RS UVS Oberösterreich 1995/06/22 VwSen-220968/3/Schi/Ka

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Veröffentlicht am 22.06.1995
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Rechtssatz

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet Selbständigkeit eine Gewerbetätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr. Eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit des Unternehmens von seinem Auftraggeber tut der Selbständigkeit noch nicht Abbruch; vielmehr ist das Tragen von Gewinn und Verlust, die Übernahme des geschäftlichen Risikos das entscheidende Unternehmenskennzeichen (VwSlg. 9263 A/1977). Ob im Einzelfall ein selbständiges Unternehmen vorliegt, ist nach dem Gesamtbild der festgestellten wirtschaftlichen Momente zu beurteilen, wobei eine gewerbliche Tätigkeit jener Person zuzurechnen ist, auf deren Seite die angeführten gesetzlichen Voraussetzungen verwirklicht erscheinen. In diesem Zusammenhang ist auch die weitere Frage, wer das mit der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit verbundene Unternehmensrisiko auf sich nimmt - ein Selbständigkeitsmerkmal, das durch den in seinem Zusammenhang zu verstehenden Wortlaut "Rechnung und Gefahr" in § 1 Abs.3 GewO 1973 umschrieben wird und das iSd Gesetzesbestimmung immer auch ein Tätigsein des Gewerbetreibenden auf eigene Rechnung miterfaßt -, aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten und nicht allein nach den äußeren rechtlichen Formen zu beurteilen, in denen sich diese Tätigkeit darstellt. Eine Gewerbeausübung kann allerdings auch jener Person in Hinsicht auf das Merkmal der Selbständigkeit zugeordnet werden, welche zumindest Anteil am kaufmännischen Risiko hat und die Tätigkeit somit "auch" auf Rechnung und Gefahr dieser Person erfolgt (VwGH 14.5.1985, Zl. 84/04/0154).

Nach diesen Ausführungen des VwGH ist auch im vorliegenden Fall die Selbständigkeit zweifelsfrei gegeben: Denn der Berufungswerber hat in seiner Niederschrift vom 25.3.1994 selbst angegeben, daß er sich seine Aufträge selbständig sucht. Weiters hat der Berufungswerber in dieser Niederschrift angegeben: "Ausgeführt werden diese Aufträge in Zusammenarbeit mit der Firma R-M GesmbH, Standort L. Nr. XX. Meinen Geschäftspartnern gegenüber tritt die Firma R-M als ausführender Gewerbetreibender in Erscheinung. Die Rechnungen werden von der Firma R-M ausgestellt. Nach Abwicklung der jeweiligen Aufträge lege ich meine Rechnungen bzw Honorarnoten an die Firma R-M Raumgestaltungs GesmbH und erziele auf diese Weise meine Einkünfte. Als Adresse scheint auf diesen Rechnungen R., H-straße, auf."

Diesen Sachverhalt hat die belangte Behörde frei von Rechtsirrtum als selbständige gewerbliche Tätigkeit qualifiziert und bemerkt, daß der Berufungswerber in der typischen Form eines sog. Subunternehmers auftritt. Die diesbezüglichen Einwendungen des Berufungswerbers gehen daher völlig ins Leere; dazu kommt noch, daß aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses absolut nicht hervorgeht, daß der Berufungswerber "umsonst" arbeitet; im Gegenteil: Es entspricht der Lebenserfahrung und geht auch aus dem vorliegenden Akt (unbestritten durch den Berufungswerber) hervor, daß er ein Entgelt für seine Tätigkeit erhält, weshalb auch das Merkmal der Ertragserzielungsabsicht jedenfalls erfüllt ist. Da außerdem der Berufungswerber angegeben hat, daß sich auf seinen Rechnungen immer die Adresse R., H-straße, befindet bzw unter dieser Adresse sein geschäftlicher Verkehr abgewickelt wird, ist es unerheblich, daß sich dort angeblich lediglich ein Fax-Gerät befinden sollte und es sich bloß um seine "Kontaktadresse" handelt. Daß seine Wohnadresse (P.) damit nicht ident ist, ist rechtlich völlig unerheblich, zumal es im wirtschaftlichen Verkehr lediglich auf den Firmenstandort (Bürostandort) ankommt und nicht auf den Wohnsitz.

Insofern der Berufungswerber einerseits bestreitet, daß es sich um Schlosserarbeiten handelt und andererseits einen mangelhaften Spruch (sodaß er nicht in die Lage versetzt wird im Verwaltungsstrafverfahren die auf den konkreten Strafvorwurf bezogenen Beweise anzubieten) geltend macht, ist folgendes zu entgegnen:

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses enthält alle nach § 44a VStG erforderlichen Elemente, die auch im Hinblick auf die diesbezügliche Judikatur des VwGH entsprechend konkretisiert sind. Völlig unverständlich ist deshalb der Einwand des Berufungswerbers, daß er deshalb keine detaillierte Darstellung des Tätigkeitsbildes geben und auch keine Beweisangebote stellen könne. Die bloß "paragraphenmäßige Zitierung des Schlossergewerbes" gemäß § 93 Z13 GewO wurde im Spruch eindeutig damit konkretisiert, daß angeführt wurde, daß der Berufungswerber auf einer Baustelle in W, Ecke B-lände - L-M Straße, Fenstermontagen durchgeführt hat. Abgesehen davon, daß der Berufungswerber im Hinblick auf die Bestreitung, daß es sich bei den vorgenommenen Arbeiten um Schlosserarbeiten handelt, keinerlei Gegendarstellung gebracht hat, zu der er zweifellos unschwer in der Lage gewesen wäre, geht aus dem Akt klar hervor, und hat auch der Berufungswerber immer wieder angeführt, daß er die "Industrieanlagenmontage" (vorgefertigte Teile) durchführe. Auch seine Korrespondenzadresse laute auf den Namen S & F Industrieanlagenbau. Der Berufungswerber wäre daher gehalten gewesen, im Sinne seiner Bestreitung auch seiner diesbezüglichen Mitwirkungspflicht nachzukommen. Da er dies unterlassen hat und die Aktenlage eindeutig gegen seine Bestreitung spricht, war auch sein diesbezüglicher Einwand als unerheblich abzutun.

Als Ergebnis ist sohin festzuhalten, daß der Berufungswerber

jedenfalls den objektiven Tatbestand erfüllt hat.

Zum Verschulden:

Die Berufung bestreitet weiters ein Verschulden des Berufungswerbers. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da zum Tatbestand der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt. In einem solchen Fall besteht von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann. Zu dieser Umkehr der Beweislast kommt es allerdings nur dann, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, wobei in dieser Hinsicht die Beweislast die Behörde trifft. Wie aber bereits in dieser Begründung ausgeführt wurde, hat der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung erfüllt. Es ist nun Sache des Berufungswerbers, glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war. Dabei muß er initiativ alles darlegen, was für seine Entlastung spricht. Der Berufungswerber führt in diesem Zusammenhang an, ihn treffe deshalb kein Verschulden, weil er sich sowohl bei seinem Rechtsvertreter als auch bei der Handelskammer in Braunau (Herrn Dr. W) erkundigt habe; dabei habe er dahingehend Auskunft erhalten, daß eine Genehmigungspflicht deshalb entfalle, weil eine Gewerbeerlaubnis eines EWR-Staats, der Bundesrepublik Deutschland, erteilt sei. Dazu ist zunächst festzustellen, daß die Unkenntnis eines Gesetzes nur dann als unverschuldet angesehen werden kann, wenn jemandem die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist (VwGH 22.2.1979, 2435/76). Insbesondere muß von einem Gewerbetreibenden verlangt werden, daß er über die Rechtsvorschriften, die er bei der Ausübung seines Gewerbes zu beachten hat, ausreichend orientiert ist; er ist verpflichtet, sich über diese Vorschriften zu unterrichten (VwSlg. 7603 A/1969). Dabei ist auch eine irrige Gesetzesauslegung ein Rechtsirrtum, die den Beschuldigten nicht zu entschuldigen vermag, wenn nach seinem ganzen Verhalten nicht angenommen werden kann, daß sie unverschuldet war und daß er das Unerlaubte seines Verhaltens nicht einsehen konnte (VwGH 30.11.1981, 81/17/0126).

Zu den behaupteten Erkundigungen ist festzuhalten, daß dieser Einwand den Berufungswerber aus folgenden Gründen nicht entlasten kann:

Auszugehen ist zunächst davon, daß der VwGH wiederholt dargelegt hat, daß, wer ein Gewerbe betreibt, verpflichtet ist, sich vor Ausübung über die das Gewerbe betreffenden Vorschriften zu unterrichten (VwGH 16.12.1986, 86/04/0091).

Weiters ist hier zu beachten, daß im gegenständlichen Fall der Tatzeitraum vom 4.11.1993 zumindest bis 24.3.1994 reicht; da das EWRA "erst" mit 1.1.1994 in Kraft getreten ist, war die angebliche Auskunft unter Berufung auf das EWR-Recht für den Zeitraum November/Dezember 1993 schon von vornherein verfehlt. Die Behauptung, der (eigene) Rechtsvertreter habe dem Berufungswerber die (unrichtige) Auskunft erteilt, scheint zunächst sehr abwegig; sollte sie aber dennoch zutreffen, so ist in diesem Zusammenhang auf eine einschlägige Entscheidung des VwGH vom 12.5.1931, A 740/29, zu verweisen. Darin wird ausgesprochen, daß die Unkenntnis einer in Betracht kommenden Verwaltungsvorschrift nur dann unverschuldet im Sinne des § 5 Abs.2 VStG ist, wenn die Partei an einen Rechtsanwalt den allgemeinen Auftrag richtet, sie über alle ihr nach den österr. Gesetzen obliegenden Verpflichtungen zu unterrichten bzw. diese für sie zu erfüllen.

Daß dies der Fall gewesen wäre, hat der Berufungswerber nicht einmal behauptet.

Daß weiters die - für den Standort des Berufungswerbers zuständige - Kammer der gewerblichen Wirtschaft, Bezirksstelle B., eine so gravierend falsche Auskunft erteilt haben sollte, erscheint nahezu ausgeschlossen, zumal die Seriosität und Sachkunde dieser Institution dem O.Ö. Verwaltungssenat aus eigener Erfahrung bekannt ist. Außerdem hat der Berufungswerber keine weiteren diesbezüglichen Nachweise bzw Ausführungen (zB Datum der Auskunft, genauer Inhalt des Auskunftsverlangens, Art der Auskunft - schriftlich, mündlich etc., genauer Inhalt der Auskunft) dargetan, außer der (unrichtigen) Bezeichnung des Bezirksstellenleiters Dr. W. mit Dr. Wx.

Die angeblichen Erkundigungen können den Berufungswerber daher nicht hinreichend entschuldigen; vielmehr hätte er sich - wie schon in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ausgeführt wurde - bei der zuständigen Behörde vor Beginn seiner Tätigkeit eingehend über die Rechtslage erkundigen müssen. Gleiches gilt auch im Hinblick auf die folgenden Ausführungen betreffend den Teil-Tatzeitraum 1.1.1994 bis 24.3.1994.

Insofern sich der Berufungswerber (umgedeutet zumindest für den Teil-Tatzeitraum vom 1.1.1994 bis 24.3.1994) auf das EWR-Abkommen bzw Artikel 4 der Richtlinie des Rates Nr.64/427 vom 7.7.1964 sowie § 373c GewO iVm den Durchführungsverordnungen usw beruft, weil er eine deutsche Gewerbeerlaubnis der Stadt G. besitzt, ist folgendes festzustellen:

Wie schon oben erwähnt, ist das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum, BGBl. Nr.909/1993, mit 1.1.1994 in Kraft getreten; gleichzeitig ist auch Art.1 der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr.29/1993, gemäß der Kundmachung des Bundeskanzlers betreffend die Rechtsvorschriften, die gleichzeitig mit dem Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum in Kraft treten, BGBl. Nr.917/1993, in Kraft getreten. Art.1 der Gewerberechtsnovelle 1992 enthält auch die einschlägigen EWR-Anpassungsbestimmungen. Durch Art.31 des EWR-Abkommens wurde das in Art.52 EG-Vertrag (im folgenden: EGV) enthaltene Niederlassungsrecht in den Geltungsbereich des europäischen Wirtschaftsraumes übernommen. Gemäß Art.52 Abs.1 EGV gilt die Niederlassungsfreiheit für Staatsangehörige der Mitgliedsstaaten, unabhängig davon, wo sie ansässig sind. Gemäß Art.52 Abs.2 EGV umfaßt die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen, dh die Niederlassungsfreiheit umfaßt die gemeinschaftliche Inländergleichbehandlung. Das bedeutet, daß natürliche und juristische Personen das Recht haben, in einem anderen Mitgliedsstaat als in ihrem Heimatstaat eine dauernde selbständige Tätigkeit zu den gleichen Bedingungen wie Inländer auszuüben.

Schon aus diesen Textstellen ist offensichtlich, daß die Berufung auf das EWR-Abkommen für den Berufungswerber keinen Erfolg haben kann:

Denn zunächst ist immer die Rede davon, daß Personen das Recht haben, in einem anderen Mitgliedsstaat als ihrem Heimatstaat eine dauernde selbständige Tätigkeit zu den gleichen Bedingungen wie Inländer auszuüben. Beim Berufungswerber handelt es sich um einen österr. Staatsbürger, der in Österreich eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat. Es fehlt sohin der Auslandsbezug bzw handelt es sich hier um einen an sich internen Sachverhalt. Derartige Sachverhalte werden im EG-Recht (in der Rechtsprechung und Lehre) mit dem Schlagwort der Inländerdiskriminierung bezeichnet. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof der europäischen Gemeinschaften (im folgenden: EuGH) in der Rechtssache 20/87, Gauchard, Urteil vom 8.12.1987, Slg.1987, S 4879, ausgesprochen, daß weder Art.52 EGV noch die zu seiner Durchführung erlassenen Richtlinien für Sachverhalte gelten, die sich ausschließlich innerhalb eines Mitgliedsstaats abspielen, wie etwa der Fall eines Angehörigen eines Mitgliedsstaates, der niemals in einem anderen Mitgliedsstaat gewohnt oder gearbeitet hat.

Im gegenständlichen Fall hat allerdings der Berufungswerber offenbar eine gewisse Zeit in der Bundesrepublik Deutschland gewohnt bzw gearbeitet, weil er im Besitz einer deutschen Gewerbeberechtigung der Stadt G. vom 28.9.1992, Zl.08117026, ist. Es ist daher auf die Rechtssache 115/78, Knoors, vom 7.2.1979, Slg.1979, S.399, zu verweisen. Hier hat der EuGH ausgesprochen, daß die Vertragsbestimmungen über die Niederlassung und den Dienstleistungsverkehr nicht auf rein interne Verhältnisse eines Mitgliedsstaats anwendbar sind, doch kann die in Art.52 EGV enthaltene Bezugnahme auf die "Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats", die sich "im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats" niederlassen wollen, nicht dahin ausgelegt werden, daß die "eigenen Staatsangehörigen" eines bestimmten Mitgliedsstaats von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts ausgeschlossen wären, wenn sie sich aufgrund der Tatsache, daß sie rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats ansässig waren, gegenüber ihrem Herkunftsland in einer Lage befinden, die mit derjenigen aller anderen Personen, die in den Genuß der durch den Vertrag garantierten Rechte und Freiheiten kommen, vergleichbar ist.

Im Lichte dieser Rechtsprechung ist daher zunächst auf die (vom Berufungswerber zitierte) Richtlinie des Rates vom 7.7.1964 über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten der be- und verarbeitenden Gewerbe der CITI - Hauptgruppen 23 bis 40 (Industrie und Handwerk) einzugehen. Schon in der Präambel dieser Richtlinie ist ua angeführt, daß (um Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit zu verhindern) die Übergangsmaßnahmen bestimmen müssen, daß die Aufnahmeländer die tatsächliche Ausübung des Berufs im Herkunftsland während einer angemessenen Zeit als ausreichende Bedingung für diese Aufnahme anerkennen.

Wird gemäß Art.3 dieser RL in einem Mitgliedsstaat die Aufnahme einer der in Art.1 Abs.2 genannten Tätigkeiten oder die Ausübung dieser Tätigkeiten von dem Besitz allgemeiner, kaufmännischer oder fachlicher Kenntnisse und Fertigkeiten abhängig gemacht, so erkennt der betreffende Mitgliedsstaat als ausreichenden Nachweis für diese Kenntnisse und Fertigkeiten die tatsächliche Ausübung der betreffenden Tätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat in folgenden Fällen an: a) bei ununterbrochener 6-jähriger Tätigkeit als Selbständiger oder als Betriebsleiter; b) bei ununterbrochener 3-jähriger Tätigkeit als Selbständiger oder als Betriebsleiter, wenn der Begünstigte für den betreffenden Beruf eine mindestens dreijährige vorherige Ausbildung nachweisen kann, die durch ein staatlich anerkanntes Zeugnis bestätigt oder von einer zuständigen Berufsinstitution als vollwertig anerkannt ist, usw. Im übrigen enthält der vom Berufungswerber zitierte Artikel 4 lediglich eine Pflicht der Mitgliedsstaaten, zur Unterrichtung der anderen Mitgliedsstaaten im Wege der Kommission über allfällige wesentliche Berufsmerkmale bzw Tätigkeitsbeschreibungen von Berufen. Schon aus den Formulierungen in dieser RL ist evident, daß eine Person, die das Recht der Niederlassung für sich in Anspruch nehmen will, im Aufnahmestaat den zuständigen Behörden nachweisen muß, daß er im Besitz der entsprechenden fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten bzw Zeugnisse ist. Im gegenständlichen Fall hat aber der Berufungswerber überhaupt nie diese Erfordernisse der (zuständigen) österr. Gewerbebehörde (Zum Zwecke der Erteilung eines Gewerbescheines) nachgewiesen, sondern seine unbefugte Gewerbeausübung auch ab Inkrafttreten des EWR-Abkommens weiterhin durchgeführt; erst als er in das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren verwickelt worden war, hat er auf seine deutsche Gewerbeerlaubnis hingewiesen.

Dazu bestimmt noch (der auch vom Berufungswerber zitierte) § 373c Abs.1 (in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 als EWR-Anpassungsbestimmung), daß die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis einem Staatsangehörigen einer EWR-Vertragspartei auch zu erteilen ist, wenn dieser die in einer Verordnung gemäß Abs.4 bis 6 festgelegten Nachsichtsvoraussetzungen erfüllt und keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen. Zufolge Abs.2 dieses Paragraphen werden durch die Verordnungen gemäß Abs.4 bis 6 die Anerkennungsregelungen der auf Grund des EWR-Abkommens geltenden Richtlinien des Rates der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs in der durch das EWR-Abkommen rezepierten Fassung, soweit von diesen in diesem Bundesgesetz geregelte Tätigkeiten erfaßt sind, umgesetzt. Weiters bestimmt Abs.3 dieses Paragraphen, daß das Vorliegen der Nachsichtsvoraussetzungen nach Maßgabe der Anerkennungsregelungen der im Abs.2 genannten Richtlinien durch entsprechende Zeugnisse einer einschlägigen fachlichen selbständigen Tätigkeit etc. nachzuweisen ist.

Geht man im gegenständlichen Fall nun davon aus, daß der Berufungswerber als Inländer nicht schlechter gestellt werden soll als ein EWR-Bürger (im Tatzeitraum) und somit für ihn die gleichen Regelungen gelten müssen, so ist wiederum darauf zu verweisen, daß der Berufungswerber auch keine Nachsicht von einem Befähigungsnachweis beantragt hat.

Schließlich bestimmt § 373d GewO, daß, soweit nicht § 373c anzuwenden ist, der Landeshauptmann auf Antrag binnen vier Monaten im Einzelfall auszusprechen hat, ob und inwieweit über eine von einem Staatsangehörigen einer EWR-Vertragspartei in einem EWR-Vertragsstaat erworbene Ausbildung oder Befähigung im Hinblick auf die durch die betreffende Ausbildung oder Befähigung vermittelten und bescheinigten Fähigkeiten und Kenntnisse den für die Erlangung eines inländischen gewerblichen Befähigungsnachweises vorgeschriebenen Zeugnissen gleichzuhalten ist; (im weiteren wird noch bestimmt, daß bei nicht vorhandener Gleichwertigkeit ein Anpassungslehrgang oder die Ablegung einer Eignungsprüfung vorzuschreiben ist).

Auch hier gilt wiederum das bereits oben Gesagte; daß nämlich der Berufungswerber auch einen derartigen Antrag aufgrund seiner deutschen Gewerbeerlaubnis niemals in Österreich gestellt hat. Daß er dies somit schuldhaft unterlassen hat, wurde bereits ausführlich dargelegt. Zu bemerken ist lediglich noch, daß der Berufungswerber selbst davon spricht, daß aufgrund seiner deutschen Gewerbeerlaubnis auch "materiell die Voraussetzung einer Anerkennung in Österreich vorliegen". Um eine solche - untechnisch bezeichnete - "Anerkennung" hat sich aber der Berufungswerber niemals bemüht.

Zum Unrechtsgehalt der Tat ist festzustellen, daß die unbefugte Ausübung eines Gewerbes über längere Zeit (und nach Angaben des Berufungswerbers in seiner Niederschrift vom 25.3.1994 auf bundesweiter Ebene) läuft insbesondere wegen der damit verbundenen Gefahren dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Gewerbeausübung zuwider. Es kommt daher unter diesem Aspekt der Verwaltungsübertretung besonderer Unrechtsgehalt zu. Hinsichtlich des Schuldgehaltes hat die belangte Behörde in der Begründung des Straferkenntnisses diesen vollständig und übersichtlich so erörtert, daß aus dem Blickwinkel des Rechtsschutzes die Ermessensübung der belangten Behörde mit ihren maßgeblichen Überlegungen für den Berufungswerber offen vorgelegen ist. Im Hinblick darauf genügt die "äußerst hilfsweise Anmerkung" zur Strafbemessung nicht, um die Strafbemessung der belangten Behörde grundsätzlich zu erschüttern. Auch der O.ö. Verwaltungssenat schließt sich daher im Hinblick auf die von der Strafbehörde angenommenen bzw erhobenen Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse den diesbezüglichen Erwägungen im Straferkenntnis vollinhaltlich an, zumal diesbezüglich der Berufungswerber überhaupt keine Angaben gemacht hat. Die verhängte Strafe erfüllt den Strafzweck, wobei auch generalpräventive Gesichtspunkte nicht gänzlich außer Acht gelassen werden durften. Die Bezahlung der Strafe erscheint dem Berufungswerber zumutbar.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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