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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §6;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/08/0292Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerden der Tiroler Gebietskrankenkasse in Innsbruck, vertreten durch Dr. Christian Kurz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 13, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Tirol vom 9. September 1996, I. Zl. Vd-4381/3/Ob (hg. protokolliert zu 96/08/0291) und II. Zl. Vd-4382/3/Ob (hg. protokolliert zu 96/08/0292), jeweils betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Parteien: zu I. P AG (vormals: M GmbH) und zu II. P GmbH, beide in Reutte und beide vertreten durch Schönherr Barfuss Torggler & Partner, Rechtsanwälte in 1014 Wien, Tuchlauben 13), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheiden der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse (in der Folge Beschwerdeführerin genannt) vom 8. Februar 1996 wurden die mitbeteiligten Parteien jeweils als Dienstgeber verpflichtet, S 436.222,75 (zu I.) bzw. S 111.259,15 (zu II.) zu bezahlen. Begründend führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, dass eine Beitragsprüfung bei den mitbeteiligten Parteien ergeben habe, dass Angestellte zwölf Mal jährlich in gleicher Höhe leistungsungebundene Treueprämien erhalten hätten. Der Kollektivvertrag für Angestellte der Industrie sehe die Zahlung einer Weihnachtsremuneration und eines Urlaubszuschusses in der Höhe von jeweils einem Monatsgehalt vor. Da die Überstundenarbeit eine Fortsetzung der Normalarbeit sei, habe der Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruch auf Zahlung jenes Entgeltes, das ihm für die während der normalen Arbeitszeit erbrachte und während der Überstundenarbeit fortgesetzte Arbeitsleistung gebühre. Demnach seien die Treueprämien der Berechnung der Überstundenentgelte und des 13. und 14. Monatsgehaltes neben dem sonst vereinbarten Entgelt zugrundezulegen.
In den gegen diese Bescheide erhobenen Einsprüchen wendeten die mitbeteiligten Parteien ein, dass die Treuezulagen zusätzlich zum normalen Gehalt freiwillig zwölf Mal im Jahr ausbezahlt würden. Diese Zulagen seien nicht in die Berechnungsgrundlage für das 13. und 14. Monatsgehalt einzubeziehen, weil dort lediglich die taxativ im Kollektivvertrag aufgezählten Zuschläge und Zulagen zu berücksichtigen seien. Überstundenentlohnungen seien ausdrücklich nicht einzubeziehen. Die Treuezulage werde nur Dienstnehmern gewährt, die mindestens fünf Jahre im Betrieb beschäftigt und vor dem 1. März 1993 eingetreten seien. Die Zulage könne daher "nicht Gehaltsbestandteil" sein.
Mit den angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde den Einsprüchen Folge gegeben und die Bescheide der Beschwerdeführerin ersatzlos aufgehoben. In den nahezu gleich lautenden Begründungen wurde nach kurzer Wiedergabe des Inhaltes der erstinstanzlichen Bescheide sowie des Vorbringens der Parteien im Einspruchsverfahren ausgeführt, auf die Dienstnehmer beider Betriebe fänden die Kollektivverträge für Arbeiter in der Eisen und Metall verarbeitenden Industrie bzw. der Kollektivvertrag für Angestellte der Industrie sowie die Zusatzkollektivverträge für Angestellte in der Metallindustrie Anwendung. Bei der Berechnung der Sonderzahlungen bzw. der Überstundenentgelte seien der Höhe nach gleich bleibende monatliche Treueprämien für Angestellte außer Ansatz geblieben. Diese Treueprämien würden den Mitarbeitern freiwillig nach Dienstjahren gestaffelt zum Gehalt zwölf Mal jährlich ausbezahlt. Die seit 1985 der Höhe nach unveränderte Zulage würde nur Dienstnehmern gewährt, die bereits fünf Jahre im Betrieb beschäftigt und vor dem 1. März 1993 eingetreten seien. Nach § 11 Abs. 1 des Rahmenkollektivvertrages für Angestellte der Industrie sei allen Angestellten spätestens am 30. November eines jeden Kalenderjahres eine Weihnachtsremuneration in der Höhe des Novembergehaltes auszubezahlen. Überstundenentlohnungen seien hiebei nicht einzubeziehen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung erhielten Provisionsbezieher, die außer der Provision ein Monatsgehalt (Fixum) beziehen, als Weihnachtsremuneration einen Betrag in der Höhe des Novembergehaltes (Fixums). In jenen Fällen, in denen kein oder ein geringeres Monatsgehalt (Fixum) als das jeweilige Mindestgrundgehalt vereinbart sei, gebühre als Weihnachtsremuneration ein Betrag in Höhe des jeweiligen November-Mindestgrundgehaltes. In diesem Fall seien im Kalenderjahr fällige Provisionen bzw. Provisionsakontierungen auf die Weihnachtsremuneration bzw. die Differenz zwischen Monatsgehalt (Fixum) und Weihnachtsremuneration anrechenbar. Nach § 12 Abs. 1 des Rahmenkollektivvertrages gebühre neben dem 13. Monatsgehalt (Weihnachtsremuneration) allen Angestellten einmal im Kalenderjahr ein 14. Monatsgehalt. Für Provisionsbezieher gelte das soeben für die Weihnachtsremuneration Gesagte. Nach § 12 b (Berechnung des 13. und 14. Monatsgehaltes) seien in die Berechnungsgrundlage des
13. und 14. Monatsgehaltes - soweit in den Fachkollektivverträgen nichts anderes geregelt sei - einzubeziehen: Vergütungen im Sinne des § 6 des Rahmenkollektivvertrages (Nacht- und Nachtschichtzuschläge), sonstige auf Grund von Zusatzkollektivverträgen für die Angestellten gewährten Zuschläge für Mehrschichtarbeit sowie Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen, die den Angestellten auf Grund eines Kollektivvertrages oder einer auf Grund einer kollektivvertraglichen Ermächtigung abgeschlossenen Betriebsvereinbarung gewährt würden. Der im Kollektivvertrag verwendete Begriff "Gehalt" sei mit dem Entgeltbegriff des § 49 ASVG nicht deckungsgleich. Der Gehaltsbegriff des Kollektivvertrages sei sehr eng auszulegen. Die Treueprämie werde von den Dienstgebern freiwillig in unveränderter Höhe geleistet und werde bei den nach § 12b b zu berücksichtigenden Zuschlägen nicht angeführt. Auch sei darüber keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden. Die Treueprämie könne daher bei der Berechnung des 13. und 14. Monatsgehaltes nicht miteinbezogen werden.
Gegen diese Bescheide richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden. Die belangte Behörde und die mitbeteiligten Parteien haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin zu I. den von der belangten Behörde herangezogenen Bescheidadressaten P AG, während der Einspruch von der M GmbH erhoben worden sei. Der Einspruch wäre daher zurückzuweisen gewesen.
Aus dem aktenkundigen Firmenbuchauszug vom 12. Februar 1997 zu FN d des Landesgerichtes Innsbruck ist zu ersehen, dass die M GmbH mit Generalversammlungsbeschluss vom 7. November 1994 gemäß §§ 245 ff Aktiengesetz in die P Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Die Umwandlung hat das Fortbestehen der (Kapital)Gesellschaft als Aktiengesellschaft ab dem Tag der Eintragung (24. November 1994) zur Folge (vgl. § 250 Aktiengesetz). Die Umwandlung einer GmbH in eine AG bewirkt somit nicht, dass an die Stelle der bisherigen Rechtsperson eine andere tritt, vielmehr besteht die bisherige Gesellschaft in einer anderen Gesellschaftsform weiter, sodass die Identität der Gesellschaft erhalten bleibt. Da in der Rechtsperson keine Änderung eintritt, bleibt auch der Adressat eines Bescheides ungeachtet seiner verschiedenen Benennung gleich (vgl. das Erkenntnis vom 12. Juni 1991, 90/13/0027). In Beachtung dieser Grundsätze hat die belangte Behörde die Firma der zu I. mitbeteiligten Partei richtig bezeichnet.
Zu beiden Beschwerden in der Sache selbst:
Gemäß § 44 Abs. 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende, auf volle Schilling gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6.
Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst (Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
Nach § 49 Abs. 2 ASVG sind Sonderzahlungen, das sind Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie z.B. ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld, als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfasst werden, zu berücksichtigen.
Da § 49 Abs. 2 ASVG auf den ersten Absatz dieser Gesetzesbestimmung verweist, sind trotz der Wendung "gewährt werden" unter Sonderzahlungen nicht nur solche Geld- und Sachbezüge zu verstehen, die dem pflichtversicherten Dienstnehmer (Lehrling) in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen tatsächlich "zukommen", sondern entweder Geld- und Sachbezüge, auf die er aus dem Dienst(Lehr)verhältnis "in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen" Anspruch hat, ohne Rücksicht darauf, ob sie ihm überhaupt oder in der gebührenden Höhe zukommen, oder die er darüber hinaus in diesen Zeiträumen auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder einem Dritten tatsächlich erhält (vgl. das Erkenntnis vom 30. Mai 1995, 94/08/0007 mit weiteren Judikaturhinweisen).
Ob ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen, wobei in jenen Fällen, in denen kollektivvertragliche Vereinbarungen in Betracht kommen, - entsprechend dem § 3 Arbeitsverfassungsgesetz - zumindest das nach diesen Vereinbarungen den Dienstnehmern zustehende Entgelt die Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge zu bilden hat (vgl. das Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, 97/08/0439).
Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide hängt also davon ab, ob die von den Beitragsnachverrechnungen betroffenen Angestellten auf Grund des anzuwendenden Kollektivvertrages für Angestellte der Industrie, der auszugsweise in den angefochtenen Bescheiden wiedergegeben wurde, Anspruch auf höhere (weil unter Einbeziehung der ihnen unstrittig zwölf Mal jährlich gewährten Prämien in die Bemessungsgrundlage zu berechnende) Sonderzahlungen und Überstundenentgelte hatten.
Die belangte Behörde verneint diese Frage gestützt auf die Regelung des § 12 b des vorgenannten Rahmenkollektivvertrages, wonach in die Berechnungsgrundlage des 13. und 14. Monatsgehaltes ausschließlich die dort erwähnten Zulagen und Zuschläge einzubeziehen seien sowie wegen des "engen" Verständnisses des Gehaltsbegriffes im Kollektivvertrag. Damit ist sie aber aus folgenden Gründen nicht im Recht:
Kollektivverträge sind nach ständiger Judikatur nach den für Gesetze geltenden Auslegungsregeln (§§ 6 und 7 ABGB) auszulegen (vgl. das Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, 97/08/0439). Im erwähnten § 12 b des Rahmenkollektivvertrages für Angestellte der Industrie ist die Rede von (ebenfalls kollektivvertraglich gewährten) Zuschlägen bzw. Zulagen, die mangels gegenteiliger (fachkollektivvertraglicher) Regelung als Entgeltteile in die Berechnungsgrundlage des 13. und 14. Monatsgehaltes einzubeziehen sind. Ein Gegenschluss im Sinne des Ausschlusses anderer als der dort genannten Bezüge von der Einbeziehung in das 13. und 14. Monatsgehalt kann daraus aber schon deshalb nicht gezogen werden, weil sich die Bestimmung nur auf kollektivvertraglich gewährte Leistungen bezieht und sie deren Einbeziehung in die Berechnung der Sonderzahlungen anordnet. Die in Rede stehenden, als "Treueprämien" bezeichneten Bezüge hängen von keinen weiteren Voraussetzungen ab, als dass der betreffende Dienstnehmer länger als fünf Jahre im Unternehmen beschäftigt sein muss. Damit unterscheidet sich ein solches Entgelt (wie immer es bezeichnet werden mag) aber nicht von anderen Entgeltbestandteilen, deren Höhe in aller Regel nach den Lohn- und Gehaltstarifen der Kollektivverträge von der Art der Beschäftigung und von der Dauer der Zugehörigkeit zum Unternehmen abhängen. Diese Treueprämien bedeuten für Dienstnehmer, welche die vorgenannte Voraussetzung erfüllen, eine Erhöhung jener laufenden Leistung, mit welcher die Arbeitsleistung vergolten wird, somit des regelmäßigen Entgelts. Es ist nicht zu bezweifeln, dass das nach Zeitabschnitten bemessene Arbeitsentgelt in erster Linie Bemessungsgrundlage der Sonderzahlungen nach dem hier in Rede stehenden Kollektivvertrag ist, wie im Übrigen auch die Bestimmung über die Berechnung von Sonderzahlungen für Provisionsvertreter zeigt, die jedenfalls das "Fixum" (also die nicht leistungsabhängigen Entgeltbestandteile) in die Bemessung der Sonderzahlungen einbezieht.
Die angefochtenen Bescheide waren daher schon wegen einer Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 43 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Darüber hinaus sieht die Beschwerdeführerin zutreffend Verfahrensvorschriften dadurch verletzt, dass die belangte Behörde zwar durch die Aufhebung der Bescheide zum Ausdruck bringt, dass die Treueprämien (auch) bei der Berechnung der Überstundenentgelte nicht einzubeziehen seien, dafür aber eine Begründung schuldig bleibt. Während die Beschwerdeführerin in den dann von der belangten Behörde aufgehobenen Bescheiden diese Frage unter Heranziehung oberstgerichtlicher Rechtsprechung bejaht, begründet die belangte Behörde das gegenteilige Ergebnis mit keinem Wort. Im weiteren Verfahren wird sich die belangte Behörde auch mit dieser Frage auseinander zu setzen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Juni 2001
Schlagworte
Entgelt Begriff Anspruchslohn Entgelt Begriff Prämien Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit juristische Person Personengesellschaft des Handelsrechts Öffentliches RechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1996080291.X00Im RIS seit
26.11.2001