RS UVS Oberösterreich 1995/07/13 VwSen-400356/6/Wei/Bk

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Veröffentlicht am 13.07.1995
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Rechtssatz

Der Schubhaftbescheid ordnete die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung bzw zur Zurückschiebung an. Diese kumulierte Anführung von Schubhaftzwecken erachtet die Beschwerde für rechtswidrig und so widersprüchlich, daß die Schubhaft insgesamt rechtswidrig sei.

Richtig ist zwar, daß der Schubhaftzweck Sicherung der Abschiebung erst nach Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung oder eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes in Betracht kommt. Wurde die Schubhaft - wie hier - auch zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung verhängt, dann bedarf es aufgrund der Bestimmung des § 48 Abs.3 FrG gar nicht der zusätzlichen Anordnung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung, weil dies ex lege ab Durchsetzbarkeit gilt. Die überflüssige Angabe, die gesetzeskonform nur im Sinne des § 48 Abs.3 FrG interpretiert werden darf, schadet entgegen der Beschwerdeansicht nicht. Ebensowenig war es für die belangte Behörde geboten, sich bereits im Schubhaftbescheid auf eine der beiden Verfahrensarten festzulegen. Dies ist im Hinblick darauf, daß der Schubhaftbescheid idR im Mandatsverfahren gemäß § 57 AVG ergeht, oft gar nicht möglich. Die alternative Verfahrenssicherung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes solange unbedenklich, als im Zeitpunkt der Bescheiderlassung keine der Möglichkeiten auszuschließen ist (vgl VwGH 3.3.1994, 93/18/0302). Nach einem jüngsten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes schadet es auch nicht, wenn eine Schubhaft im Hinblick auf das Bestehen einer durchsetzbaren Ausweisung in Wahrheit der Sicherung der Abschiebung diente und nicht - wie im Schubhaftbescheid angeführt - zur Sicherung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der Abschiebung verhängt worden ist (vgl VwGH 7.4.1995, 94/02/0517). Die Schubhaft zur Sicherung der Zurückschiebung war im gegebenen Zusammenhang zwar nicht naheliegend, jedoch auch nicht von vornherein auszuschließen. Der Bf ist unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist, was nach der Schilderung des Bf schon binnen sieben Tagen ab dem angegebenen Einreisetermin der zuständigen Asylbehörde bekannt war. Es konnte daher im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung am 22. Juni 1995 noch nicht ausgeschlossen werden, daß der Bf nicht auch binnen sieben Tagen iSd § 35 Abs.1 Z1 FrG betreten worden ist. Deshalb war auch die Angabe dieser alternativen Möglichkeit eines Schubhaftzweckes im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unbedenklich. Nach dem unstrittigen Sachverhalt steht fest, daß der Bf unter Umgehung der Grenzkontrolle, ohne gültiges Reisedokument und ohne den für ihn notwendigen Sichtvermerk nach Österreich eingereist ist. Er verfügte weder über Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts noch über eine Unterkunft in Österreich. Er hat auch keine Möglichkeit, seinen Aufenthalt zu legalisieren und die erforderlichen Mittel für den Lebensunterhalt in rechtmäßiger Weise zu erwerben.

Diese Umstände lassen nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa VwGH 14.4.1993, 93/18/0071; VwGH 29.7.1993, 92/18/0499; VwGH 11.11.1993, 93/18/0417; VwGH 13.1.1994, 93/18/0183) die Befürchtung gerechtfertigt erscheinen, daß sich der Bf durch Untertauchen in der Anonymität dem fremdenpolizeilichen Zugriff entziehen oder ihn zumindest erschweren werde. Dies gilt umso mehr, als auch noch kein Identitätsnachweis vorhanden ist. Zum Vorbringen des Bf, wonach ihm von der Organisation "SOS Mitmensch OÖ" eine Wohnmöglichkeit sowie Unterhalt zuzüglich Taschengeld zur Verfügung bzw in Aussicht gestellt worden sei, ist folgendes festzustellen:

Den Nachweis der erforderlichen Mittel für den Lebensunterhalt hat der Fremde initiativ zu erbringen. Da der unabhängige Verwaltungssenat zufolge § 52 Abs.2 Z2 FrG über Schubhaftbeschwerden binnen einer Woche zu entscheiden hat, unterliegt der Bf einer erhöhten Mitwirkungspflicht, insbesondere im Hinblick auf den Nachweis der erforderlichen Mittel und der Unterkunft. Diese schließt auch den Nachweis der Bonität der sich verpflichtenden Person ein (VwGH 29.7.1993, 92/18/0499, 0500). Außerdem ist eine gewisse persönliche Bindung zwischen dem Fremden und der die Erklärung abgebenden Person glaubhaft zu machen (VwGH 13.1.1994, 93/18/0183; VwGH 10.2.1994, 93/18/0410). Der Bf hat nun vorgebracht, daß ihm SOS-Mitmensch eine Wohnmöglichkeit samt Unterhalt zuzüglich Taschengeld zur Verfügung stellen würde. Das Schreiben von SOS-Mitmensch Oberösterreich vom 28. Juni 1995 betreffend die Unterbringung von vier Liberianern, unter denen sich auch der Bf befindet, führt aus, daß die Liberianer sieben Wochen hindurch durch die Heimküche mitversorgt würden. Für die restliche Zeit übernehme SOS-Mitmensch Oberösterreich in Kooperation mit der Caritas die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. Weiters werde SOS-Mitmensch Oberösterreich die Liberianer mit einem bescheidenen Taschengeld versorgen. Damit wurde zum einen keine rechtsverbindliche Verpflichtungserklärung abgegeben, die dem Bf einen Anspruch auf Unterhaltsleistungen einräumen würde. Auch die durch den rechtswidrigen Aufenthalt des Bf der Republik Österreich künftig noch entstehenden Kosten werden nicht übernommen. Ebensowenig wurde ein Nachweis über die Bonität der Organisation SOS-Mitmensch Oberösterreich erbracht, die sich - dem Vernehmen nach - lediglich aus Spenden finanziert. Es ist ungeklärt, wie weit deren finanzielle Kapazitäten reichen. Insbesondere im Hinblick darauf, daß nicht nur der Bf, sondern auch drei weitere Liberianer (und möglicherweise noch andere nicht aktenkundige Personen) untergebracht, versorgt, verpflegt und unterhalten werden, erscheint die Bonität sehr fraglich. Schließlich ist noch festzuhalten, daß auch bei Gewährung eines bescheidenen Taschengeldes vom Vorliegen der erforderlichen Mittel zum Unterhalt auf Dauer nicht gesprochen werden kann.

Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1995, Zl. 94/02/0435, wurde ausgesprochen, daß für den vom Fremden initiativ zu erbringenden Nachweis der erforderlichen Mittel eine Beschreibung des Zustandes im Zeitpunkt der Beschwerde nicht ausreicht, weil eine nicht bloß vorübergehende Sicherung auch des künftigen Unterhaltes mangels Darlegung eines dem Bf zustehenden durchsetzbaren Rechtsanspruches nicht abgeleitet werden kann. Dabei verwies der Verwaltungsgerichtshof auf seine Vorjudikatur, die ebenfalls die behauptete Unterkunft und Versorgung in einem Caritasheim betraf (vgl VwGH 23.6.1994, 94/18/0287; VwGH 25.11.1994, 94/02/0349). Dies gilt auch im gegenständlichen Fall, weshalb weiterhin von der Mittellosigkeit des Bf auszugehen ist. Abgesehen davon böte auch die Versorgung durch SOS-Mitmensch Oberösterreich keine Gewähr für den fremdenbehördlichen Zugriff auf den Bf.

Das weitläufige Vorbringen, wonach zugunsten des Bf ein Abschiebungsverbot bestehe, weil er wegen der Bürgerkriegssituation in Liberia sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden könne, geht im Schubhaftbeschwerdeverfahren ins Leere.

Gegenständlich dient die Schubhaft noch der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung, weil im Hinblick auf die vom Bf angekündigte Berufung noch keine rechtskräftige Entscheidung vorliegt. Gemäß § 17 Abs.3 FrG ist die Ausweisung aber bereits mit ihrer Erlassung durchsetzbar, weshalb die Schubhaft gemäß dem § 48 Abs.3 FrG auch als zur Sicherung der Abschiebung verhängt gilt. Nach der nunmehr übereinstimmenden Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts hat der unabhängige Verwaltungssenat im Schubhaftbeschwerdeverfahren nach dem Fremdengesetz im Hinblick auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 FrG die Unzulässigkeit der Abschiebung in ein bestimmtes Land nicht zu überprüfen (vgl ua VfGH 4.10.1993, B 364/93-7; VfGH 16.6.1994, B 1774/93-13; VwGH 10.2.1994, 93/18/0410; VwGH 22.4.1994, 94/02/0082; VwGH 17.11.1994, 94/18/0561; VwGH 27.1.1995, 94/02/0201, 0202, 0283; VwGH 27.1.1995, 94/02/0442; VwGH 24.2.1995, 94/02/0435). Der Grund liegt vor allem darin, daß Anträge iSd § 54 Abs.1 FrG in einem Sonderverfahren zu behandeln sind, in dem die Fremdenbehörde und nicht der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig ist.

Der Bf hat von der möglichen Antragstellung nach § 54 Abs.1 FrG bezüglich seines Heimatstaates Liberia Gebrauch gemacht und in erster Instanz eine für ihn negative Entscheidung der belangten Behörde erhalten. Gegen diese Entscheidung steht ihm die Berufung an die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich offen, in der er sämtliche Argumente für seine Befürchtung, daß in Liberia für ihn Lebensgefahr bestünde, vorbringen kann. Gemäß § 54 Abs.4 FrG darf der Bf bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag in den von ihm bezeichneten Verfolgerstaat nicht abgeschoben werden. Was die behauptete tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung nach Liberia betrifft, ist der Bf darauf zu verweisen, daß dies ein Grund für einen Abschiebungsaufschub nach § 36 Abs.2 FrG wäre. Es ist nicht Aufgabe des unabhängigen Verwaltungssenates, das allfällige zukünftige Problem der Unmöglichkeit der Abschiebung zu untersuchen. Auch diese Frage ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Schubhaftprüfungsverfahren zu klären (vgl VwGH 8.7.1994, 94/02/0227; VwGH 12.8.1994, 94/02/0123; VwGH 25.11.1994, 94/02/0409; VwGH 27.1.1995, 94/02/0201, 0202, 0283). Daß die Abschiebung nach Liberia schlechthin unmöglich erscheint, hat die Beschwerde nicht glaubhaft machen können. Schließlich ist der unter Hinweis auf die Regierungsvorlage erhobene Einwand der Minderjährigkeit ebenfalls nicht geeignet, die Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig oder nicht erforderlich erscheinen zu lassen. Das Fremdengesetz bietet nicht nur keine Handhabe dafür, sondern sieht die Anhaltung von Minderjährigen im § 47 Abs.2 und 3 FrG ausdrücklich vor. Gewisse Einschränkungen sind gemäß § 47 Abs.2 FrG bei Fremden unter sechzehn Jahren vorgesehen. Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist zu entnehmen, daß das Verbot des Vollzugs der Strafhaft an Jugendlichen gemäß § 54 VStG bei der Schubhaft nicht analog vorgesehen werden kann, wobei zur Begründung auf eingeschleuste Jugendbanden und die Notwendigkeit der Abschiebung von Ehegatten mit ihren Kindern verwiesen wird. Aus dem Umstand, daß diese ausdrücklich genannten Motive nicht auf den Bf zutreffen, kann er noch nicht ableiten, daß er nicht in Schubhaft genommen werden darf, weil es dafür auch andere Gründe gibt. Außerdem geht die Argumentation der Beschwerde schon deshalb ins Leere, weil der Bf bereits das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat. Bei Fremden über sechzehn Jahren wäre sogar die Haft nach dem VStG zulässig.

Der unabhängige Verwaltungssenat kann aus der Aktenlage keine Umstände erkennen, die der belangten Behörde als unangemesse Verzögerungen anzulasten wären. Vielmehr sind die notwendigen fremdenbehördlichen Maßnahmen sehr zügig gesetzt worden. Auch die Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde längst in die Wege geleitet. Ein Verstoß gegen § 48 Abs.2 FrG kommt demnach nicht in Betracht.

Im Ergebnis liegen die Gründe für die Verhängung der Schubhaft ebenso wie die für deren Aufrechterhaltung vor. Da die negative Prognose keine Änderung erfahren hat, sind sowohl die Inschubhaftnahme als auch die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft als rechtmäßig anzusehen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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