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L66508 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
AgrVG §9 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/07/0022Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerden 1.) der RW in B, sowie 2.) der MM in B, beide vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen die Bescheide des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft je vom 5. Juli 2000, 1.) Zl. 711.103/3-OAS/00 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), 2.) Zl. 711.104/3-OAS/00 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), jeweils betreffend die Aufnahme in die Agrargemeinschaft B, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund jeweils Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Die Agrargemeinschaft B (im Folgenden: AG) lehnte mit Schreiben vom 27. März 1996 sowohl das Ansuchen der Erstbeschwerdeführerin als auch das Ansuchen der Zweitbeschwerdeführerin um Aufnahme in die AG ab. Nunmehr anwaltlich vertreten, wandten sich die Beschwerdeführerinnen jeweils mit Schriftsatz vom 22. August 1997 an die Agrarbezirksbehörde B (im Folgenden: ABB) und beantragten, die Stichtagsregelung in § 4 Z. 5 der Verwaltungs- und Nutzungssatzung der AG zu beheben und dem Antrag auf Aufnahme in die Mitgliederliste der AG stattzugeben.
Die ABB gab mit Bescheiden vom 18. November 1997 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin) bzw. vom 19. November 1997 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin) den Anträgen nicht statt; sie begründete dies damit, dass die Mutter der Erstbeschwerdeführerin bereits im Jahre 1976 bzw. der Vater der Zweitbeschwerdeführerin bereits im Jahr 1977 - und somit jeweils vor dem Stichtag 12. Dezember 1994 - verstorben sei. Die besagte Stichtagsregelung stelle aber keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes dar.
Die Beschwerdeführerinnen beriefen.
Mit Schriftsatz jeweils vom 9. Februar 2000 beantragten die Beschwerdeführerinnen den Übergang der Entscheidungspflicht über ihre Berufungen auf den Obersten Agrarsenat.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde unter Spruchpunkt 1. den Anträgen auf Übergang der Entscheidungspflicht statt. Unter Spruchpunkt 2. wurden die Berufungen der Beschwerdeführerinnen jeweils als unbegründet abgewiesen.
Die belangte Behörde begründete (den allein angefochtenen) Spruchpunkt 2. der angefochtenen Bescheide (im Wesentlichen übereinstimmend) damit, dass genehmigte Satzungen von Agrargemeinschaften nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in der Auswirkung der Rechtskraft ihres Genehmigungsbescheides nicht überprüft werden könnten und damit auch dann beachtlich seien, wenn sie gegen das Gesetz verstießen. Diese in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur einhellig bejahte Bindung aller Behörden sowie der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes an rechtskräftig genehmigte Satzungen von Agrargemeinschaften habe auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1994, B 2083/93, B 1545/94, unter Hinweis auf Judikate des Verwaltungsgerichtshofes anerkannt. Der Verfassungsgerichtshof habe im genannten Erkenntnis jedoch gemeint, die zu bejahende Bindung enthebe weder die Verwaltungsbehörden noch ihn von einer Untersuchung, mit welchem Text die Satzung dem Rechtsbestand angehöre und welcher normative Satzungsinhalt sich daraus ergebe. Da sich aus der vom Flurverfassungslandesgesetz verfügten Konstruktion der Organisation der Agrargemeinschaften unter Zuweisung öffentlicher Aufgaben an sie ergebe, dass für die sie konstituierenden Rechtsakte dieselben grundrechtlichen Schranken gelten würden, wie sonst für generelle staatliche Normen, müssten auch solche Satzungen dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen, weshalb diesem Verfassungsgebot zuwiderlaufende Satzungsbestimmungen mangels eines besonderen Normkontrollverfahrens als nichtig im Sinne des § 879 ABGB zu behandeln seien. Eine solche Nichtigkeit habe der Verfassungsgerichtshof im Fall seines zitierten Erkenntnisses in solchen Satzungsbestimmungen von Agrargemeinschaften erblickt, nach denen bei Töchtern von Mitgliedern während der Zeit ihrer Verheiratung die Mitgliedschaft ruhen sollte. Eine solche Satzungsvorschrift unterscheide zwischen Töchtern und Söhnen und damit zwischen Männern und Frauen, ohne dass für diese Diskriminierung der Frauen ein sachlicher Grund erkennbar wäre. Dass die Reduzierung oder die Verhinderung des Ansteigens der Anzahl der Mitglieder von Agrargemeinschaften erforderlich sei, möge sein, dürfe aber nicht durch die Ausgrenzung allein von Frauen erreicht werden, wenn hiefür jede sachliche Rechtfertigung fehle.
Nach Wiedergabe von § 4 (Erwerb der Mitgliedschaft) und § 6 (Ruhen der Mitgliedschaft) der mit Bescheiden der ABB vom 29. September 1969 und vom 11. November 1969 genehmigten Verwaltungs- und Nutzungssatzung verwies die belangte Behörde darauf, dass die von der AG in der außerordentlichen Vollversammlung vom 15. Dezember 1995 beschlossene Neufassung der Satzung mit Bescheid der ABB vom 9. Februar 1996 genehmigt worden sei. Diese Neufassung sei mit dem Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis vom 12. Dezember 1994 begründet worden.
Nach Zitierung des Wortlautes der § 3 (Mitgliedschaft) und § 4 (Erwerb der Mitgliedschaft) dieser Satzung führte die belangte Behörde weiter aus, der Verfassungsgerichtshof habe zum einen die Bindung der Verwaltungsbehörden und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes an das Regelwerk von Satzungen bejaht, zum anderen aber gleichzeitig den Verwaltungsbehörden ebenso den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes die Möglichkeit eröffnet, das Regelwerk, an welches die bejahte Bindung bestehe, auf seine Übereinstimmung mit dem Grundrechtskatalog, insbesondere auch hinsichtlich des Sachlichkeitsgebotes zu überprüfen und im Widerspruch zum Grundrechtskatalog befundene Teile des Regelungswerkes - ungeachtet der Rechtskraft des das gesamte Regelungswerk genehmigenden aufsichtsbehördlichen Bescheides - von der bejahten Bindungswirkung als ausgenommen zu betrachten. Die Erstbeschwerdeführerin sei am 26. Jänner 1931 geboren worden. Sie sei Tochter und Erbin eines (nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1963 neuerlich Mitglied gewordenen) Mitgliedes der AG, welches am 28. Juni 1976 verstorben sei. Die Zweitbeschwerdeführerin sei Tochter und Erbin eines Mitgliedes der AG, welches am 4. September 1977 verstorben sei.
Im erstangefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin stamme ehelich von einer Person ab, die zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung der Mitgliederliste die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Mitgliederliste erfüllt hätte (§ 4 lit. a der Satzung 1969). Der im Jahre 1963 verstorbene Vater habe nämlich alle Voraussetzungen für die Aufnahme in die ab 1969 genehmigte Mitgliederliste erfüllt. Die Satzung aus dem Jahr 1969 hätte der Erstbeschwerdeführerin bereits die Mitgliedschaft zur AG ermöglicht, weil die Erstbeschwerdeführerin durch die gleichheitswidrigen Bestimmungen dieser Satzung nicht berührt gewesen sei. Sie habe sich nämlich nicht auf die Abstammung nach ihrer Mutter berufen müssen, um eine Mitgliedschaft zur AG zu erwerben. Sie hätte sich vielmehr bereits auf § 4 lit. a der damals geltenden Fassung berufen können. Dass sie im zeitlichen Geltungsbereich der Satzung aus 1969 eine solche Mitgliedschaft nicht beantragt habe, sei ein zu ihren Lasten gehendes Versäumnis.
Die Erstbeschwerdeführerin habe erst im zeitlichen Anwendungsbereich der nunmehr geltenden Satzung aus 1996 einen Antrag auf Aufnahme in die AG gestellt. Dass sie in ihrem Anspruch auf Mitgliedschaft zur AG ihres Geschlechts wegen durch die nunmehr geltende Satzung diskriminiert werde, sei zum Zeitpunkt ihres Antrages auf Aufnahme in diese AG nicht der Fall gewesen.
Auch zur Zweitbeschwerdeführerin führte die belangte Behörde aus, bereits die mit Bescheid der ABB aus dem Jahr 1969 genehmigte Satzung sehe keine Diskriminierung vor, weil die Zweitbeschwerdeführerin ehelich von einem männlichen Mitglied der Agrargemeinschaft abstamme. Es wäre an ihr gelegen, im zeitlichen Anwendungsbereich der bis 1996 gültigen Satzung einen Antrag auf Aufnahme in die Mitgliederliste zu stellen, welche ihr aufgrund des Wortlautes der damals geltenden Satzung nicht zu verweigern gewesen wäre. Auf den vorliegenden Fall bezogen lägen keine diskriminierenden Vorschriften vor, weil die Zweitbeschwerdeführerin erst im zeitlichen Anwendungsbereich der nunmehr geltenden Satzung einen förmlichen Antrag bei der ABB auf Aufnahme in die AG gestellt habe. Dass sie in ihrem Anspruch auf Mitgliedschaft zur AG ihres Geschlechtes wegen durch die nunmehr geltende Satzung diskriminiert wäre, sei zum Zeitpunkt ihres Antrages auf Aufnahme in diese AG nicht der Fall gewesen.
Im Zusammenhang mit der in der geltenden Satzung enthaltenen Stichtagsregelung stellte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden fest, Stichtagsregelungen derart, dass der Eintritt von Rechtsfolgen daran geknüpft werde, dass zu einem bestimmten Tag ein bestimmter Sachverhalt verwirklicht gewesen sei, brächten ein Element des Zufälligen in der Auslösung von Rechtsfolgen mit sich, seien aber unverzichtbarer Bestandteil jedes Normsetzungsverfahrens. So habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass ein genereller Verstoß einer in einer Satzung enthaltenen Stichtagsregelung gegen das Sachlichkeitsgebot zur Verfolgung des auch im zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1994 als rechtens denkbar zu verfolgenden Zieles einer Verhinderung des Ansteigens der Anzahl der Mitglieder einer Agrargemeinschaft nicht erkannt werden könne. Diesen Fällen des Verwaltungsgerichtshofes seien auf die Jahre 1979 und 1982 bezogene Stichtagsregelungen zugrunde gelegen. Die ABB habe auch im hier zu beurteilenden Fall durch die in der Satzung der AG gewählte Stichtagsregelung zutreffend einen Grundrechtsverstoß gegenüber den Beschwerdeführerinnen verneint. Denn selbst bei Festsetzung eines in den Jahren 1979 oder 1982 gelegenen - vom Verwaltungsgerichtshof schon als zulässig erkannten - Stichtages für den Erwerb der Mitgliedschaft an der AG wären die Anträge der Beschwerdeführerinnen nicht erfolgreich gewesen, weil die Mutter der Erstbeschwerdeführerin bereits am 28. Juni 1976 bzw. der Vater der Zweitbeschwerdeführerin bereits am 4. September 1977 verstorben sei. Es werde in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1999, Zl. 99/07/0004, verwiesen.
Gegen Spruchpunkt 2. dieser Bescheide erhoben die Beschwerdeführerinnen jeweils Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschlüssen vom 28. November 2000, B 1457/00-3 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), B 1458/00-3 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), die Behandlung der Beschwerden ab und trat diese mit Beschlüssen vom 24. Jänner 2001, B 1457/00-5 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin) bzw. B 1458/00-5 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten die Beschwerdeführerinnen - im Wesentlichen gleichlautende - Beschwerdeergänzungen, in denen sie Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machten.
Die belangte Behörde erstattete je eine Gegenschrift, in der sie jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerdefälle erwogen:
1. Die Satzung der AG aus dem Jahr 1969, genehmigt mit Bescheiden vom 29. September bzw. 11. November 1969, lautete hinsichtlich der entscheidungswesentlichen Bestimmungen:
"§ 3
Mitgliedschaft
Mitglieder der Agrargemeinschaft Bürs sind die mit dem Tage des Inkrafttretens dieser Satzung in die Mitgliederliste aufgenommenen Personen. Diese ist aufgrund der bisher geltenden Statuten zu erstellen.
...
§ 4
Erwerb der Mitgliedschaft
Die Mitgliedschaft wird erworben durch Aufnahme in die Mitgliederliste. Der Anspruch auf Aufnahme in die Mitgliederliste wird, sofern die Voraussetzungen für die tatsächliche Ausübung von Nutzungsrechten gegeben sind, begründet durch:
a) eheliche Abstammung von einem männlichen Mitglied (§ 3) oder von einer Person, die zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung der Mitgliederliste die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste erfüllt hätte.
...
In allen Fällen bildet die Mitgliedschaft oder der Anspruch auf Aufnahme in die Mitgliederliste des Vaters die Voraussetzung für die Anerkennung des Anspruches auf Aufnahme des Kindes.
b) Heirat mit einem männlichen Mitglied. Witwen aus einer solchen Ehe behalten für die Dauer ihres Witwenstandes die Mitgliedschaft.
§ 6
Ruhen der Mitgliedschaft
Die Mitgliedschaft ruht:
...
b) bei Töchtern von Mitgliedern während der Zeit der Verheiratung."
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der Satzung 1996, genehmigt mit Bescheid der ABB vom 9. Februar 1996, lauten wie folgt:
"§ 3
Mitgliedschaft
Mitglieder der Agrargemeinschaft sind die von der Agrargemeinschaft in die aktuelle Mitgliederliste mit Stichtag vom 12. Dezember 1994 erfassten nutzungsberechtigten Personen, sowie jene Personen, die gemäß den Bestimmungen dieser Satzung von der Agrargemeinschaft als Mitglieder aufgenommen werden.
...
§ 4
Erwerb der Mitgliedschaft
1. Die Mitgliedschaft wird erworben durch Aufnahme in die Mitgliederliste. Voraussetzungen für die Aufnahme in die Mitgliederliste sind:
a)
Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft
b)
ständiger Wohnsitz in Bürs
c)
Führung eines eigenen Haushaltes ...
d)
direkte Abstammung von einem Mitglied (Vater/Mutter; Sohn/Tochter).
...
5. Mitglieder im Sinne dieser Satzung sind daher die in der Mitgliederliste (laut Mitgliedsbuch) geführten, namentlich bezeichneten Personen zum Stichtag 12. Dezember 1994.
6. Der Antrag auf Zuerkennung der Mitgliedschaft ist schriftlich zu stellen und ordnungsgemäß und schlüssig zu belegen. Der Beschluss gilt rückwirkend mit dem Tage des Einlangens des den Erfordernissen entsprechenden Antrages bzw. ab dem Zeitpunkt, ab dem die Aufnahme statutengemäß möglich ist."
2. In den Beschwerden wird unter anderem darauf hingewiesen, dass - entgegen den Feststellungen der belangten Behörde - die Antragstellung auf Aufnahme in die AG durch die Beschwerdeführerinnen zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, in dem die mit Bescheid der ABB vom 9. Februar 1996 genehmigte neue Satzung 1996 noch nicht in Kraft gestanden sei. Damit beziehen sich die Beschwerdeführerinnen auf ihre Antragstellung an die AG. Die (allein verfahrensgegenständlichen) Anträge an die ABB (u.a.) auf Aufnahme in die AG wurden jedoch beide erst am 22. August 1997, somit im zeitlichen Geltungsbereich der Satzung 1996, gestellt, sodass hinsichtlich der Entscheidung der Agrarbehörden nicht von einem Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Dispositionsschutz oder von einer Verschlechterung der rechtlichen Situation der Beschwerdeführerinnen während eines anhängigen Verfahrens gesprochen werden kann.
3. Die belangte Behörde stellte fest, beide Beschwerdeführerinnen hätten bereits während des zeitlichen Geltungsbereiches der Satzung des Jahres 1969 Mitglied der Agrargemeinschaft werden können. Beide Beschwerdeführerinnen hätten die Voraussetzungen der Satzung aus dem Jahr 1969 für die Aufnahme in die AG erfüllt, aber im zeitlichen Geltungsbereich der Satzung 1969 eine Aufnahme versäumt. Am Stichtag 12. Dezember 1994 sei aber in der Mitgliederliste der AG kein Aszendent der Beschwerdeführerinnen (mehr) eingetragen gewesen, weil diese bereits weit zuvor verstorben gewesen seien. Personen, egal welchen Geschlechtes, die zwar die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft nach der Satzung 1969 erfüllt, eine Aufnahme aber versäumt hätten und nun die Voraussetzungen der Satzung 1996 (insbesondere die der Stichtagsregelung des § 4 Z. 5) nicht erfüllten, könnten nach der geltenden Satzung keine Mitgliedschaft an der AG erwerben.
3.1. Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin, die ihren Mitgliedschaftsanspruch von ihrem 1977 verstorbenen Vater, der Mitglied der AG war, ableitete, trifft diese rechtliche Beurteilung zu. Der im Fall der Zweitbeschwerdeführerin unbestritten festgestellte Sachverhalt (Vater war ein 1977 verstorbenes Mitglied der AG, Zuerkennung der Mitgliedschaft im Geltungsbereich der Satzung 1969 nicht erfolgt) unterscheidet sich im Übrigen in diesen entscheidungswesentlichen Punkten nicht von demjenigen, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1999, Zl. 99/07/0004, zugrunde lag; auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Aus den dort ausführlich dargestellten Gründen war daher die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Eine solche Parallele kann im Fall der Erstbeschwerdeführerin hingegen - aus im Folgenden dargestellten Gründen - nicht so leicht gezogen werden.
Vorauszuschicken ist, dass es im Fall der Erstbeschwerdeführerin dahin stehen kann, ob die als diskriminierend erachteten Satzungsbestimmungen der alten Satzung 1969 als (mit Wirkung) ex tunc vernichtet und damit als nie dem Rechtsbestand angehörend verstanden werden müssen oder ob von der Gültigkeit dieser Bestimmungen bis zur Genehmigung der neuen Satzung 1996 auszugehen ist. Bei beiden Betrachtungsweisen ergibt sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Fall der Erstbeschwerdeführerin das gleiche Ergebnis.
3.2.1. Geht man in ihrem zeitlichen Geltungsbereich von der Gültigkeit der gesamten Satzung 1969, also auch deren diskriminierender Bestimmungen, aus, ergibt sich im Fall der Erstbeschwerdeführerin nämlich Folgendes:
Nach den unbestrittenen Feststellungen im erstangefochtenen Bescheid verstarb der Vater der Erstbeschwerdeführerin, ein Mitglied der AG, bereits 1963, zu diesem Zeitpunkt wurde ihre Mutter wieder Mitglied der AG. Die belangte Behörde vertrat nun die Ansicht, die Erstbeschwerdeführerin könne aus der Mitgliedschaft ihres Vaters, der "alle Voraussetzungen für die Aufnahme in die ab 1969 genehmigte Mitgliederliste erfüllt hätte", ihren Mitgliedschaftsanspruch ableiten (§ 4 lit. a - wohl zweiter Fall - der Satzung 1969). Damit übersieht die belangte Behörde aber, dass der zweite Fall der lit. a) schon deshalb nicht auf den Vater der Erstbeschwerdeführerin angewandt werden kann, weil er Mitglied (§ 4 lit. a erster Fall) der AG war und schon aus diesem Grund gar nicht in die zweite Personengruppe, die bestimmte Nichtmitglieder bezeichnet, fallen hätte können.
§ 4 lit. a zweiter Fall der Satzung 1969 kann aber auf (vor 1969) verstorbene Mitglieder auch deshalb nicht zutreffen, weil diese "im Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung der Mitgliederliste" (das war 1969) die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste erfüllen müssten; dies ist angesichts des Erfordernisses, auch die Voraussetzungen für die tatsächliche Ausübung von Nutzungsrechten erfüllen zu müssen (§ 4 erster Satz) schon deshalb nicht möglich, weil dazu u.a. ein ordentlicher Wohnsitz in B. und die Führung eines eigenen Haushaltes zählen.
§ 4 lit. a erster Fall der Satzung 1969 verweist nun auf § 3 und auf die Personengruppe, die dort als Mitglieder der AG umschrieben wurden; demnach waren Mitglieder der AG die "mit dem Tag des Inkrafttretens dieser Satzung in die Mitgliederliste aufgenommenen Personen." Die Satzung trat 1969 in Kraft. Nur dann, wenn der Vater der Erstbeschwerdeführerin, der bereits 1963 verstorben war, auch 1969 (noch immer) in die Mitgliederliste aufgenommen war, hätte die Erstbeschwerdeführerin von ihm direkt einen Mitgliedschaftsanspruch, dann aber gestützt auf § 4 lit. a erster Fall und § 4 letzter Satz der Satzung 1969, ableiten können.
Sollte der Vater der Erstbeschwerdeführerin aber 1969 nicht mehr in der Mitgliederliste aufgeschienen sein, sondern nur mehr ein Mitgliedschaftsrecht ihrer Mutter auf Grund deren Witwenstandes bestanden haben, so wäre daraus für die Erstbeschwerdeführerin kein Mitgliedschaftsanspruch ableitbar, weil nach dem letzten Satz des § 4 lit. a der Satzung 1969 aus einer solchen Mitgliedschaft einer Witwe keine weiteren Mitgliedschaftsrechte abgeleitet werden konnte, wird doch dort ausdrücklich festgehalten, dass in allen Fällen die Mitgliedschaft oder der Anspruch auf Aufnahme in die Mitgliederliste (nur) des Vaters die Voraussetzung für die Anerkennung des Anspruches auf Aufnahme des Kindes bildet. In diesem Fall hätte die Erstbeschwerdeführerin auch im zeitlichen Geltungsbereich der Satzung 1969 keinen Mitgliedschaftsanspruch von ihren Eltern ableiten können.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher - unter der vorhin genannten Prämisse der Anwendbarkeit der gesamten Satzung 1969 - die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde hinsichtlich des Mitgliedschaftsanspruches der Erstbeschwerdeführerin im zeitlichen Geltungsbereich der Satzung 1969 nicht. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin entweder direkt von ihrem Vater ein solches Recht ableiten hätte können - diesfalls läge ein dem Fall der Zweitbeschwerdeführerin vergleichbarer Sachverhalt vor - oder dass ihr ein solcher Anspruch überhaupt nicht zugekommen wäre.
Auch im zweiten Fall (kein Mitgliedschaftsrecht) hätte dieses rechtliche Schicksal aber mit dem Geschlecht der Erstbeschwerdeführerin nichts zu tun. Auch Söhnen von 1963 verstorbenen, nicht in der Mitgliedsliste 1969 eingetragenen männlichen Mitgliedern wäre kein Anspruch auf Mitgliedschaft im Geltungsbereich der Satzung 1969 zugekommen. Die Satzung 1969 enthielt in § 4 nämlich Diskriminierungen nicht hinsichtlich potentieller Aufnahmewerber, sondern hinsichtlich weiblicher Mitglieder von Agrargemeinschaften insofern, als aus deren Mitgliedschaft ihre Nachfahren beiderlei Geschlechts keinen Anspruch auf Zuerkennung der Mitgliedschaft an sie ableiten konnten. Eine Diskriminierung der Erstbeschwerdeführerin wegen ihres Geschlechtes wäre aber daraus nicht unmittelbar abzuleiten (vgl. zu einer ähnlichen Bestimmung das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/07/0148). Selbst unter der Prämisse der Geltung auch der diskriminierenden Satzungsbestimmungen bis zur Änderung durch die Satzung 1996 läge daher kein Sachverhalt vor, der eine Diskriminierung der Erstbeschwerdeführerin auf Grund ihres Geschlechtes zum Gegenstand hat.
3.2.2. Wäre die alte Satzung 1969 nun aber bereinigt zu lesen und der Erstbeschwerdeführerin daher die Ableitung eines Mitgliedschaftsanspruches auch von ihrer Mutter im zeitlichen Geltungsbereich der Satzung 1969 möglich gewesen, läge ebenfalls ein dem Fall der Zweitbeschwerdeführerin (bzw. ein dem dem hg. Erkenntnis vom 25. November 1999, Zl. 99/07/0004, zugrundeliegenden Beschwerdefall) vergleichbarer Sachverhalt vor. Auch in diesem Fall hätte der Umstand, dass der Erstbeschwerdeführerin die Mitgliedschaft an der AG nicht zuerkannt wurde, mit Normen Frauen diskriminierenden Inhaltes nichts zu tun.
4. Bei jeder der unter 3.2. genannten Betrachtungsweisen ergibt sich somit, dass - wie im Fall der Zweitbeschwerdeführerin -
kein Sachverhalt vorliegt, in dem Rechte der Erstbeschwerdeführerin unmittelbar durch Frauen diskriminierende Normen beeinträchtigt wurden. Selbst dann, wenn die Beschwerdeführerinnen männlichen Geschlechtes wären, hätte die Entscheidung der belangten Behörde nicht anders lauten können. Alle Ausführungen der Beschwerdeführerinnen zum demnach ihrer Ansicht nach weiterhin von der AG verfolgten Ziel, Frauen zu diskriminieren bzw. eine bestehende Diskriminierung durch die Stichtagsregelung fortzuschreiben, gehen daher bereits sachverhaltsmäßig an der Sache vorbei. Es genügt in diesem Zusammenhang gemäß § 43 Abs. 2 VwGG neuerlich auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. November 1999, Zl. 99/07/0004, zu verweisen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Grund, aus Anlass der vorliegenden Beschwerden von dieser Beurteilung abzugehen. Dies gilt auch für die rechtliche Beurteilung der Stichtagsregelung der Satzung 1996, deren Unbedenklichkeit der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten Vorerkenntnis vom 25. November 1999 ausdrücklich ausgesprochen hat.
5. Die Durchführung der von den Beschwerdeführerinnen jeweils beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war schon deswegen entbehrlich, weil die angefochtenen Entscheidungen vom Obersten Agrarsenat und damit einem Tribunal im Sinne des Art. 6 MRK stammen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1987, VfSlg. 11.569, und die dort angeführte Judikatur des EGMR), dessen Verhandlungen nach § 9 Abs. 1 AgrVG öffentlich sind (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1998, Zl. 97/07/0219).
6. Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 25. Juni 2001
Schlagworte
Befangenheit der Mitglieder von Kollegialbehörden Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Verhältnis zu anderen Materien und Normen VwGGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001070021.X00Im RIS seit
23.01.2002