RS UVS Oberösterreich 1995/08/10 VwSen-220783/7/Ga/La

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Veröffentlicht am 10.08.1995
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Rechtssatz

§ 45 BArbSchV trifft spezielle Schutzbestimmungen für die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit Spenglerarbeiten auf Dächern. Der im Berufungsfall maßgebende § 45 Abs.4 BArbSchV - jene Verwaltungsvorschrift (Gebotsnorm), die gegenständlich von der belangten Behörde iSd § 44a Z2 VStG als verletzt zugrundegelegt worden ist - lautet:

"Bei Spenglerarbeiten am Dachsaum oder an Hängerinnen haben sich die damit Beschäftigten, sofern die Arbeiten nicht von einem sicheren Standplatz im Dachbodenraum ausgeführt werden, sicher anzuseilen."

Gemäß § 44a Z1 VStG hat ein Schuldspruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Um den aus dieser Vorschrift als sogen. Konkretisierungsgebot in ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgeleiteten Grundsätzen zu entsprechen, muß der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau umschreiben, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat, jedenfalls nach Ort und Zeit, unverwechselbar feststeht (vgl. dazu die allgemeinen Fußnoten zu § 44a VStG in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A (1990), 936 ff). Diesen Bestimmtheitsanforderungen muß, soll der Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist unterbrochen werden, auch schon die erste Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG genügen (vgl. das bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II (1992), 294 ff, zu § 32 unter E5 zit. Erk. VwSlg. 12.375 A/1987; ferner zB VwGH 9.7.1992, 92/10/0004; uva). Für die hinlänglich bestimmte Tatanlastung ist weiters erforderlich, daß grundsätzlich die wesentlichen Tatbestandsmerkmale durch wörtliche Anführung zu bezeichnen sind (idS zB VwGH 10.6.1992, 92/04/0055; VwGH 29.1.1991, 90/04/0126 ua). Im Berufungsfall sind - mit identem Tatvorwurf - innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist (§ 31 Abs.2 VStG) zwei Verfolgungshandlungen (§ 32 Abs.2 VStG) gesetzt worden: Die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28.6.1993 und das bekämpfte Straferkenntnis selbst. Mit Rücksicht auf den der Bestrafung zugrundegelegten Tatbestand erweisen sich jedoch beide Maßnahmen als untaugliche Verfolgungshandlungen, weil wesentliche Sachverhaltselemente nicht verfolgt worden sind.

In den Vorwurf an den Berufungswerber ist nämlich nicht einbezogen gewesen, daß es sich bei den inkriminierten Arbeiten um solche am Dachsaum oder an Hängerinnen gehandelt hat und auch nicht, daß für die Ausführung dieser Arbeiten ein sicherer Standplatz im Dachbodenraum nicht zur Verfügung gestanden ist.

Die dem Konkretisierungsgebot genügende, genaue Umschreibung der Tatumstände ist im Berufungsfall deshalb unverzichtbar, weil die Gebotsnorm zufolge ihres ausdrücklichen Wortlauts (arg.: "sofern"; damit handelt es sich vorliegend nicht bloß um einen negativen Tatbestand bzw eine negative Ausnahme (strafrechtsdogmatisch iS eines schlichten Rechtfertigungsgrundes), wie zB beim § 7 Abs.2 BArbSchV oder beim § 8 Abs.1 AAV (idS zuletzt VwGH 7.4.1995, 94/02/0515), sondern vielmehr um ein die Befolgungspflicht überhaupt erst begründendes, somit wesentliches Merkmal der Sicherungsvorschrift) zum Anseilen nur unter der Voraussetzung verpflichtet, daß die Arbeiten nicht vom sicheren Standplatz im Dachbodenraum ausgeführt werden (können).

Im vorgelegten Fall kommt dazu, daß der Berufungswerber den sicheren Standplatz im Dachraum, von dem aus Arbeiten durchgeführt worden seien, nicht nur in seinem Rechtsmittel, sondern von Anfang an auch im strafbehördlichen Ermittlungsverfahren ausdrücklich - und zudem mit nicht von vornherein unschlüssiger oder unglaubwürdiger Begründung - eingewendet hat.

Und schließlich hat die belangte Behörde verkannt, daß § 45 Abs.4 BArbSchV die besondere Sicherungspflicht nur für Spenglerarbeiten am Dachsaum oder an Hängerinnen vorsieht (einerlei, ob es sich um ein Steil- oder Flachdach handelt); Arbeiten außerhalb des Dachsaumbereiches erfaßt diese Vorschrift nicht.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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