RS UVS Oberösterreich 1995/06/09 VwSen-230306/3/Wei/Bk

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 09.06.1995
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VwSen-221228 v. 23.5.1995 Rechtssatz

Gemäß § 2 Abs.3 lit.c O.ö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 10 Abs.1 lit.b O.ö. PolStG mit Geldstrafe bis S 200.000,-- und im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer in Gebäuden mit mehr als einer Wohnung oder in Gebäuden, in denen ein Gastgewerbe oder die Privatzimmervermietung ausgeübt wird, eine Wohnung, Teile einer Wohnung oder sonstige Räumlichkeiten oder wer einen Wohnwagen oder andere Bauten auf Rädern oder Wasserfahrzeuge und dgl. für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution nutzt oder zur Verfügung stellt oder als Verfügungsberechtigter diese Verwendung gestattet oder duldet.

Gemäß § 5 Abs.1 Satz 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn die Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Dies ist im O.ö. PolStG nicht der Fall. Der erkennende Verwaltungssenat geht daher mit der belangten Strafbehörde davon aus, daß zur Begehung des § 2 Abs.3 lit.c O.ö. PolStG grundsätzlich Fahrlässigkeit genügt. Demnach hätte der Bw als Geschäftsführer der K Ges.m.b.H. alle notwendigen Vorkehrungen treffen müssen, um die Anbahnung oder Ausübung der Prostitution in der "F-Bar" zu verhindern. Dazu hätte auch die regelmäßige Kontrolle gehört. Außerdem war auch die Ausstattung der Separees mit Dreiercouch und Rollos entgegen der Auflage 39 der Veranstaltungsbewilligung geeignet, die Ausübung der Prostitution zu begünstigen. Der Bw hätte dem Problem daher besondere Aufmerksamkeit widmen müssen. Seine Einlassung, daß eine Kontrollnotwendigkeit nicht bestanden hätte, ist schlechthin verfehlt. In der Sache hat der Bw zu seiner Entlastung keine zielführenden Argumente vorgebracht. Die Tatsache der Anbahnung und Ausübung der Prostitution an den genannten Tagen ist unbestritten. Der unabhängige Verwaltungssenat hat den Spruch bei Wahrung der Identität der Taten neu formuliert, um die begangenen Verwaltungsübertretungen näher zu spezifizieren und um den Umstand besser auszudrücken, daß der Bw die angelasteten Taten als nach außen zur Vertretung berufenes Organ gemäß § 9 Abs.1 VStG und nicht als unmittelbarer Täter zu verantworten hat. Der zusätzliche Vorwurf, der Bw habe selbst als Verfügungsberechtigter die Verwendung zur Prostitution geduldet, hatte schon deshalb zu entfallen, weil er seiner Verantwortlichkeit gemäß § 9 Abs.1 VStG widerspricht. Außerdem ist die erkennende Kammer der Ansicht, daß dem Begriff der Duldung eines Verhaltens der zumindest bedingte Vorsatz immanent wäre, den die belangte Strafbehörde aber in Wahrheit nicht angenommen hat.

Gemäß § 16 Abs.1 Z2 O.ö. Veranstaltungsgesetz 1992 idF LGBl Nr. 75/1992 begeht ua eine Verwaltungsübertretung, die nach § 16 Abs.2 leg.cit. mit Geldstrafe bis S 100.000,-- oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen ist, wer den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen oder Bescheiden zuwiderhandelt ... Mit Bescheid der o.ö. Landesregierung vom 24. August 1993, Zahl Pol-XX, wurde dem Bw unter Vorschreibungen die Bewilligung erteilt, in der Zeit vom 25.8.1993 bis 24.8.1994 im Standort L, H-straße, Lokal "F-Bar", erwerbsmäßig varieteartige Darbietungen durchzuführen. Die gegenständlich relevanten Nebenbestimmungen lauten:

39. Die beiden Separeeräume dürfen nur mit Tischen und Sesseln ausgestattet werden. Außerdem dürfen weder Türen bzw. Vorhänge bei den Zugängen vorhanden sein.

40. In den beiden Separeeräumen ist für eine Mindestbeleuchtungsstärke zu sorgen.

46. Den Organen der BPD L ist unverzüglich Zutritt zu allen Räumlichkeiten der Betriebsstätte zu gewähren; im Zusammenhang mit den Veranstaltungen sind ihnen auch alle diesbezüglichen Auskünfte zu erteilen.

47. Dem zuständigen Wachzimmer der BPD L sind die jeweils engagierten Darbieter (Künstler) zur Kenntnis zu bringen. Die Auflagen 39 und 40 können sich auf § 3 Abs.1 Z2 lit.c O.ö. Veranstaltungsgesetz 1992 stützen, der Auflagen hinsichtlich der Eignung der Betriebsstätte vorsieht. Die Rechtsgrundlage des § 3 Abs.1 Z2 lit.d leg.cit., wonach die Durchführung der Veranstaltung im überwiegenden Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auch sonstigen Bedingungen oder Auflagen unterworfen werden kann, ist für die Auflagen 46 und 47 zumindest zweifelhaft, weil diese Auflagen inhaltlich nicht die Durchführung der Veranstaltung betreffen, sondern offenbar der besseren Überwachung von Veranstaltungen durch Polizeiorgane dienen sollen. Diesbezüglich hat der Gesetzgeber in den §§ 11 und 15 O.ö. Veranstaltungsgesetz 1992 ohnehin Sonderregelungen getroffen, die auch die Anwendung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorsehen. Die Auflagen erscheinen vor allem auch deshalb bedenklich, weil sie in Verbindung mit der Strafnorm des § 16 Abs.1 Z2 O.ö. Veranstaltungsgesetz 1992 idF LGBl. Nr.75/1992 im Ergebnis einen verfassungsrechtlich verpönten, strafbewehrten Zwang zur Mitwirkung an der eigenen Strafverfolgung bewirken, was dem materiellen Verständnis des Anklageprinzips nach Art.90 Abs.2 B-VG im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl VfSlg 9950/1984) und dem Gebot des fair trial nach Art 6 EMRK widerspricht.

Bestimmtheits- und Konkretisierungsanforderungen:

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, daß eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den Erk verstärkter Senate VwSlg 11466 A/1984 und VwSlg 11894 A/1985). Im Bescheidspruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine konkrete Umschreibung lediglich in der Begründung reicht nicht aus (vgl näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4.A 1990, 939f). Diese Anforderungen gelten in gleicher Weise für bescheidförmige Auflagen, Aufträge oder Anordnungen, deren Gebote oder Verbote zum Gegenstand eines Straftatbestandes gehören. Ihr Inhalt bildet nämlich einen Teil der verweisenden Strafnorm. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher wiederholt ausgesprochen, daß es für die Zuordnung des Tatverhaltens der ausdrücklichen bescheidmäßigen Bezeichnung und der wörtlichen Anführung solcher Auflagen bedarf, die einen Teil der Strafnorm bilden (vgl etwa VwGH 20.9.1994, 94/04/0041; VwGH 29.3.1994, 93/04/0255; VwGH 19.6.1990, 89/04/0249; ferner VwGH 22.12.1987, 87/07/0135). Im Hinblick auf das strenge strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip (nullum crimen sine lege) müssen Auflagen, die einen Blankettstraftatbestand inhaltlich ausfüllen, so klar gefaßt sein, daß sie dem Verpflichteten zweifelsfrei die Grenzen des erlaubten Verhaltens und damit den Unrechtsgehalt der Zuwiderhandlung erkennen lassen (vgl bereits VwSlg 9979 A/1979; VwGH 27.3.1990, 89/04/0119; VwGH 25.2.1993, 92/04/0164).

Die dargestellten Anforderungen werden von den gegenständlichen Auflagen im Veranstaltungsbescheid und/oder von der strafbehördlich vorgenommenen Tatanlastung verfehlt.

Die im Straferkenntnis vorgeworfene Zuwiderhandlung gegen die Auflage 39 hat zwar den inkriminierten Sachverhalt, nicht aber den Inhalt der Auflage angeführt, wonach beide Separeeräume nur mit Tischen und Sesseln ausgestattet werden und bei den Zugängen weder Türen bzw. Vorhänge vorhanden sein dürfen. Dies wäre aber für die spruchmäßige Darstellung des strafbaren Verhaltens erforderlich gewesen. Die bloße Anführung der tatsächlichen Umstände ist ebenso unzureichend wie die bloße Wiedergabe der Rechtsvorschriften. Der subsumtionsrelevante Sachverhalt muß in Verbindung mit dem strafbewehrten Gebot oder Verbot dargestellt werden. Außerdem ist auch ein undurchsichtiges Rollo weder ein Vorhang noch eine Tür und kann daher nicht unter die Auflage 39 subsumiert werden. Der belangten Strafbehörde ist zwar zuzugeben, daß die Veranstaltungsbehörde mit dieser Auflage vermutlich gewährleisten wollte, daß die Separees nur der verbalen Unterhaltung dienen und einsehbar sind. Dieses Motiv vermag aber nichts am äußersten Wortsinn der verwendeten Begriffe "Türe" und "Vorhang" zu ändern, der nicht im Wege der Analogie überschritten werden darf. Eine Ausdehnung des Verbots auf funktionsähnliche Rollos widerspräche dem auch im Verwaltungsstrafrecht geltenden Grundsatz nullum crimen sine lege und damit dem Analogieverbot (vgl dazu mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4.A 1990, 690 Anm 4 zu § 1 VStG).

Zur Auflage 40 vermißt die Strafbehörde eine Vorrichtung, die eine Mindestbeleuchtung gewährleistet hätte. Diese Anlastung bedeutet eine eigenständige Weiterentwicklung dieser Auflage, wonach nur für eine Mindestbeleuchtung zu sorgen ist. Das Wie und das Ausmaß dieser Mindestbeleuchtung wird in Wahrheit nicht vorgeschrieben. Damit ist diese Auflage aber völlig unzureichend determiniert geblieben und kann als Grundlage für eine Strafnorm nicht in Betracht kommen. Die Abänderung oder ergänzende Konkretisierung einer unzureichenden rechtskräftigen Auflage im Wege eines Verwaltungsstrafverfahrens durch eine normsetzende strafbehördliche Tatanlastung ist unzulässig (idS zuletzt UVSOÖ v 23.5.1995, VwSen-221228). Sie widerspräche ebenfalls dem Grundsatz nullum crimen sine lege.

Im angelasteten Verstoß gegen die Auflage 46 kommt zwar deren Wortlaut, nicht aber jener subsumtionsrelevante Sachverhalt zum Ausdruck, durch den der Auflagenverstoß nach Ansicht der Strafbehörde als erfüllt anzusehen ist. Damit ist aber die Umschreibung des Auflagenverstoßes im angefochtenen Straferkenntnis unzureichend geblieben und mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Die belangte Behörde hat damit entgegen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine den Konkretisierungsanforderungen des § 44a Z1 VStG entsprechende Tatanlastung unterlassen, die eine eindeutige Zuordnung zu den wesentlichen Tatbestandsmerkmalen ermöglicht und die Identität der Tat unverwechselbar festgestellt hätte.

Zum angelasteten Verstoß gegen die Auflage 47 ist - abgesehen von den bereits geäußerten Bedenken - abermals zu bemängeln, daß diese Auflage schon mangels hinreichender Bestimmtheit als Grundlage einer Strafnorm nicht in Betracht kommt. Sie läßt für die Meldepflicht keinen bestimmten zeitlichen Rahmen erkennen:

Es bleibt offen, ob die Darbieter vor oder nach einer Veranstaltung und im Falle von fortgesetzten Veranstaltungen nur einmal oder wiederholt zu melden sind. Nach der gewählten Formulierung könnten die Darbieter im Zweifel auch heute noch zur Kenntnis gebracht werden. Außerdem ist der Ort der Meldung durch Hinweis auf das zuständige Wachzimmer nicht hinreichend klargestellt. In rechtlicher Hinsicht kann es nicht um die Zuständigkeit eines Wachzimmers, sondern nur um die der Bundespolizeidirektion L als Behörde gehen. Welche Organisationseinheit der Behörde zuständig ist, bestimmt sich nach internen Vorschriften, die dem Bw nicht bekannt sein müssen und sich außerdem jederzeit ändern können. Nicht einmal im Straferkenntnis wurde das zuständige Wachzimmer angeführt. Auf die ungleich präzisere Meldung an das örtlich nächstgelegene Wachzimmer, das aber nicht auch das zuständige sein muß, stellt die von der Veranstaltungsbehörde vorgeschriebene Auflage nicht ab.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß sämtliche angelasteten Zuwiderhandlungen gegen Auflagen der Veranstaltungsbewilligung der o. ö. Landesregierung vom 24.8.1993 mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet sind. Da keine tauglichen Tatvorwürfe iSd § 32 Abs.2 VStG innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs.2 VStG erhoben wurden, ist mittlerweile auch Verjährung eingetreten. Das Straferkenntnis war daher im Spruchpunkt 2) aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 und Z3 VStG einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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