RS UVS Oberösterreich 1995/09/11 VwSen-260140/2/Wei/Bk

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 11.09.1995
beobachten
merken
Rechtssatz

Gemäß § 137 Abs.3 lit.d WRG 1959 begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht nach Abs.4 oder 5 strengerer Strafe unterliegt, und ist nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen, wer durch Außerachtlassung der ihn gemäß § 31 Abs.1 treffenden Sorgfaltspflicht eine Gewässerverunreinigung bewirkt. Nach § 31 Abs.1 WRG 1959 hat jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen und Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, mit der im Sinne des § 1297 oder zutreffendenfalls des § 1299 ABGB gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 WRG 1959 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

Gemäß § 30 Abs.2 WRG 1959 wird unter Verunreinigung der Gewässer jede Beeinträchtigung der natürlichen Beschaffenheit des Wassers in physikalischer, chemischer und biologischer Hinsicht (Wassergüte) und jede Minderung des Selbstreinigungsvermögens verstanden. Das Erfolgsdelikt des § 137 Abs.3 lit.d WRG 1959 setzt den Eintritt einer Gewässerverunreinigung voraus. Nach der strengen Richtlinie des § 30 Abs.2 WRG 1959 genügt schon jede Beeinträchtigung der Wassergüte.

Durch den aktenkundigen Untersuchungsbericht des Amtssachverständigen für Chemie ist auch nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates erwiesen, daß die Verunreinigung des Brunnens infolge der Ausbringung von Jauche durch den Bw erfolgte. Ungeklärt ist zwar geblieben, ob tatsächlich Grundwasser, das über einen Brunnen oder eine gefaßte Quelle zu Tage gefördert wird, oder nur gesammeltes Oberflächenwasser - wie der Bw behauptet - verunreinigt worden ist. Beides erfüllt allerdings den Begriff des Gewässers, unter den sowohl natürliche als auch künstliche Zusammenhänge von Wasser fallen (vgl näher Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht 1993, Rz 4ff zu § 1 WRG).

Die belangte Behörde warf dem Bw vor, er habe bei der Düngung eines Wiesengrundstückes nicht die gebotene Sorgfalt aufgewendet und hiedurch eine Einwirkung auf ein Gewässer verursacht. In Ausführung dazu heißt es im Spruch:

"Durch Ihr Verhalten haben Sie einen ca. 20 m unterhalb der Ausbringungsfläche befindlichen Brunnen, der zur Versorgung der Liegenschaft A, N, mit dem erforderlichen Trink- und Nutzwasser verwendet wird, so stark verunreinigt, daß die Gesundheit von Mensch und Tier gefährdet war."

Mit diesem Vorwurf hat die Strafbehörde keine hinreichend konkretisierte und unverwechselbare Tatanlastung iSd § 44a Z1 VStG vorgenommen (vgl näher zur Konkretisierungspflicht Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4.A 1990, 937ff). Der Vorwurf stellt nur auf den eingetretenen Erfolg ab, für den der Bw kausal war. Das maßgebliche sorgfaltswidrige Verhalten, das den Erfolg herbeigeführt hat, wird überhaupt nicht konkretisiert. Die entscheidungswesentliche Tatfrage der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt wurde damit nicht in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise gelöst. Vielmehr fehlen konkrete Anhaltspunkte über allfällige Sorgfaltsmängel des Bw, die zur Gewässerverunreinigung führten. Die unsubstantiierte abstrakte Behauptung eines Sorgfaltsmangels unter bloßer Verwendung der verba legalia ist für einen Fahrlässigkeitsvorwurf unzureichend. Der Schuldspruch läßt keine eindeutige und unverwechselbare Zuordnung zu den Fahrlässigkeitsmerkmalen des § 137 Abs.3 lit.d WRG 1959 zu, weil er unter gravierenden Feststellungsmängeln leidet, die eine rechtsrichtige Subsumtion unter den Fahrlässigkeitsbegriff von vornherein ausschließen.

Aus der Aktenlage ergibt sich, daß erhebliche Aufklärungsmängel vorliegen, weil die belangte Strafbehörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt gar nicht im einzelnen erhoben hat. Selbst nach dem begründeten Einspruch des Bw gegen die Strafverfügung wurde kein ordentliches Ermittlungsverfahren zur rechtserheblichen Frage der nach den konkreten(!) Umständen gebotenen Sorgfalt durchgeführt, sondern einfach das Straferkenntnis erlassen. Es verwundert daher nicht, daß als Folge der versäumten Beweisaufnahmen entscheidungsrelevante Feststellungsmängel unterlaufen sind.

Eine nähere Beurteilung der entscheidungswesentlichen Rechtsfragen hätte nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates fachkundige (Beiziehung eines geeigneten Sachverständigen!) Erhebungen an Ort und Stelle erfordert. Dabei wäre unter Berücksichtigung der schon gegenüber der Strafbehörde geäußerten Einwände des Bw zu klären gewesen, ob die konkrete Art der Ausbringung von Jauche einer ordentlichen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung entsprach. Für die Frage der objektiven Sorgfalt geben auch die Richtlinien und Beschränkungen nach § 7 Abs.2 und 3 O.ö. Bodenschutzgesetz 1991 (LGBl. Nr.115/1991) für die Ausbringung von Senkgrubeninhalten beachtliche Anhaltspunkte. Der Bw hat vorgebracht, daß er die Vorschriften des O.ö. Bodenschutzgesetzes eingehalten hätte und die Verunreinigung nur auf einen unvorhersehbaren "Katastrophenniederschlag" zurückgeführt werden könnte. Allein damit hat er Tatsachen behauptet, die eine Sorgfaltswidrigkeit ausschlössen und daher der näheren Überprüfung bedurften. Der Umstand, daß sich der sog. Brunnen nur etwa 20 Meter von der Ausbringungsfläche entfernt befindet, vermag für sich allein nichts über allfällige Sorgfaltsmängel auszusagen. Außerdem macht es wohl einen Unterschied, ob nur Oberflächenwasser oder Grundwasser den sog. Brunnen speisen. Allerdings ist der Bw nicht im Recht, wenn er besondere Sicherheitsvorkehrungen vom Nachbarn gegen die Verunreinigung seines Brunnens mit Jauche fordert. Grundsätzlich trifft nämlich den Bw die Pflicht, Gewässerverunreinigungen zu vermeiden und erkennbaren Gefahren vorzubeugen.

Die belangte Behörde hat auch einen verfehlten Sorgfaltsmaßstab zugrundegelegt, indem sie den Bw pauschal und nicht einzelfallbezogen auf Vorsorgen verweist, die eine Verunreinigung ausgeschlossen hätten. Im Ergebnis wird damit eine unzutreffende Erfolgshaftung angenommen. Demgegenüber kommt es für die Sorgfaltsanforderungen auf das Verhalten an, das von der differenzierten Maßfigur des einsichtigen und besonnenen Menschen aus dem Verkehrskreis des Täters in der konkreten Situation erwartet werden durfte (vgl dazu näher mwN Burgstaller, Wiener Kommentar, § 6 Rz 36 und 38; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3.A 1992, § 6 Rz 6 und 12; Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, Besonderer Teil I, 3.A 1990, § 80 Rz

16) Die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht dürfen dabei nicht überspannt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Recht ausgesprochen, daß nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern erst die Verletzung von Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den Umständen vernünftigerweise auferlegen darf, das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit ausmacht (vgl VwSlg 12947 A/1989; VwGH 28.10.1980, 2244/80; VwSlg 9710 A/1978).

Da es sich gegenständlich um ein fahrlässiges Erfolgsdelikt handelte, war die Beweislastumkehr des § 5 Abs 1 Satz 2 VStG nicht anwendbar. Die Strafbehörde hätte daher alle für den Fahrlässigkeitsvorwurf in objektiver und subjektiver Hinsicht entscheidungswesentlichen Tatsachen von Amts wegen ermitteln und die notwendigen Feststellungen treffen müssen. Indem sie das offenbar auch im Hinblick auf ihre rechtsirrtümlichen Annahmen zum Fahrlässigkeitsbegriff unterließ, hat sie ihr Straferkenntnis mangels ausreichend konkretisierten Verhaltensvorwurfes mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Die von der Strafbehörde angelastete Tat bildet keine Verwaltungsübertretung. Außerdem ist mittlerweile auch die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist des § 137 Abs.9 Satz 1 WRG 1959 abgelaufen, ohne daß eine taugliche Verfolgungshandlung vorgenommen worden wäre. Das Strafverfahren war daher gemäß § 45 Abs.1 Z1 und Z3 VStG einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten