RS UVS Oberösterreich 1995/05/22 VwSen-280071/6/Ga/La

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Veröffentlicht am 22.05.1995
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Rechtssatz

Verfehlt ist der Einwand der Berufungswerberin, daß sie als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Gesellschaft für die gegenständliche Übertretung schon deswegen nicht belangt werden könne, weil für die Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften "primär der gewerberechtliche Geschäftsführer und nicht der handelsrechtliche Geschäftsführer" verantwortlich sei. Entgegen dieser Auffassung zählen Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes keineswegs zu jenem rein gewerblichen Rechtskreis, für den gemäß § 370 Abs.2 GewO 1973 die Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers festgelegt ist (vgl. zB VwGH 27.5.1993, 93/18/0054).

Die Berufungswerberin wendet aber auch Verfolgungsverjährung ein und ist damit im Ergebnis im Recht.

In Entsprechung der Anfang Februar 1993 erfolgten Anzeige des Arbeitsinspektorats an die Bezirkshauptmannschaft E, wonach in näher dargestellter Weise in der Zeit vom 11. bis zum 22.1.1993 hinsichtlich einer bestimmten Arbeitnehmerin gegen die Regelung der Normalarbeitszeit zuwidergehandelt worden sei, hat diese Behörde mit Strafverfügung vom 17.3.1993 die erste Verfolgungshandlung gesetzt. Dabei wurde der nunmehrigen Berufungswerberin als Tat angelastet, sie habe die Arbeitszeit so festgelegt, daß für die bezeichnete Arbeitnehmerin in der Niederlassung E eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 1/4 Stunden anfalle. In der Folge wurde das ordentliche Verfahren mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22.4.1993 eingeleitet (derselbe Tatvorwurf, jedoch mit erweitertem Tatzeitraum). Eine weitere Aufforderung zur Rechtfertigung vom 6.7.1993 konfrontierte die Berufungswerberin neuerlich mit diesem Tatsachverhalt, allerdings mit einer Korrektur des Rechtsgrundes für ihre Verantwortlichkeit. Andere Verfolgungshandlungen innerhalb der Verjährungsfrist sind nicht mehr ergangen.

Das diesen Verfahrensgang abschließende Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft E vom 15.12.1994 hat der unabhängige Verwaltungssenat nach Berufung durch die Beschuldigte mit Erkenntnis vom 7.2.1995, VwSen-280023/2/Ga/La, wegen örtlicher Unzuständigkeit dieser Behörde aufgehoben, ohne aber zugleich die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen.

Daraufhin hat die belangte Behörde (nach der an sie im Grunde des § 27 Abs.1 VStG erfolgten Abtretung des Verfahrens) als die in diesem Fall wegen der Lage des Sitzes der Arbeitgeberin örtlich zuständige Strafbehörde das vorliegend angefochtene Straferkenntnis erlassen,

u. zw. ohne weitere (im Akt dokumentierte) Ermittlungsschritte und offenkundig auch ohne erkennbare Bedachtnahme auf den Inhalt der zugrundeliegenden AI-Anzeige vom 10.2.1993.

Sie hat jedoch - abweichend von den Verfolgungshandlungen - den Schuldspruch in einem wesentlichen Sachverhaltselement so formuliert, daß der Berufungswerberin nunmehr vorgeworfen wird, sie habe am angegebenen Ort und zur angegebenen Tatzeit (die zweite und dritte Kalenderwoche 1993) die nämliche Arbeitnehmerin "mit jeweils 42 Stunden und 15 Minuten über die höchstzulässige Wochenarbeitszeit von 40 Stunden hinaus beschäftigt". Dieser Schuldspruch ist rechtswidrig, weil zum ersten Mal im gesamten bisherigen Strafverfahren auf die Überschreitung der 'höchstzulässigen Wochenarbeitszeit' abgestellt wird. Damit aber ist, wie die Berufungswerberin zutreffend vorbringt, ein bisher nicht iSd § 32 Abs.2 VStG verfolgter, wesentlicher Sachverhalt zum Tatvorwurf erhoben worden, sodaß diesbezüglich die längst eingetretene Verjährung festzustellen ist.

Davon abgesehen hat schon nach der für die Tatzeit maßgeblichen Rechtslage VOR der mit 1.7.1994 in Kraft getretenen Arbeitszeitgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 446/1994, die Höchstgrenze der Wochenarbeitszeit gemäß § 9 iVm § 3 Abs.1 AZG nicht 40, sondern 50 Stunden betragen, sodaß auch aus diesem Blickwinkel die Tat des Schuldspruchs nicht strafbar ist.

Unbeschadet dieser zur Aufhebung und Einstellung führenden Gründe hätte aber die belangte Behörde die zit. Arbeitszeitgesetz-Novelle im Grunde des § 1 Abs.2 VStG zu beachten gehabt, weil die zwar nach der Tat, jedoch noch vor Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses in Kraft getretene Änderung des AZG für die Strafbarkeit der Tat im Sinne des in dieser Bestimmung niedergelegten Günstigkeitsprinzips von Belang ist. Danach stellt § 3 Abs.1 AZG nunmehr ausdrücklich auch auf "wöchentliche Normalarbeitszeit" ab und bestimmt der gleichfalls geänderte § 9 AZG in seinem (neuen) Abs.1 ausdrücklich, daß die Wochenarbeitszeit 50 Stunden - als Höchstgrenze - im Regelfall nicht überschreiten darf. Die genannte Novelle hat aber auch die Strafbestimmungen des AZG einer völligen Neuordnung unterzogen. Aus dem nunmehrigen Strafkatalog ist für Fallkonstellationen wie vorliegend abzuleiten, daß eine Überschreitung der wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden nicht mehr strafbar ist. Hingegen enthält § 28 Abs.1 Z1 (neu) AZG einen eigenen Straftatbestand für die Überschreitung (nur) der Höchstgrenzen der wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 9 AZG. Zwar stellt der Wortlaut des angefochtenen Schuldspruchs nun ausdrücklich auf die 'höchstzulässige Wochenarbeitszeit' ab, gibt jedoch hiefür (so wie die oben aufgezählten Verfolgungshandlungen, die jedoch alle noch von der wöchentlichen Normalarbeitszeit ausgehen) das Ausmaß von "40 Stunden" an. Dieser Umstand sowie die Benennung der als verletzt angegebenen Rechtsvorschriften (nämlich: "§ 3 Abs.1 AZG iVm § 28 Abs.1 AZG") und auch der Strafnorm (nämlich: "§ 28 Abs.1 AZG") deuten insgesamt darauf hin, daß die belangte Behörde die seit 1. Juli 1994 geänderte Rechtslage verkannt hat.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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