TE Vwgh Beschluss 2001/6/22 2001/13/0146

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Veröffentlicht am 22.06.2001
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §311 Abs2;
B-VG Art132;
UStG 1994 §21 Abs1;
UStG 1994 §21 Abs3;
UStG 1994 §21 Abs4;
VwGG §27 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, in den Beschwerdesachen des L P in W, vertreten durch Petsch, Frosch & Klein, Rechtsanwälte in Wien I, Eschenbachgasse 11, gegen die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Abgabensachen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Mit der zu 2001/13/0146 protokollierten, beim Verwaltungsgerichtshof am 15. Mai 2001 eingelangten Beschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde mit dem Vorbringen geltend, er habe am 2. Mai 2000 beim Finanzamt die - einen Vorsteuerüberschuss ausweisende - Umsatzsteuervoranmeldung für den Kalendermonat April 2000 überreicht und mangels Erledigung dieser Umsatzsteuervoranmeldung durch das Finanzamt am 6. November 2000 bei der belangten Behörde einen auf die Umsatzsteuervoranmeldung für den Kalendermonat April 2000 bezogenen Devolutionsantrag gestellt, welcher bis dato unerledigt geblieben sei.

Mit der zu 2001/13/0148 protokollierten, am 11. Mai 2001 zur Post gegebenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde über einen von ihm bei der belangten Behörde am 25. Oktober 2000 überreichten Devolutionsantrag hinsichtlich der am 6. April 2000 beim Finanzamt überreichten - einen Vorsteuerüberschuss ausweisenden - Umsatzsteuervoranmeldung für den Kalendermonat März 2000 geltend.

Diese Säumnisbeschwerden, welche der Verwaltungsgerichtshof ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges wegen zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden hat, erweisen sich als unzulässig:

Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG kann nach der Bestimmung des § 27 Abs. 1 VwGG in ihrer durch BGBl. I Nr. 158/1998 gestalteten Fassung erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Werden Bescheide der Abgabenbehörde erster Instanz der Partei nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen bekannt gegeben (§ 97), so geht nach § 311 Abs. 2 BAO auf schriftliches Verlangen der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz über. Für auf Grund von Abgabenerklärungen zu erlassende Bescheide (§§ 185 ff) beträgt die Frist ein Jahr.

Die im § 21 UStG 1994 geregelte Umsatzsteuervoranmeldung gilt nach § 21 Abs. 1 Satz 2 leg. cit. als Steuererklärung und ist demnach als Abgabenerklärung im Sinne des § 311 Abs. 2 BAO anzusehen (siehe Ritz, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, Tz 3 zu § 133 BAO). Mit dem Einlangen der Umsatzsteuervoranmeldung des Beschwerdeführers beim Finanzamt wurde eine Obliegenheit der Abgabenbehörde ausgelöst, entweder den angemeldeten Überschuss als Gutschrift zu verbuchen oder im Falle bestehender Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angemeldeten Vorsteuerüberschusses in ein Ermittlungsverfahren zur Erlassung eines Bescheides nach § 21 Abs. 3 UStG 1994 einzutreten (siehe das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, 99/13/0098). Aus dieser Obliegenheit resultierte eine Entscheidungspflicht des Finanzamtes nach § 311 BAO allerdings nur unter der Bedingung, dass das Finanzamt eine Verbuchung des angemeldeten Überschusses als Gutschrift verweigerte. Eine Verletzung dieser - in der aufgezeigten Weise bedingten - Entscheidungspflicht durch das Finanzamt war zufolge der Bestimmung des § 311 Abs. 2 Satz 2 BAO erst nach Ablauf der Frist eines Jahres nach Einlangen des Anbringens beim Finanzamt im Verwaltungsverfahren mit einem Devolutionsantrag verfolgbar.

Hätte damit nach § 27 Abs. 1 VwGG aber auch eine die belangte Behörde - mangels zwischenzeitig erfolgter Gutschriftsverbuchung angemeldeter Überschüsse - treffende Entscheidungspflicht über die gestellten Devolutionsanträge in zeitlicher Hinsicht erst nach Ablauf der Frist eines Jahres ab dem Einlangen der Devolutionsanträge bei der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgt werden können, welche Frist der Beschwerdeführer mit den vorliegenden Säumnisbeschwerden nicht abgewartet hat, so entzieht sich der vom Beschwerdeführer aus der Erstattung der Umsatzsteuervoranmeldungen geltend gemachte Entscheidungsanspruch seiner rechtlichen Besonderheit wegen einer Verfolgung mit dem Instrument der Säumnisbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof schon von vornherein aus folgenden Überlegungen:

Die Säumnisbeschwerde vermag insoweit nicht vor behördlicher Untätigkeit schlechthin zu schützen, als behördliche Realakte und faktische Amtshandlungen durch Beschwerde nach Art. 132 B-VG nicht erzwungen werden können (siehe Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, Linz 1983, 75, mit den dort gegebenen Nachweisen ebenso wie etwa auch den dem Beschwerdeführer des vorliegenden Falles gegenüber ergangenen hg. Beschluss vom 27. Februar 2001, 2001/13/0040, sowie die dort wiedergegebene Judikatur).

Der aus der Erstattung einer Umsatzsteuervoranmeldung nach § 21 Abs. 1 UStG 1994 dem Abgabepflichtigen erwachsende Bescheiderlassungsanspruch besteht, wie oben dargelegt, allein in dem Fall, dass die Abgabenbehörde eine Verbuchung des angemeldeten Überschusses als Gutschrift verweigert. Entschließt sich die Abgabenbehörde, einen angemeldeten Vorsteuerüberschuss anzuerkennen und ihn als Gutschrift zu verbuchen, fällt damit ihre Pflicht zur Bescheiderlassung weg. Die durch das Einlangen einer Umsatzsteuervoranmeldung ausgelöste behördliche Handlungspflicht besteht daher, abhängig vom Ergebnis der Prüfung der Voranmeldung entweder in einer Bescheiderlassung oder in der Setzung des Realaktes der Gutschriftsverbuchung. Zu einer Gutschriftsverbuchung fehlte dem Verwaltungsgerichtshof aber eine Zuständigkeit, weil er nach der oben angeführten Judikatur nur eine rechtsprechende Tätigkeit entfalten, nicht aber faktische Leistungen erbringen und Realakte setzen kann. Der Verwaltungsgerichtshof könnte damit der behördlichen Säumigkeit über eine Umsatzsteuervoranmeldung nur in einer der beiden denkmöglichen Erledigungsrichtungen, nämlich durch Erlassung eines Bescheides nach § 21 Abs. 3 UStG 1994, nicht aber durch Anerkennung eines angemeldeten Vorsteuerüberschusses mit dessen Verbuchung als Gutschrift auf dem Abgabenkonto des Abgabepflichtigen begegnen.

Dies erweist den aus der Erstattung einer Umsatzsteuervoranmeldung nach § 21 Abs. 1 UStG 1994 dem Abgabepflichtigen gegenüber der Abgabenbehörde erwachsenden Erledigungsanspruch mit dem Instrument der Säumnisbeschwerde als nicht verfolgbar. Gründe des Rechtsschutzes gebieten keine andere Betrachtungsweise, weil dem Abgabepflichtigen gegen behördliche Säumnis in der Erledigung erstatteter Umsatzsteuervoranmeldungen ohnehin das nach Ablauf des betroffenen Kalenderjahres durchzuführende Veranlagungsverfahren nach § 21 Abs. 4 UStG 1994 offen steht, in welchem er die in diesem Verfahren uneingeschränkt bestehende Entscheidungspflicht der Abgabenbehörde auch vor dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschwerde nach Art. 132 B-VG durchsetzen kann.

Es waren die vorliegenden Beschwerden deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen, was der Gerichtshof in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.

Wien, am 22. Juni 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001130146.X00

Im RIS seit

03.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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