RS UVS Oberösterreich 1995/07/27 VwSen-390009/2/Kl/Rd

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Veröffentlicht am 27.07.1995
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Rechtssatz

Vorauszuschicken ist, daß gemäß § 1 Abs.1 VStG als Verwaltungsübertretung eine Tat nur bestraft werden kann, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Der darin enthaltene Grundsatz "nullum crimen sine lege" bringt zum Ausdruck, daß maßgebliche Rechtslage jene im Zeitpunkt der Begehung der Tat ist. Dieser Grundsatz erfährt nur dann keine Anwendung, wenn zwischen Tatbegehung und Erlassung des Straferkenntnisses eine Änderung der Rechtslage für den Täter günstiger ist, dh eine nach Art oder Maß mildere Strafdrohung vorsieht (§ 1 Abs.2 VStG).

Es war daher gegenständlich (vorgeworfene Tatzeit "bis Anfang April 1994") die Rechtslage vor dem April 1994, also vor dem Fernmeldegesetz 1993, BGBl. Nr. 908/1993, anzuwenden, weil letzteres erst mit 1.4.1994 in Kraft getreten ist. Auch sieht das Fernmeldegesetz 1993 keine mildere, sondern wesentlich strengere Strafdrohungen vor.

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muß ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

Es muß daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, S 937ff).

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 1.12.1994 wurde dem Berufungswerber von der belangten Behörde der unbefugte Betrieb einer Fernmeldeanlage bis Juni/Juli 1994 gemäß dem Fernmeldegesetz 1993 vorgeworfen. Ungeachtet dessen, daß das Fernmeldegesetz 1993 erst mit 1.4.1994 in Kraft getreten ist und daher erst auf Tatbestände ab dem 1.4.1994 anzuwenden ist, was auch (allenfalls für Tatbestände von April bis Juli 1994) im Tatvorwurf und in der Übertretungsnorm zum Ausdruck zu kommen hat, handelt es sich beim gegenständlichen Tatvorwurf um ein Dauerdelikt, bei dem es nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH zur Tatkonkretisierung erforderlich ist, daß im Spruch Anfang und Ende des strafbaren Verhaltens anzuführen sind (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A, S 946, mN). Auch ist die genaue Festlegung eines Tatzeitendes deshalb erforderlich, weil die Verjährungsfrist von dem Zeitpunkt an läuft, an dem das strafbare Verhalten aufgehört hat. Der Vorwurf "bis Juni/Juli 1994" wie auch "bis Anfang April 1994" wird diesen Konkretisierungsanforderungen nicht gerecht, weil eine Fristberechnung hier nicht möglich ist. Es ist daher möglicherweise schon die genannte Aufforderung zur Rechtfertigung verspätet ergangen.

Wesentlich erscheint aber, daß mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 23.6.1995 dem Berufungswerber nunmehr (erstmals) der unbefugte Besitz (nicht mehr der Betrieb) nach dem Fernmeldegesetz 1993, und zwar bis Anfang April 1994 vorgeworfen wurde. Abgesehen von der anzuwendenden Rechtslage (Fernmeldegesetz 1949) war aber zu berücksichtigen, daß der unbefugte Besitz einer Fernmeldeanlage dem Berufungswerber erst mit dem angefochtenen Straferkenntnis erstmals, also 16 Monate nach der Tat, und sohin nach Verstreichen der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen wurde.

Im Hinblick auf die ständige Judikatur des VwGH wird auch hingewiesen, daß ein Verweis auf eine Gebots- oder Verbotsnorm im Spruch des Straferkenntnisses den Anforderungen des § 44a Z1 VStG nicht genügt, sondern daß es erforderlich ist, die konkrete Bestimmung auch wörtlich im Spruch des Straferkenntnisses zu umschreiben. Es hätte daher einer wörtlichen Anführung der Bewilligungspflicht für eine Funksendeanlage bedurft. Weil eine ausreichend konkretisierte Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht gesetzt wurde, war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Gemäß § 17 Abs.1 VStG dürfen, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur Gegenstände für verfallen erklärt werden, die im Eigentum des Täters oder eines Mitbeschuldigten stehen oder ihnen vom Verfügungsberechtigten überlassen worden sind, obwohl dieser hätte erkennen müssen, daß die Überlassung des Gegenstandes der Begehung einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung dienen werde. Kann keine bestimmte Person verfolgt oder bestraft werden, so kann auf den Verfall selbständig erkannt werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen (Abs.3).

Gemäß § 28 Abs.2 Fernmeldegesetz, BGBl. Nr. 170/1949 idgF, können im Straferkenntnis die Gegenstände, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde, ohne Rücksicht darauf, wem sie gehören, zugunsten des Bundes für verfallen erklärt werden.

Gemäß § 43 Abs.5 Fernmeldegesetz 1993, BGBl. Nr. 908/1993, können im Straferkenntnis die Gegenstände, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde, zugunsten des Bundes für verfallen erklärt werden. Ist der Verfall nach der besonderen Verwaltungsvorschrift als Nebenstrafe und gleichzeitig auch als Sicherungsmaßnahme zu bewerten, wie im Fall des § 28 Abs.2 Fernmeldegesetz 1949, dann ist er gemäß § 17 Abs.3 auch noch nach Ablauf der Verjährungsfristen des § 31 VStG zulässig (vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahren, Bd 2, S 163). Der sogenannte objektive Verfall ist nicht Strafe, sondern Sicherungsmittel. Das Verfallserkenntnis hat bescheidförmig zu ergehen. Auf diesen Bescheid finden - mit Ausnahme der Bestimmung des § 51 Abs.1 VStG - nur die Verfahrensvorschriften des AVG Anwendung (vgl. Ringhofer, S 165).

Es hat auch der VwGH (VwSlg. 11506A/1994) erkannt, daß im Ausspruch des Verfalls nach § 28 Abs.2 Fernmeldegesetz keine bloße Strafmaßnahme, die nach Ablauf der Verjährungsfristen nach § 31 VStG nicht mehr zulässig wäre, sondern eine die Ordnung des Funkverkehrs betreffende Sicherungsmaßnahme zu erblicken ist, die nach § 17 Abs.3 VStG auch ungeachtet der eingetretenen Verjährung vorgenommen werden darf.

Im Vergleich zur alten Rechtslage (Fernmeldegesetz 1949) ist aber nach dem nunmehr geltenden Fernmeldegesetz 1993 die Wortfolge "ohne Rücksicht darauf, wem sie gehören" weggefallen, sodaß grundsätzlich der vorgesehene Verfall nur mehr als Strafart iSd § 10 VStG und nicht mehr als Sicherungsmittel anzusehen ist, weil er nicht mehr auch gegen Personen, die nicht als Täter zu verfolgen sind, in Betracht kommt (VwGH 19.9.1983, 83/10/0201). Der Ausspruch des Verfalls als bloße Strafmaßnahme ist aber nach Ablauf der Verjährungsfristen nach § 31 Abs.1 und 2 oder § 31 Abs.3 VStG nicht mehr zulässig (VwGH 12.9.1984, Slg. 11506A).

Wurde die im Straferkenntnis angelastete Tat mit dem Tatzeitraum bis Anfang April 1994 vorgeworfen, so war für den als Sicherungsmittel gedachten Verfall die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz, also das Fernmeldegesetz 1993 anzuwenden, welches aber einen Verfall als reines Sicherungsmittel (objektiver Verfall) nicht mehr vorsah.

Für den Verfall als Strafe hingegen gilt das Günstigkeitsprinzip und ist daher das Fernmeldegesetz 1993 anzuwenden.

Weil aber wegen eingetretener Verfolgungsverjährung eine Strafe nicht ausgesprochen werden konnte, durfte auch nicht die Nebenstrafe des Verfalls gemäß § 43 Abs.5 Fernmeldegesetz 1993 verhängt werden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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