RS UVS Oberösterreich 1995/08/17 VwSen-280022/5/Ga/Fb

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 17.08.1995
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VwSen-221150 v. 23.12.1994 Rechtssatz

Die Erwägungen über das von ihr gehandhabte Ermessen bei der Festsetzung der verhängten Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens (hier: gemäß § 31 Abs.2 ANSchG Geldstrafe bis zu 50.000 S) an Hand der objektiven Kriterien des Unrechtsgehalts der Tat (§ 19 Abs.1 VStG) und der subjektiven Kriterien des Schuldgehalts (§ 19 Abs.2 VStG) hat die belangte Behörde in Verletzung der ihr auch diesbezüglich gemäß § 60 AVG (iVm § 24 VStG) auferlegten Begründungspflicht (vgl VwGH 21.3.1995, 94/09/0039, mit Vorjudikatur) nicht dargestellt.

Diese rechtswidrige Vorgangsweise hat der unabhängige Verwaltungssenat gegenüber der belangten Behörde schon wiederholt (zB Erk. VwSen-221150/3 vom 23.12.1994) gerügt. Inhaltsleere Floskeln (wie vorliegend: "Es war somit unter Rücksichtnahme auf § 19 VStG spruchgemäß zu entscheiden.") erfüllen die Begründungspflicht nicht. Vielmehr wird dadurch der Berufungswerber in seinen Verteidigungsrechten geschmälert, die Amtspartei hingegen in der Wahrnehmung ihres Rechtes, wegen zu niedriger Bestrafung zu berufen, behindert. Davon abgesehen erzwingt die Überbürdung der Begründungspflicht auf die Ebene des unabhängigen Verwaltungssenates - den Grundsatz der Verfahrensökonomie (§ 39 Abs.2 letzter Satz AVG iVm § 24 VStG) aushöhlend - einen höheren und kostspieligen Aufwand in diesem Fall, den letztlich der Steuerzahler zu tragen hat.

Zur vorliegend verhängten Strafe bringt der Berufungswerber nur vor, daß sie "aufgrund meines Einkommens und meiner Sorgepflichten auf das Minimum" herabgesetzt werden solle. Eine nähere Ausführung dieses Begehrens gibt er nicht an.

In der Anzeige vom 23.9.1994 hat das Arbeitsinspektorat zum Faktum

1. eine Strafe in der Höhe von 5.000 S beantragt. Dies, ohne gleichzeitig der Strafbehörde die Begründung für diese Strafhöhe, die in der Darstellung des spezifischen Unrechtsgehalts der angezeigten Übertretung aus der besonderen fachlichen Sicht des AI gelegen wäre, mitzuteilen (was freilich nicht die Strafbehörde ihrerseits von der Begründungspflicht entbinden konnte). Weil aber der Berufungswerber im Zuge des Ermittlungsverfahrens die Anschaffung eines im Freien aufgestellten Flaschenschranks für die Gasversorgungsanlage nachwies, hat die belangte Behörde mit der schließlich verhängten Strafe den Antrag des Arbeitsinspektorats um die Hälfte unterschritten. Damit hat sie in Wahrheit den besonderen Milderungsgrund nach § 34 Z15 StGB sinngemäß angerechnet, weil der Berufungswerber sein ernstliches Bemühen, weitere nachteilige Folgen zu verhindern, unter Beweis gestellt hat.

Die verhängte Strafe ist in dieser Höhe als milde zu bezeichnen. Einer weiteren Herabsetzung steht der nicht unbeträchtliche Unrechtsgehalt entgegen. Dieser ist in der Mißachtung einer Vorschrift zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit der Arbeitnehmer, wie sie mit hoher Wahrscheinlichkeit durch unzulässige Lagerung von Flüssiggas entstehen können, zu sehen. Der nur pauschal erfolgte Hinweis des Berufungswerbers auf sein Einkommen und seine Sorgepflichten kann eine weitere Herabsetzung dieser Strafe nicht rechtfertigen.

Zusammenfassend war daher die Strafberufung zu Faktum 1. abzuweisen. Mit diesem Spruchpunkt wurde der Berufungswerber einer Übertretung des § 14 Abs.4 iVm § 31 Abs.3 lit.b ANSchG schuldig gesprochen, weil er seinen Arbeitnehmern keine versperrbaren Kleiderkästen zur Aufbewahrung ihrer Straßen- und Arbeitskleidung zur Verfügung gestellt habe.

Dagegen bringt der Berufungswerber vor, daß seinen Mitarbeitern im angrenzenden E.-Museum ein Raum zur Aufbewahrung und Sicherung vor Wegnahme der Straßenkleidung zur Verfügung stehe und ihnen jederzeit zugänglich sei. Im Betrieb selbst sei der Platz zur Aufstellung eines Kleiderschranks nicht ausreichend. Auch weist er darauf hin, daß der Museumsverein sowohl die Museumsräume, als auch die Gaststättenräume von der E. AG in Bestand habe. Es erscheine ihm daher eine Aufbewahrung der Straßenkleider in einem Raum im E.-Museum, das vom Gasthaus aus direkt zugänglich sei, deswegen günstiger, weil die Kleidung dort keinen "Küchengeruch" annehmen könne.

Der Berufungswerber übersieht, daß der als verletzt zugrundegelegte § 14 Abs.4 ANSchG die zur Aufbewahrung und zur Sicherung vor Wegnahme der Straßen- und Arbeitskleidung geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit für jeden Arbeitnehmer anordnet. Damit aber hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß ein Raum als gemeinsam zu benützender Aufbewahrungsort dem Schutzzweck nicht entspricht, weil solcherart die Kleidung nicht grundsätzlich iS der Vorschrift vor Wegnahme gesichert wäre.

Mit seinem Vorbringen bestätigt der Berufungswerber in Wahrheit, daß er der Gebotsnorm des § 14 Abs.4 ANSchG nicht entsprochen hat. Im Hinblick darauf aber bewirkt die Unschärfe in der Formulierung des Schuldspruchs (der von "versperrbaren Kleiderkästen" spricht und sich damit - unzulässig, weil ohne Entsprechung im Spruchelement gemäß § 44a Z2 VStG - der Wortwahl des § 86 Abs.1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung bedient) keine inhaltliche Rechtswidrigkeit in der Qualität eines irreparablen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot (§ 44a Z1 VStG). Vielmehr hatte der unabhängige Verwaltungssenat im Grunde des § 66 Abs.4 AVG (iVm § 24 VStG) die Spruchformulierung durch Präzisierung bloß zu verbessern, ohne daß damit vom eigentlichen Abspruchsgegenstand des angefochtenen Straferkenntnisses abgewichen wird.

Einen Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund gewinnt der Berufungswerber mit seinem Hinweis auf die besonderen Pachtverhältnisse nicht. Vielmehr wäre es ihm als Pächter der Gaststätte obgelegen, den Verpächter in geeigneter Weise auf die aus der Vorschrift des § 14 Abs.4 ANSchG abzuleitenden Folgerungen hinzuweisen, um so die Schaffung von Aufbewahrungsmöglichkeiten in die Wege zu leiten.

Mit der verhängten Strafe im Ausmaß von 2.000 S hat die belangte Behörde jedoch zu hoch gegriffen. Kann zum einen dem Berufungswerber nach den Umständen dieses Falles schon kein besonders ins Gewicht fallendes Verschulden - dieses besteht hier in einer fahrlässigen Fehldeutung der Schutzvorschrift - angelastet werden, muß zum anderen der doch erheblich geringere Unrechtsgehalt dieser Gesetzesverletzung im Verhältnis zur Tat gemäß Faktum 1. sich in der Strafhöhe widerspiegeln. Geht es im Falle des Faktums

1. um eine Schutzvorschrift zur Bewahrung der Arbeitnehmer vor Schaden an Leib und Leben, so ist im Falle des Faktums 2. eine Vorschrift im überwiegenden Interesse des Betriebsklimas verletzt. Aus diesem Blickwinkel mißt der unabhängige Verwaltungssenat dem objektiven Unwert der Tat im Faktum 2. ein vergleichsweise deutlich geringeres Gewicht zu, das in der nun festgesetzten Strafhöhe seinen Ausdruck findet.

Im angemessenen Verhältnis dazu war im Grunde des § 16 Abs.2 VStG auch die Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend herabzusetzen. Die spruchgemäße Tatanlastung spricht den Berufungswerber schuldig, er habe das Erste-Hilfe-Material in einer Plastiktragtasche aufbewahrt. Dadurch habe er § 81 Abs.2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) iVm § 31 Abs.2 lit.p ANSchG verletzt und sei deswegen mit einer Geldstrafe in der Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: zwölf Stunden) kostenpflichtig zu bestrafen gewesen.

Hiezu begründend verweist die belangte Behörde nur auf die Feststellungen des Arbeitsinspektorats. Ihre Erwägungen, aus welchen Gründen sie die Tatbestandsmäßigkeit des festgestellten Sachverhalts angenommen hat, gibt die belangte Behörde nicht preis. Der Berufungswerber verteidigt sich mit dem Vorbringen, daß seit 1974 im E.-Museum ein entsprechender Erste-Hilfe-Kasten zur Verfügung stehe, der seit jeher auch vom Gasthauspächter bei Bedarf in Anspruch genommen werde. Dieser Erste-Hilfe-Kasten sei bei der Museumskasse deponiert und vom Gasthaus aus durch eine direkt in den Kassenraum führende Tür jederzeit erreichbar. Die vom Arbeitsinspektor in einer Plastiktasche vorgefundenen Erste-Hilfe-Utensilien hätten lediglich zur Auffüllung des Behälters im Museum, der zum Kontrollzeitpunkt sicherlich noch ausreichend bestückt gewesen sei, gedient. Seine Mitarbeiter seien seit jeher darüber informiert, daß der Erste-Hilfe-Kasten im Museum auch für das Gasthaus zur Verfügung stehe. Zwischenzeitig habe er jedoch einen eigenen Erste-Hilfe-Behälter (ÖNORM-gerecht bis 5 Dienstnehmer) angeschafft, der im Gasthaus selbst aufbewahrt werde. Er fühle sich daher des ihm angelasteten Delikts nicht schuldig. Gemäß § 81 Abs.1 erster Satz AAV muß den Arbeitnehmern bei Verletzungen oder plötzlichen Erkrankungen im Betrieb Erste Hilfe geleistet werden können.

Gemäß § 81 Abs.2 AAV müssen für die erste Hilfeleistung die entsprechenden Mittel in einer der Größe des Betriebes ausreichenden Zahl von staubdicht schließenden Behältern, wie Kasten jederzeit gebrauchsfertig und in hygienisch einwandfreiem Zustand bereit gestellt sein.

Im zweiten Satz dieser Vorschrift ist die Kennzeichnung der Behälter geregelt. Der dritte Satz trifft eine Aussage über die generellen Kriterien für die Ausstattung der Behälter. Der vierte Satz ordnet an, für welche Art von Verletzungen Erste-Hilfe-Mittel insbesondere zur Verfügung zu stellen sind.

Aus dem inneren Sinnzusammenhang dieser hier maßgeblichen Vorschriften leitet der unabhängige Verwaltungssenat ab:   Der Arbeitgeber hat die Vorsorge so einzurichten, daß seinen Arbeitnehmern die Erste Hilfe bei Verletzungen etc. jedenfalls im Betrieb leistbar ist. Um diesem Gebot entsprechen zu können, ist zu allererst erforderlich, daß die entsprechenden Mittel im Hilfeleistungsfall auch tatsächlich vorhanden sind und entsprechend ihrer spezifischen Indikation zur aktuellen Nutzung bereit stehen (verfügbar sind).

Diesem Hauptanliegen der Schutzvorschrift dienen Begleitregelungen, die darüber hinaus sicherstellen wollen, daß die Erste-Hilfe-Mittel in einer sinnvoll am Notwendigen orientierten Ausstattung und in einem medizinisch unbedenklichen Zustand eingesetzt werden; die Ausstattung ist dabei in besonderer Weise auf die Eigenheit des Betriebes und die idR in diesem Betrieb typischerweise auftretenden Verletzungen abzustimmen.

Keine Aussage jedoch wird darüber getroffen, wo die Mittel bereitgestellt sein müssen. Naheliegenderweise aber wird man davon auszugehen haben, daß die Mittel dort aufbewahrt werden, wo sie im Verletzungsfall während der Arbeitszeit nicht nur dem verletzten Arbeitnehmer selbst, sondern auch der Person, die dem Verletzten Hilfe leistet, ohne jede örtliche und zeitliche Barriere zugänglich sind. Dies kann in einem kleinen Gasthausbetrieb, wie vorliegend, der Arbeitsbereich im Gastraum selbst (Schank) sein, aber auch in der Küche, im Betriebsbüro oder an sonst geeigneter Stelle in einem Vorraum, Verbindungsgang und dgl.

Nach Meinung des unabhängigen Verwaltungssenates wird der Vorschrift aus dem Blickwinkel ihrer Zielsetzung darüber hinaus aber auch durch die Aufbewahrung in einem an den Gastraum unmittelbar angrenzenden, jederzeit und unschwer auch für die Arbeitnehmer selbst zugänglichen, wenngleich betriebsfremden Raum Genüge getan. Steht nämlich, wie hier, der involvierte Gasthausbetrieb (Taverne) zufolge besonderer historischer Zusammenhänge in derart enger räumlicher und logistischer Verbundenheit mit einem vom gemeinsamen Trägerverein eingerichteten Museum (beide Einrichtungen sind im selben Gebäude untergebracht), dann ist nicht einzusehen, daß zulässig nicht so vorgegangen werden kann, wie vom Berufungswerber eingewendet.

Der unabhängige Verwaltungssenat hält fest, daß dieses Ergebnis zunächst nur für diesen Berufungsfall gilt, weil auf Grund der besonderen - von der belangten Behörde und dem Arbeitsinspektorat nicht widersprochenen - betrieblichen rsp. räumlichen Gegebenheiten die Umsetzung der Gebotsnorm des § 81 AAV in der vom Berufungswerber vorgebrachten, für ihn als Arbeitgeber weniger aufwendigen, für die Arbeitnehmer dennoch in gleicher Weise wirksamen Vorgangsweise gewährleistet ist.

Mit diesem Ergebnis konveniert auch die vom Berufungswerber von Anfang an eingewendete Verantwortung, daß nämlich das in der Plastiktragtasche vorgefundene Erste-Hilfe-Material lediglich zur Auffüllung des Behälters im unmittelbar benachbarten Museumsraum gedient habe. Daß die dort somit auch für Zwecke der Hilfeleistung an Arbeitnehmer des Berufungswerbers bereitgestellten Mittel nicht entsprechend gewesen seien, hat weder das Arbeitsinspektorat angezeigt noch die belangte Behörde vorgeworfen.

Aus allen diesen Gründen führt die Berufung im Ergebnis zum Erfolg, weil der Beschuldigte mit dem spruchgemäß angelasteten Sachverhalt die zugrundegelegte Rechtsvorschrift nicht übertreten hat.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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