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L92051 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Burgenland;Norm
ABGB §140;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dax - Klepeisz - Kröpfl, Rechtsanwaltspartnerschaft in 7540 Güssing, Hauptplatz 4, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 30. April 1997, Zl. VIII/1-N-521/2-1996, betreffend Kostenersatz gemäß § 42 Bgld SHG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 27. Februar 1996 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, im Rahmen seiner Unterhaltspflicht zu den für seine Eltern aufzuwendenden Sozialhilfekosten einen Kostenbeitrag von monatlich S 1.150,-- ab 4. August 1995 zu leisten.
Ihrer Entscheidung legte die Behörde (für den hier maßgeblichen Zeitraum) nachstehende Feststellungen, die in weiterer Folge unbekämpft blieben, zugrunde:
Die Eltern des Beschwerdeführers wurden am 4. bzw. 2. August 1995 in ein Pflegeheim eingewiesen. Die Verpflegskosten von täglich S 822,-- pro Person werden aus den Mitteln der Sozialhilfe getragen, wobei die Eltern ihren Kostenbeitrag in der Höhe des gesetzlichen Anteiles an Pension und Pflegegeld leisten. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von S 15.682,80, was im Jahresdurchschnitt (x 14 : 12) S 18.296,02 ergibt. Seine Ehegattin hat kein Einkommen. Im gemeinsamen Haushalt leben noch zwei Kinder, die ein eigenes Einkommen haben.
An monatlichen regelmäßigen Ausgaben wurden von der erstinstanzlichen Behörde die Rückzahlung eines Wohnbaudarlehens von S 750,--, Beiträge zur Krankenversicherung von S 996,50, Gemeindeabgaben von S 416,90, der Kirchenbeitrag von S 166,67, die Rauchfangkehrgebühr von S 73,83, Beiträge zum Müllverband von S 83,05, und die Rückzahlung eines Darlehens "vom Sohn" in der Höhe von S 3.000,--, jeweils monatlich, anerkannt; abzüglich dieser Beträge von insgesamt S 5.486,95 verblieb ein (für die Unterhaltsbemessung durch die Behörde erster Instanz danach maßgebliches) monatliches Nettoeinkommen von S 12.809,07.
Nicht berücksichtigt wurden bei den monatlichen Ausgaben des Beschwerdeführers die Zahlungsverpflichtungen seiner einkommenslosen Ehegattin (Beiträge zur bäuerlichen Sozialversicherung und Grundsteuer).
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, die er im Wesentlichen damit begründete, dass diese Zahlungsverpflichtungen seiner Ehegattin von ihm erfüllt werden müssten und daher eine (bei Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigende) finanzielle Belastung seien. Deshalb sollten sie auch auf die Höhe des von ihm zu leistenden Kostenbeitrages angerechnet werden, vor allem deshalb, weil auch diese Zahlungen regelmäßig zu leisten wären.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe ab, dass der Kostenbeitrag nunmehr mit monatlich S 1.089,-- festgesetzt wurde, wobei sie folgenden Sachverhalt als erwiesen annahm (Schreibweise wie im Original):
"Die Eltern des Berufungswerbers wurden durch die Bezirkshauptmannschaft Oberwart mit 4.8. bzw. 22.8.1995 in das Pflegeheim Haus St. Franziskus eingewiesen. Der Berufungswerber hat neben der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Eltern noch eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner nicht berufstätigen Gattin. Weitere Sorgepflichten bestehen keine. Das Einkommen des Berufungswerbers ist monatlich mit 15.682,80 zu beziffern, woraus sich ein monatliches Durchschnittsgehalt (x 14 : 12) von S 18.296,02 ergibt."
Weitere Feststellungen finden sich im angefochtenen Bescheid nicht.
In rechtlicher Hinsicht bewertete die belangte Behörde diesen Sachverhalt wie folgt (Schreibweise wie im Original):
"Gemäß § 42 des Burgenländischen Sozialhilfegesetzes haben Personen, die gesetzlich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten.
Wird nunmehr der obzitierte Sachverhalt unter die obige gesetzliche Bestimmung subsumiert, so ist festzuhalten, dass der Berufungswerber gegenüber seinen Eltern gemäß § 143 ABGB unterhaltsverpflichtet ist. An sonstigen Sorgepflichten ist die Sorgepflicht gegenüber seiner Ehegattin zu berücksichtigen. Beim Einkommen des Berufungswerbers und den von ihm geltend gemachten eigenen Unterhalt ist festzuhalten, dass der vorgeschriebene Betrag von S 1.089,-- monatlich für beide Elternteile sicher einen angemessenen Unterhalt im Sinne des ABGB darstellt und dass durch diese Vorschreibung weder der Unterhalt der sonst Unterhaltsberechtigten noch sein eigener Unterhalt gefährdet wird."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens bezüglich des Vaters des Beschwerdeführers vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt, - neben der Behauptung von Verfahrens- und Begründungsmängeln - der Sache nach eine unrichtige Berechnung des Kostenersatzes eines gem. § 42 Bgld SHG Unterhaltsverpflichteten.
Damit ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:
Nach § 42 Burgenländisches Sozialhilfegesetz, LGBl. 1975/7 in der hier anzuwendenden Fassung (Bgld SHG), haben Personen, die gesetzlich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten. Mit der Wendung "im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht" verweist das Gesetz auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die gesetzliche Unterhaltspflicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1993, Zl. 92/08/0224, mit Hinweis auf die Erkenntnisse vom 18. Oktober 1988, Zl. 87/11/0127, und vom 20. Februar 1987, Zl. 86/11/0058).
§ 143 ABGB lautet:
"§ 143. (1) Das Kind schuldet seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht im Stande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.
(2) Die Unterhaltspflicht der Kinder steht der eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten.
(3) Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteiles mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet."
Die Frage des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs der Sozialhilfeempfänger ist von den Sozialhilfebehörden als Vorfrage zu lösen (vgl. die Erkenntnisse vom 4. Mai 1999, Zl. 97/08/0059 und vom 26. Jänner 2000, Zl. 97/08/0390), wobei insbesondere auf folgendes Bedacht zu nehmen ist:
Die Berücksichtigung von Teilen des Einkommens des Hilfsbedürftigen für die Bestimmung des Ausmaßes der Sozialhilfe im Sinne des § 10 Bgld SHG (und damit indirekt für den Ersatz durch den Hilfsbedürftigen nach § 41 Bgld SHG) ist ausschließlich nach den Sozialhilfevorschriften, hingegen die für den Kostenersatz von Angehörigen entscheidende Berücksichtigung von Teilen des Einkommens des Unterhaltsberechtigten ausschließlich nach § 143 ABGB zu beurteilen.
Es ist daher aufgrund der jeweils unterschiedlichen gesetzlichen Voraussetzungen durchaus denkbar, dass Einkommensteile des Hilfsbedürftigen zwar der Anrechnung durch den Sozialhilfeträger im Rahmen der Prüfung der Hilfsbedürftigkeit nach sozialhilferechtlichen Regelungen entzogen sind, gleichzeitig aber unter dem Blickwinkel des Unterhaltsrechtes zumutbarerweise auch für den aus der Pflegebedürftigkeit entstehenden Sonderbedarf aufzuwenden sind und insoweit daher den Unterhaltsanspruch gemäß § 143 ABGB nicht entstehen lassen oder doch vermindern (vgl. das Erkenntnis vom 16. März 1993, Zl. 92/08/0190 zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem Vorarlberger Sozialhilfegesetz).
Die - hier vorfrageweise erforderliche - Beurteilung der Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern setzt daher Feststellungen über die nach § 143 ABGB maßgeblichen Parameter, nämlich über das Einkommen und über das (allenfalls vorhandene, wenn auch sozialhilferechtlich gegebenenfalls unbeachtliche) Vermögen der unterhaltsberechtigten Eltern voraus, aber auch über das Vorhandensein mehrerer potentiell unterhaltspflichtiger Personen (§ 143 Abs. 2 ABGB: nach dem Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe vom 26. Juli 1995 haben die Eltern des Beschwerdeführers auch eine Tochter).
In Verkennung dieser Rechtslage hat es die belangte Behörde unterlassen, solche Feststellungen bezüglich des Einkommens der Eltern des Beschwerdeführers im Allgemeinen, sowie des nach Abzug des für die Heimunterbringung zu leistenden Eigenbeitrages "freibleibenden" Einkommens, sowie der (neben den durch die Verpflegskosten gedeckten) zusätzlichen Unterhaltsbedürfnisse der Eltern des Beschwerdeführers zu treffen (zum Ausmaß dieser zusätzlichen Unterhaltsbedürfnisse vgl. das Erkenntnis vom 16. März 1993, Zl. 92/08/0190, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 17. Jänner 1989, Zl. 87/11/0223). Im Falle des Vorhandenseins mehrerer Unterhaltsverpflichteter wäre zunächst für jeden Einzelnen von ihnen der nach dem § 143 ABGB rechtserhebliche Sachverhalt festzustellen und sodann der allenfalls gegebene Unterhaltsbedarf nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Kinder aufzuteilen (vgl. das Erkenntnis vom 4. Mai 1999, Zl. 97/08/0059).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gem. § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Zur Vermeidung überflüssigen Verfahrensaufwandes sieht sich der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ergänzend zu folgenden Bemerkungen veranlasst:
Von der Bemessungsgrundlage können im Zusammenhang mit der Ermittlung der Unterhaltspflicht nach § 143 ABGB nur lebens- und existenznotwendige Ausgaben abgezogen werden. Nicht abgezogen werden können nach der Rechtsprechung hingegen Ausgaben des täglichen Lebens und sonstige übliche Lebensaufwendungen des Unterhaltspflichtigen (wozu auch die Grundsteuer zählt: vgl. hiezu LGZ Wien EF 42.965, 50.703 und 53.555).
Die Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers gegenüber seiner Ehegattin ist überdies nicht mit ihrem absoluten Betrag von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, sondern durch Abzüge von Prozentpunkten vom Unterhaltsprozentsatz zu berücksichtigen (vgl. zB Schwimann, ABGB Praxiskommentar2, Band 2, S. 243, Rz. 57f zu § 140).
Zum Einwand des Beschwerdeführers, die Behörde hätte anstelle des § 42 Bgld SHG (Ersatz durch Unterhaltspflichtige) die Bestimmungen des § 41 leg. cit. (Ersatz durch den Empfänger der Hilfe und seinen Erben) heranziehen müssen, da die Mutter des Beschwerdeführers bereits vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides verstorben ist, sei erwähnt, dass Ersatz von Leistungen gemäß § 40 Bgld SHG nach Maßgabe der weiteren Bestimmungen vom Empfänger der Hilfe, von seinen Erben, von Unterhaltspflichtigen und von sonstigen Dritten gefordert werden kann. Bei Anwendung dieser Bestimmungen gibt es keine Rangordnung; die Behörde hat daher ein Wahlrecht (vgl. das Erkenntnis vom 19. September 1984, Zl. 82/11/0199, und Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht (1989), S. 518f).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Juni 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1997080425.X00Im RIS seit
26.11.2001