraus ist abzuleiten, dass der Nachbar im Hinblick auf eine solche Bestimmung nur dann dazu berechtigt ist, Einwendungen gemäß § 30 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 1 BauG zu erheben, wenn ein Gebäude errichtet werden soll und mit Auswirkungen auf ein Nachbargrundstück - etwa durch Hangrutschungen - zu rechnen ist. Es kommt dabei nicht darauf an - wie der Beschwerdeführer offenbar meint -, dass sich auf dem Nachbargrundstück ein Gebäude befindet bzw. wie dieses Nachbargrundstück gewidmet ist. Der Beschwerdeführer macht die befürchteten Hangrutschungen aber ausschließlich in Verbindung mit der Errichtung der verfahrensgegenständlichen Mauer geltend. Im Hinblick auf deren Errichtung kam ihm aber kein subjektiv-öffentliches Recht gemäß § 30 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 1 BauG - wie dies die Behörden zutreffend vertreten haben - zu, da eine Stütz- bzw. Einfriedungsmauer kein Gebäude i.S. des BauG darstellt (vgl. § 2 lit. g BauG). Da die prozessualen Rechte einer Partei nur der Durchsetzung ihrer materiellen Rechte dienen und daher nicht weiter gehen können als diese (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1990, Zl. 90/05/0070, u.a.), konnte die Nichteinholung des vom Beschwerdeführer beantragten bodenmechanischen und geologischen Sachbefundes zum Beweis dafür, dass es bei Durchführung des Bauvorhabens zu Hangrutschungen kommen werde, den Beschwerdeführer in keinen Rechten verletzen. Abgesehen davon verwies die Berufungsbehörde darauf, dass die Tragfähigkeit des Untergrundes für das vorliegende Bauvorhaben bereits bei der Berechnung der Fundamente vom Statiker berücksichtigt worden sei. Weiters wurde eigens eine Auflage vorgeschrieben, dass die statische Berechnung von einem Zivilingenieur für Bauwesen ausführen zu lassen ist, nach dessen Berechnungen und Plänen die Ausführung zu erfolgen hat. Nach Fertigstellung der Bauarbeiten ist von diesem Zivilingenieur weiters eine Bescheinigung vorzulegen, dass die Ausführung den statischen Erfordernissen, insbesondere über die Ausführung der Stützmauer zur Vermeidung von Hangrutschungen entspricht.

Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, dass die eingereichten Baupläne, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen seien, die Errichtung einer Stützmauer nicht direkt an der Grenze vorgesehen hätten. Gegenstand der am 9. April 1999 abgehaltenen Bauverhandlung seien lediglich der Grundrissplan im Maßstab 1 : 100, der Übersichtsplan im Maßstab 1 : 1000, der Lageplan im Maßstab 1 : 500, der Schnitt im Maßstab 1 : 100 und die drei Ansichten, Südwest, Nordwest und Südost, jeweils im Maßstab 1 : 100, gewesen. Abweichend von dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Grundrissplan habe der erstinstanzliche Baubescheid ein Bauvorhaben bewilligt, das nie Gegenstand eines Bauverfahrens bzw. einer mündlichen Bauverhandlung gewesen sei. Es hätte daher dem Bauplan vom 29. April 1999 keine Baubewilligung ohne Auflegung dieses Planes und ohne Durchführung einer mündlichen Bauverhandlung erteilt werden dürfen. Die gegenteilige Vorgangsweise der Baubehörde verletze den Beschwerdeführer in seinen Verfahrensrechten. Der Inhalt des Bauplanes sei ihm bislang nicht bekannt. Er habe daher in Anwendung des § 30 BauG auf Grund dieser Vorgangsweise keine nachbarrechtlichen Einwendungen erheben können.

Es ist zutreffend, dass im vorliegenden Bauverfahren im Hinblick auf die geplante Mauer nach der Bauverhandlung ein geänderter Ausführungsplan (betreffend Grundriss) vorgelegt wurde, auf den gemäß der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides letztlich bei der Erteilung der Bewilligung abgestellt wurde. Im ursprünglichen Grundrissplan verlief die Stütz- bzw. Einfriedungsmauer in einer Länge von ca. 12 m entlang der Grenze zum Grundstück des Beschwerdeführers in einem Abstand von 3 m bis zu 0,5 m zu der Grundstücksgrenze. Der bewilligte, geänderte Ausführungsplan (Grundriss) sieht auf eine Länge von ca. 5,50 m die Errichtung der Stützmauer direkt an der Grundstücksgrenze vor, in einer weiteren Länge von ca. 6 m verläuft diese Mauer im Abstand von 0 bis 3 m von dieser Grundgrenze. Der bewilligte Ausführungsplan war zwar nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist für die Errichtung einer Stütz- bzw. Einfriedungsmauer eine mündliche Verhandlung nicht zwingend vorgesehen, aber gemäß § 29 Abs. 1 erster Satz BauG. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob § 82 Abs. 7 AVG dieser Bestimmung allenfalls derogiert hat. Aus dieser Bestimmung kann nicht abgeleitet werden, dass nach Vorlage dieses Ausführungsplanes eine neuerliche mündliche Verhandlung hätte stattfinden müssen. Diese Änderung hätte dem Beschwerdeführer aber zur Kenntnis gebracht werden müssen, um dazu Stellung nehmen zu können. Diese allfällige Verletzung des Beschwerdeführers im Parteiengehör stellt aber keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar (vgl. das hg. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1991, Zl. 87/05/0196, u.v.a.), weil aus der Sicht der möglicherweise berührten Nachbarrechte des Beschwerdeführers durch die Änderung der geplanten Mauer keine solche war, die andere als die bereits geltend gemachten Nachbarrechte betroffen hätte. Abgesehen davon ist dem Beschwerdeführer der geänderte Verlauf der verfahrensgegenständlichen Mauer durch den erstinstanzlichen Bescheid zur Kenntnis gekommen, sodass er nach Einsicht in den geänderten Ausführungsplan in der Berufung dazu hätte Stellung nehmen können.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren des Mitbeteiligten im Hinblick auf die Stempelgebühren war abzuweisen, weil die Gegenschrift gemäß § 36 Abs. 4 i. V. m. § 48 Abs. 3 Z. 1 VwGG und gemäß dem erteilten Auftrag nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen war.

Wien, am 20. Juni 2001

Schlagworte

Baurecht Nachbar Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Belichtung Belüftung BauRallg5/1/3 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999060175.X00

Im RIS seit

28.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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