RS UVS Oberösterreich 1995/10/06 VwSen-221073/5/Kl/Rd

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 06.10.1995
beobachten
merken
Rechtssatz

Gemäß § 28 Abs.1 des Arbeitzeitgesetzes (kurz: AZG), BGBl. Nr.461/1969 idF BGBl. Nr.647/1987 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung), sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 300 S bis 6.000 S oder mit Arrest von drei Tagen bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

Gemäß § 3 Abs.1 leg.cit. darf die Tagesarbeitszeit 8 Stunden, die Wochenarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird. So kann gemäß § 4 Abs.2 leg.cit. zur Erreichung einer längeren Freizeit die Arbeitszeit an einzelnen Tagen regelmäßig gekürzt und die ausfallende Arbeitszeit auf die übrigen Tage der Woche verteilt werden. Bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes kann die Arbeitszeit um 5 Überstunden in der einzelnen Woche und darüber hinaus um höchstens 60 Überstunden innerhalb eines Kalenderjahres verlängert werden. Wöchentlich sind jedoch nicht mehr als 10 Überstunden zulässig. Die Tagesarbeitszeit darf 10 Stunden nicht überschreiten. Auch darf die für den Betrieb oder eine Betriebsabteilung zulässige Dauer der Arbeitszeit zu Arbeiten der Reinigung und Instandhaltung, zur Wiederaufnahme oder Aufrechterhaltung des vollen Betriebes und zur abschließenden Kundenbedienung um eine halbe Stunde täglich, jedoch höchstens bis zu 10 Stunden täglich ausgedehnt werden (§ 8 Abs.1 leg.cit.). Darüber hinaus bestimmt § 9 Abs.1 leg.cit. die Höchstgrenzen der Arbeitszeit, nämlich daß die Arbeitszeit 10 Stunden täglich nicht überschreiten und die sich aus § 3 ergebende Wochenarbeitszeit um nicht mehr als 10 Stunden wöchentlich überschreiten darf. Im Grunde der zitierten gesetzlichen Bestimmungen ist daher aufgrund des erwiesenen Sachverhaltes (nicht bestrittene Tagesarbeitszeiten der angeführten Arbeitnehmer) die Erfüllung des objektiven Tatbestandes der Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit von 10 Stunden im Ausmaß des im Spruch angefochtenen Straferkenntnisses als erwiesen anzusehen. Auf die diebezügliche Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses wird hingewiesen.

Was hingegen die Verantwortung des Berufungswerbers anlangt, daß er einen Zweigstellenleiter für die Niederlassung bestimmt habe, welcher die Verantwortung zu tragen habe, wird auf § 28 Einleitungssatz AZG hingewiesen, wonach "Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte" für Übertretungen nach dem AZG zur Verantwortung zu ziehen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH bleibt bei Bestellung eines Bevollmächtigten iSd § 28 AZG die grundsätzliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers im Gegensatz zur Befreiung von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bei Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs.2 und 4 VStG aufrecht (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4.Auflage, Seite 766). Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 VStG wurde aber vom Berufungswerber nicht einmal behauptet und daher auch nicht nachgewiesen. Es geht daher das diesbezügliche Berufungsvorbringen ins Leere.

Hinsichtlich des Berufungsvorbringens, daß die Überstunden im Zuge von Inventurarbeiten notwendig geworden seien und daher die Ausnahmeregelung des § 20 AZG zum Tragen käme, ist entgegenzuhalten, daß wie schon den ausführlichen Stellungnahmen des Arbeitsinspektorates im erstinstanzlichen Verfahren zu entnehmen ist, die Inventur im gegenständlichen Unternehmen nachweislich am 23.1.1993 (Samstag), also an einem anderen Tag als zu den Tatzeitpunkten stattgefunden hat. Dies wurde vom Berufungswerber auch niemals in Zweifel gezogen. Weitere Tage zu Inventurarbeiten wurden aber dem Arbeitsinspektorat nicht angezeigt. Was die Ausnahmeregelung des § 20 Abs.1 AZG anlangt, so sieht diese Bestimmung eine Arbeitszeitüberschreitung in außergewöhnlichen Fällen vor. Es finden nämlich in außergewöhnlichen Fällen die Arbeitszeitbestimmungen keine Anwendung auf vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten, die a) zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für die Sicherheit des Lebens oder für die Gesundheit von Menschen oder bei Notstand sofort vorgenommen werden müssen, oder b) zur Behebung einer Betriebsstörung oder zur Verhütung des Verderbens von Gütern oder eines sonstigen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Sachschadens erforderlich sind, wenn unvorhergesehene und nicht zu verhindernde Gründe vorliegen und andere zumutbare Maßnahmen zur Erreichung dieses Zweckes nicht getroffen werden können. Der Arbeitgeber hat die Vornahme von solchen Arbeiten ehestens, längstens jedoch binnen vier Tagen nach Beginn der Arbeiten dem Arbeitsinspektorat schriftlich anzuzeigen, wobei die Aufgabe der Mitteilung bei der Post als Erstattung der Anzeige gilt (§ 20 Abs.2 leg.cit.). Ein solcher außergewöhnlicher Umstand mit all seinen Voraussetzungen, wie unmittelbare Gefahr für das Leben oder unabwendbarer unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Sachschaden wurde vom Berufungswerber nicht einmal behauptet. Eine Inventur jedenfalls ist jährlich wiederkehrend und daher nicht unvorhersehbar, sondern jedenfalls vom Arbeitgeber planbar. Eine Inventur fällt daher schon begrifflich nicht unter die in § 20 geregelten außergewöhnlichen Fälle. Im übrigen ist unabdingbare Voraussetzung, daß diese Arbeiten ehestens dem Arbeitsinspektorat angezeigt werden. Eine solche Anzeige wurde ebenfalls nicht erstattet. Es können daher die gegenständlichen täglichen Arbeitszeitüberschreitungen nicht unter die Ausnahmeregelung des § 20 AZG subsumiert werden, sondern es stellen diese mehrheitlich Arbeitszeitüberschreitungen infolge der langen Einkaufstage am Donnerstag dar. Zum amtsbekannten Inventurtag wurden jedenfalls keine Arbeitszeitüberschreitungen vorgeworfen.

Daß die Arbeitszeitüberschreitungen im Einverständnis mit den Arbeitnehmern erfolgt sind bzw. daß bei der Erstellung des Dienstplanes auf den Wunsch der Arbeitnehmer eingegangen wurde, kann den Berufungswerber nicht rechtfertigen und auch keine Entschuldigung darstellen. Vielmehr handelt es sich bei den Arbeitszeitbestimmungen um gesetzliche Regelungen, welche nicht der Disposition des Arbeitgebers bzw. der Arbeitnehmer unterliegen. Die vom Berufungswerber ins Treffen geführte Interessensabwägung aber ist - wie die belangte Behörde schon richtig ausgeführt hat - im Arbeitszeitgesetz nicht vorgesehen.

Als Verschulden des Berufungswerbers ist jedenfalls Fahrlässigkeit aufgrund des § 5 Abs.1 VStG anzunehmen. Fahrlässigkeit liegt bei Ungehorsamsdelikten nur dann nicht vor, wenn der Täter glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Einen solchen Entlastungsnachweis konnte der Berufungswerber aufgrund seiner Berufungsausführungen nicht erbringen. Es hat nämlich der VwGH in ständiger Judikatur entschieden, daß es nicht darauf ankommt, daß der einzelne Arbeitnehmer an einer Überschreitung der Arbeitszeit keinen Anstoß nimmt und allenfalls sogar daran interessiert ist. Nach dem insofern eindeutig erkennbaren Normgehalt dieser Bestimmung ist vielmehr der Arbeitgeber verpflichtet, die Einhaltung der in Betracht kommenden Arbeitszeit durch den Arbeitnehmer zu ermöglichen, sie zu überprüfen und alle sonstigen (bei Ausnutzung aller tatsächlichen und rechtlich im konkreten Betrieb zur Verfügung stehenden Mittel) möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitszeit sicherzustellen. Es hat daher der Arbeitgeber den Nachweis zu erbringen, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Dabei ist die Tatsache der Bestellung einer verantwortlichen Person für sich allein noch nicht geeignet, die Schuldlosigkeit des Betriebsinhabers zu erweisen. Bedient sich jemand zur Einhaltung der ihn betreffenden Verwaltungsvorschriften anderer Personen, so trifft ihn die Verpflichtung, einerseits geeignete Personen damit zu betrauen und andererseits für die Überwachung dieser Personen alles vorzukehren, wodurch bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit der gesetzwidrige Erfolg hätte verhindert werden können; zu der zuletzt genannten Verpflichtung gehört - wenn es der Betriebsumfang nicht zuläßt, persönlich sämtlichen Überwachungsaufgaben nachzukommen - nicht nur die Einrichtung eines ausreichend dichten und zulänglich organisierten Netzes von Aufsichtsorganen, sondern auch dessen Überwachung (vgl. Hauer-Leukauf, Seite 766ff mwN).

Es hat aber der Berufungswerber weder ein funktionierendes Kontrollsystem noch sonstige Maßnahmen der Überwachung der Einhaltung der Arbeitszeiten behauptet und nachgewiesen. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Bei der Strafbemessung hat bereits die belangte Behörde auf die persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers Bedacht genommen und keine strafmildernden und keine straferschwerenden Umstände gefunden und berücksichtigt. Dennoch mußten vom O.ö. Verwaltungssenat zu einzelnen Fakten die Strafen herabgesetzt werden, weil zum einen das Ausmaß der täglichen Arbeitszeitüberschreitung bei den einzelnen Arbeitnehmern verschieden ist und zum anderen auch die fortgesetzte Tatbegehung zu den einzelnen Fakten unterschiedlich ist. Hinsichtlich einiger Arbeitnehmer kam es zu keiner fortgesetzten Tatbegehung. Es mußte daher im Hinblick auf den verschiedenen Unrechtsgehalt der Übertretungen (hinsichtlich der einzelnen Arbeitnehmer) eine verschieden hohe Geldstrafe festgesetzt werden. Zu den Fakten 3, 5, 6, 7, 9, 12, 17, 23 und 24 hingegen konnte das festgesetzte Ausmaß bestätigt werden.

Gemäß § 16 VStG ist aber für jede verhängte Geldstrafe eine gesonderte Ersatzfreiheitsstrafe festzulegen, welchem Erfordernis die belangte Behörde trotz ständiger Judikatur des VwGH und des O.ö. Verwaltungssenates, welcher schon mehrmals die Rechtswidrigkeit der Verhängung einer Gesamtstrafe bzw Gesamtersatzfreiheitsstrafe für mehrere Verwaltungsübertretungen festgestellt hat, nicht nachgekommen ist. Bei der nunmehrigen Festsetzung wurde das Verbot der reformatio in peius beachtet. Weitere für die Strafbemessung zu berücksichtigende Umstände wurden vom Berufungswerber nicht angeführt. Im Hinblick auf den vorgesehenen Strafrahmen von 300 S bis 6.000 S sind die nunmehr verhängten Geldstrafen nicht als überhöht zu werten und sind nunmehr als tat- und schuldangemessen zu bezeichnen. Hingegen konnte dem Antrag des Berufungswerbers auf Anwendung des § 21 VStG nicht stattgegeben werden, weil es an der wesentlichen Voraussetzung des geringfügigen Verschuldens fehlt. Ein solches würde nur dann vorliegen, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl Hauer-Leukauf, Seite 814 f mN).

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten