Index
L66508 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
FlVfGG §15;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der HE in F, vertreten durch Achammer, Mennel, Welte und Partner, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, Schlossgraben 10, gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 3. Mai 2000, Zl. 711.090/3-OAS/00, betreffend Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem an die Agrargemeinschaft Altgemeinde A (im Folgenden kurz: AG) gerichteten Schreiben vom 15. September 1995 ersuchte die Beschwerdeführerin, sie als nutzungsberechtigtes Mitglied der AG rückwirkend auf das Jahr 1964 anzuerkennen. Mit Schreiben vom 7. November 1995 antwortete die AG, dass sie durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gezwungen sei, ihre Satzung zu ändern. Diese Satzungsänderung werde längere Zeit in Anspruch nehmen, sodass das Ansuchen der Beschwerdeführerin zurückgestellt werden müsse.
Mit einem weiteren, an die AG gerichteten Schreiben vom 26. Jänner 1996 kündigte die Beschwerdeführerin einen auf die §§ 35 und 84 des Vorarlberger Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LGBl. Nr. 2/1979 idgF (im Folgenden kurz: FLG) gestützten Feststellungsantrag bei der Agrarbezirksbehörde B (im Folgenden kurz: ABB) an, um eine positive Erledigung ihres Ansuchens an die AG zu erwirken. Mit Schreiben vom 6. März 1996 ersuchte die AG die Beschwerdeführerin um Geduld, da die Ausarbeitung der Satzungsänderung noch etwas Zeit in Anspruch nehmen werde.
Mit einem an die ABB gerichteten Schreiben vom 3. Mai 1996 beantragte die Beschwerdeführerin, die ABB wolle bescheidmäßig feststellen, dass sie seit dem 1. Jänner 1964 ununterbrochen nutzungsberechtigtes Mitglied der AG sei.
Mit Schreiben vom 11. Dezember 1996 erkannte die AG der Beschwerdeführerin die Mitgliedschaft sowie die Nutzungsteilnahme an der AG ab Oktober 1996 zu.
Mit Schreiben vom 30. Mai 1997 ersuchte die Beschwerdeführerin die ABB erneut um bescheidmäßige Feststellung der nutzungsberechtigten Mitgliedschaft, nunmehr für den Zeitraum vom 1. Jänner 1964 bis September 1996. Zum damaligen Zeitpunkt hätte nach allgemeiner Übung das Mitgliedschaftsrecht verheirateter weiblicher Mitglieder geruht, weshalb ein Aufnahmeersuchen von vornherein abgelehnt worden wäre; daher habe sie damals kein solches gestellt.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 1997 gab die ABB dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der nutzungsberechtigten Mitgliedschaft an der AG für den Zeitraum vom 1. Jänner 1964 bis September 1996 gemäß § 35 FLG in Verbindung mit den §§ 3 und 10 der Satzung der AG nicht statt.
Gegen diesen Bescheid der ABB erhob die Beschwerdeführerin Berufung an den Landesagrarsenat beim Amt der Vorarlberger Landesregierung (im Folgenden kurz: LAS) und wiederholte im Wesentlichen ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren. Sie stellte abschließend den Antrag, der LAS möge feststellen, dass sie vom 1. Jänner 1964 bis zum 30. September 1996 nutzungsberechtigtes Mitglied der AG gewesen sei.
Mit Bescheid vom 19. Mai 1998 gab der LAS der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 35 FLG und den §§ 3, 4 und 34 der Satzung der AG, zuletzt genehmigt mit Bescheiden der ABB vom 15. Juli 1996 und 9. Oktober 1997, teilweise Folge. Der angefochtene Bescheid der ABB wurde vom LAS insoferne abgeändert, als der Beschwerdeführerin die Mitgliedschaft an der AG vom 8. Mai 1996 bis September 1996 zuerkannt wurde.
In ihrer Berufung an die belangte Behörde beantragte die Beschwerdeführerin, dass der angefochtene LAS-Bescheid abgeändert und ihr die Mitgliedschaft an der AG seit dem Jahre 1964 (1. Jänner) zuerkannt werde. In eventu möge der angefochtene LAS-Bescheid dergestalt abgeändert werden, dass ihr die Mitgliedschaft an der AG zumindest auch für den Zeitraum 21. September 1995 bis September 1996 zuerkannt werde.
Die belangte Behörde wies unter Spruchpunkt 1. den Berufungsantrag der Beschwerdeführerin, ihr die Mitgliedschaft an der AG seit dem 1. Jänner 1964 zuzuerkennen, als unbegründet ab; in Stattgebung des Eventualantrages der Beschwerdeführerin änderte sie in Spruchpunkt 2. den Spruch des Bescheides des LAS gemäß § 1 AgrVG 1950 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG und § 84 FLG ab, sodass er nunmehr zu lauten habe, dass die Beschwerdeführerin seit dem 21. September 1995 Mitglied der AG sei. Die Aufnahme der Beschwerdeführerin in die Mitgliederliste der AG obliege der ABB.
Nach Wiedergabe des Inhaltes des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1994, B 2083/93, B 1545/94, und der wesentlichen Satzungsbestimmungen über die Mitgliedschaft bei der AG wurde dies damit begründet, es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführerin die Mitgliedschaft zur AG zuerkannt werde. Es gehe lediglich um die Frage, ab welchem Zeitpunkt diese zuerkannt werden sollte. Die Beschwerdeführerin sei der Ansicht, dass im vorliegenden Fall eine diskriminierende Satzungsvorschrift durch eine andere diskriminierende Satzungsvorschrift ersetzt worden sei. Den in der Berufungsschrift enthaltenen Ausführungen wider die Diskriminierung der Frau fehle es aber an einem Sachverhalt, der geeignet wäre, diesen Ausführungen Berechtigung zuzuerkennen. Dass die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf Mitgliedschaft zur AG ihres Geschlechtes wegen durch die Satzung vom 15. Juli 1996 diskriminiert wäre, sei nicht zu erkennen. In § 34 Z. 3 lit. a der Satzung werde nämlich auch von dem Erfordernis der Abstammung von einem männlichen Mitglied zum Erwerb der Mitgliedschaft Abstand genommen. Eine Diskriminierung habe diese Satzungsfassung nicht hinsichtlich potenzieller Aufnahmewerber enthalten, sondern nur hinsichtlich weiblicher Mitglieder der AG insofern, als ihre Nachfahren, welchen Geschlechtes immer, aus ihrer Mitgliedschaft keinen Anspruch auf Zuerkennung der Mitgliedschaft an sie ableiten hätten können. Somit wäre damals auch ein männlicher Aufnahmewerber mit seinem Anspruch auf Zuerkennung der Mitgliedschaft gescheitert, wenn er seine Abstammung nicht von einem männlichen, sondern von einem weiblichen Mitglied der AG abgeleitet hätte.
Damit sei jedoch im § 34 Z. 3 der geltenden Satzung sowohl für männliche als auch für weibliche Aufnahmewerber eine völlige Gleichstellung erreicht. Für beide Geschlechter gelte die im § 34 Z. 3 der geltenden Satzung angeführte Antragsbeschränkung. Ebensolches habe für den im § 10 der geltenden Satzung normierten Ausschluss der rückwirkenden Teilnahme an den tatsächlichen Nutzungen oder einen Barersatz für solche Nutzungsansprüche zu gelten. Auch habe für potenzielle Aufnahmewerber beiderlei Geschlechtes § 4 Z. 3 der geltenden Satzung Gültigkeit, wonach der Beschluss auf Zuerkennung der Mitgliedschaft in allen Fällen rückwirkend mit dem Tage der Antragstellung beginne. Hinsichtlich potenzieller Aufnahmewerber sei die geltende Satzung somit nicht auf Grund des Geschlechtes diskriminierend.
Der Umstand, dass Rechtswirkungen der Aufnahme rückwirkend erst mit Antragstellung einträten, könne nicht als Verstoß gegen den Grundrechtskatalog angesehen werden. Ebensolches habe für eine Befristung der Antragstellung zu gelten. Der Eintritt rechtsgestaltender Wirkungen erst mit dem Tag der Antragstellung erweise sich im Rahmen einer Normsetzung bei Satzungen von Agrargemeinschaften als völlig unbedenklich. Ebenso sei die Befristung einer Antragstellung ein Instrument, das sich zur Verfolgung des auch im mehrfach zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1994 als rechtens denkbar zu verfolgenden Zieles einer Verhinderung des Ansteigens der Anzahl der Mitglieder einer Agrargemeinschaft als mit dem Sachlichkeitsgebot in Einklang stehend erweise.
Ein Eventualantrag sei im Verwaltungsverfahren nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchaus zulässig; das Wesen eines solchen Antrages liege darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt werde, dass der Primärantrag erfolglos bleibe. Der primäre Berufungsantrag, die Mitgliedschaft an der AG sei seit dem 1. Jänner 1964 zuzuerkennen, erweise sich als unbegründet. Dem gegenüber sei der Eventualantrag, wonach der Beschwerdeführerin zumindest auch für den Zeitraum 21. September 1995 bis September 1996 die Mitgliedschaft an der AG zuerkannt wäre, berechtigt. Die Beschwerdeführerin habe bereits mit Schreiben vom 15. September 1995 ein als Antrag im Sinne der Satzung zu wertendes Ansuchen gestellt, das laut Schreiben der AG vom 17. November 1995 spätestens am 21. September 1995 bei dieser eingelangt sein müsste. Der Beschwerdeführerin stehe daher gemäß den Bestimmungen der geltenden Satzung die Mitgliedschaft zur AG ab 21. September 1995 zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht "auf rechtskonforme Erledigung ihres Ansuchens auf Feststellung ihrer nutzungsberechtigten Mitgliedschaft an der AG seit 1. Jänner 1964" und auf "gesetzeskonforme Anwendung der bezughabenden Satzungsbestimmungen dahingehend, dass die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin auf der Grundlage der im Jahre 1963/64 in Geltung gestandenen Satzung festzustellen ist", verletzt.
Die Beschwerdeführerin macht vor allem geltend, sie habe einen Antrag auf bescheidmäßige Feststellung ihres Mitgliedsrechtes seit dem 1. Jänner 1964 gestellt; für die Beurteilung dieses Feststellungsantrages sei nicht die Satzungslage 1989 oder im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde in Kraft stehende Satzung maßgeblich, sondern es sei die Satzung aus dem Jahre 1960, bereinigt um die damals diskriminierende Übung gegenüber Personen weiblichen Geschlechtes, heranzuziehen und es sei daher davon auszugehen, dass sie durch ihre Verehelichung und Gründung eines eigenen Hausstandes in F Mitglied der AG geworden sei. Gemäß § 6 Z. 1 lit. c der Satzung 1989 ruhe mit dem Ehestand eine an sich bestehende Mitgliedschaft, und zwar lediglich im Hinblick auf weibliche Mitglieder. Diese Bestimmung sei eindeutig diskriminierend und gelte daher als nicht bestehend, weshalb in Bezug auf die Beschwerdeführerin die Mitgliedschaft eo ipso durch Heirat und Hausstandsgründung spätestens seit 1. Jänner 1964 gegeben gewesen sei. Die belangte Behörde irre, wenn sie die mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde vom 15. Juli 1996 genehmigte Satzung (in der mit Bescheid vom 9. Oktober 1997 geänderten Fassung) dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt habe.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Zuge eines im Jahre 1959 eingeleiteten Regulierungsverfahrens für die AG wurde von der ABB mit Bescheid vom 13. Juni 1960 eine Verwaltungssatzung (in weiterer Folge: Satzung 1960) genehmigt. Die Aufnahme als Mitglied war wie folgt geregelt:
"§ 3
Mitglieder der Agrargemeinschaft sind die nach derzeitigen Rechten und Übungen nutzungsberechtigten Personen, sei das Recht ein persönliches oder an einen Besitz gebunden. Die Nutzungsübung durch die Mitglieder der Agrargemeinschaft erfolgt weiterhin nach den derzeitigen bestehenden Rechten und Übungen."
Weitere Bestimmungen über die Aufnahme von Mitgliedern enthält diese Verwaltungssatzung nicht. Art. 4 Abs. 1 des oben genannten Regulierungs- und Hauptteilungsbescheides vom 13. Juni 1960 bestimmte jedoch, dass der Ausschuss innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft dieses Bescheides der ABB sämtliche für die Weiterführung und den Abschluss dieses Regulierungsverfahrens erforderlichen Unterlagen vorzulegen habe. Dazu gehöre insbesondere die endgültige Verwaltungssatzung einschließlich der Bestimmungen über Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft zur Agrargemeinschaft sowie über den Umfang und das Ausmaß der Nutzungsansprüche der Mitglieder an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken.
Erst 1989 wurde eine solche Satzung beschlossen und mit Bescheid der ABB vom 26. Mai 1989 genehmigt (in weiterer Folge: Satzung 1989). Der Erwerb der Mitgliedschaft war folgendermaßen geregelt:
"§ 3
Besitz der Mitgliedschaft
Mitglieder der Agrargemeinschaft sind von der Agrarbezirksbehörde B mit Bescheid vom ......, Zl. .......... gemäß § 55 Flurverfassungsgesetz als Parteien festgestellte nutzungsberechtigte Personen sowie jene Personen, die gemäß den Bestimmungen dieser Satzung von der Agrargemeinschaft als Mitglieder aufgenommen werden."
Ein solcher Feststellungsbescheid über die (nutzungsberechtigten) Mitglieder der AG findet sich weder im vorgelegten Verwaltungsakt, noch nehmen die Agrarbehörden oder die Beschwerdeführerin in irgendeiner Form darauf Bezug. Sowohl der LAS als auch die belangte Behörde zitieren diese Bestimmung der Satzung 1989 in einer Fassung, in der die Worte "vom" und die Bezeichnung "Zl." aus dem wiedergegebenen Text eliminiert werden und nur allgemein von "von der Agrarbezirksbehörde B mit Bescheid gemäß § 55 Flurverfassungsgesetz als Parteien festgestellte Personen" die Rede ist. Dass ein solcher Bescheid überhaupt erlassen wurde und um welchen Bescheid es sich dabei handelt, geht aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten nicht hervor.
Der Verwaltungsgerichtshof geht daher auf Grund des ihm vorliegenden Akteninhaltes davon aus, dass ein derartiger Bescheid mit abschließender Aufzählung der (damaligen) Mitglieder nicht dem Rechtsbestand angehört und eine auf den genannten Bescheid der ABB bezogene "Stichtagsregelung" hinsichtlich der Mitgliedschaft in der Satzung 1989 nicht enthalten war.
Die weiteren Bestimmungen der Satzung 1989, soweit sie für den vorliegenden Fall von Interesse sind, lauteten:
"§ 4
Erwerb der Mitgliedschaft
1. Der Ausschuss hat die Mitgliedschaft unter der Bedingung zuzuerkennen, wenn die Bewerber(-innen) die Voraussetzungen für einen Holzbezug nach § 11 dieser Satzung erfüllen.
a) Bewerbern ohne Unterschied des Geschlechtes, die ihre eheliche Abstammung (gerade Linie 1. Grad) von einem männlichen Mitglied oder von einer Person nachweisen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Satzung die Voraussetzungen erfüllt hätte, der aber die Mitgliedschaft nicht zuerkannt wurde.
b) Bei Bewerber(-innen) mit unehelicher Abstammung müssen beide Elternteile die Voraussetzungen nach lit. a erfüllen.
c) Bewerberinnen, die nicht unter lit. a fallen, vom Zeitpunkt und auf die Dauer ihrer Witwenschaft nach einem verstorbenen männlichen Mitglied.
2.
.....
3.
.....
4.
Der Antrag auf die Zuerkennung der Mitgliedschaft ist schriftlich zu stellen und ordnungsgemäß zu belegen. Der Beschluss gilt in allen Fällen rückwirkend mit dem Tag der Antragstellung.
§ 6
Ruhen der Mitgliedschaft
1. Die Mitgliedschaft ruht:
...
c) bei weiblichen Mitgliedern während der Dauer ihres Ehestandes.
2. Während des Ruhens der Mitgliedschaft sind die Rechte und Pflichten eines Mitgliedes ausgesetzt.
3. Wenn die für das Ruhen maßgebenden Gründe wegfallen, lebt die Mitgliedschaft wieder auf und zwar hinsichtlich der Verwaltungsrechte mit dem Zeitpunkt der schriftlichen Bekanntgabe des Wegfalls der Ruhegründe, hinsichtlich der Nutzungsrechte mit Beginn des auf die Bekanntgabe folgenden Wirtschaftsjahres.
§ 11
Teilnahme
Die Voraussetzungen für den Holzbezug sind
a)
Der ordentliche Wohnsitz in F. ....
b)
Die Führung eines eigenen Haushaltes. ...
c)
Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für den Holzbezug obliegt dem Nutzungswerber."
Eine neu erstellte Satzung der AG wurde mit rechtskräftigem Bescheid der ABB vom 15. Juli 1996, ihre jüngste Satzungsänderung mit rechtskräftigem Bescheid der ABB vom 9. Oktober 1997 genehmigt (in weiterer Folge: Satzung 1996). Die wesentlichen Bestimmungen über die Mitgliedschaft lauten seither wie folgt:
"§ 3
Besitz der Mitgliedschaft
Mitglieder der Agrargemeinschaft sind diejenigen nutzungsberechtigten Personen, welche in der Mitgliederliste, die in der Verwaltungskanzlei der Agrargemeinschaft aufliegt, zum Stichtag 12. Dezember 1994 aufscheinen, sowie jene Personen, die gemäß den Bestimmungen dieser Satzung in die Mitgliederliste aufgenommen werden.
§ 4
Erwerb der Mitgliedschaft
1. Die Mitgliedschaft wird erworben durch Aufnahme in die Mitgliederliste. Der Ausschuss hat die Mitgliedschaft unter der Bedingung zuzuerkennen, wenn die Bewerber(-innen):
a) die Voraussetzungen für den Holzbezug nach § 11 dieser Satzung erfüllen,
b)
im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft sind,
c)
und direkt von einem Mitglied (Sohn oder Tochter) abstammen,
d)
ununterbrochen nicht länger als 25 Jahre außerhalb der Altgemeinde A (KG A und N) ihren Wohnsitz hatten.
Anwesenheitszeiten von weniger als einem Jahr unterbrechen diese Frist nicht. Unmittelbar vorausgegangene Abwesenheitszeiten der Vorfahren sind mit zu berücksichtigen.
2.
Namensgebung ersetzt die Abstammung nicht.
3.
Der Antrag auf die Zuerkennung der Mitgliedschaft ist schriftlich zu stellen und ordnungsgemäß zu belegen. Der Beschluss gilt in allen Fällen rückwirkend mit dem Tage der Antragstellung.
4. Pro Haushalt kann nur eine Mitgliedschaft ausgeübt werden; bei Nichteinigung zwischen den Mitgliedern eines gemeinsamen Haushaltes über die Ausübung ruht das Nutzungsrecht.
......
§ 10
Beginn
Das Recht auf Nutzungsteilnahme entsteht mit Beginn des dem Tage der Wirksamkeit der Mitgliedsaufnahme oder der Beendigung des Ruhens einer Mitgliedschaft folgenden Wirtschaftsjahres.
Eine rückwirkende Teilnahme an den tatsächlichen Nutzungen oder ein Barersatz für solche Nutzungsansprüche ist ausgeschlossen.
§ 34
Inkrafttreten der Übergangsbestimmungen
1. Diese Satzung wird mit Rechtskraft der aufsichtsbehördlichen Genehmigung wirksam.
2.
Gleichzeitig tritt die bisherige Satzung außer Kraft.
3.
Wer auf Grund von Bestimmungen früherer Satzungen, wonach
a) nur die Abstammung von einem männlichen Mitglied den Erwerb der Mitgliedschaft ermöglichte, oder
b) während der Verheiratung mit einem Nichtmitglied die Mitgliedschaft der Frau ruhte,
nicht Mitglied der Agrargemeinschaft A werden konnte, kann die Mitgliedschaft schriftlich binnen zwei Monaten nach amtlicher Bekanntmachung im Fer Anzeiger beantragen. Später eingelangte Anträge werden ausnahmslos abgewiesen.
......"
Im vorliegenden Verfahren begehrte die Beschwerdeführerin zum einen die Feststellung einer (bestehenden) Mitgliedschaft bei der AG (so zB. im Antrag vom 30. Mai 1997), zum anderen die rückwirkende Zuerkennung eines solchen Rechtes (so zB. im Antrag vom 15. September 1995 an die AG oder im Berufungsantrag an den OAS). Das Begehren der Beschwerdeführerin war daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls auch darauf gerichtet, ihr ein rückwirkendes Mitgliedschaftsrecht an der AG zuzuerkennen. In der Berufung an die belangte Behörde wurde dieses Begehren in
einem Hauptantrag (Zuerkennung der Mitgliedschaft ab 1964) und
einem Eventualantrag (Zuerkennung der Mitgliedschaft von 21. September 1995 bis Ende September 1996) ausgedrückt.
Wesentlich für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Antrages ist § 34 Z. 3 lit. b der geltenden Satzung 1996. Danach kann derjenige, der auf Grund von Bestimmungen früherer Satzungen, wonach während der Verheiratung mit einem Nichtmitglied die Mitgliedschaft der Frau ruhte, nicht Mitglied der Agrargemeinschaft A. werden konnte, die Mitgliedschaft schriftlich binnen zwei Monaten nach amtlicher Bekanntmachung im Fer Anzeiger beantragen. Später eingelangte Anträge werden nach dieser Bestimmung ausnahmslos abgewiesen.
Dieser Regelung kann bei erster Lesung kein eindeutiger Sinngehalt entnommen werden. Das Vorliegen von Voraussetzungen für das Ruhen der Mitgliedschaft hatte nämlich nur in den - hier nicht vorliegenden - Fällen der Aufgabe des Wohnsitzes oder des eigenen Haushaltes (§ 6 Z. 1 lit. a und b der Satzung 1989) die Folge, dass eine beantragte Mitgliedschaft zu versagen war, weil auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Mitgliedschaft des § 11 diesfalls nicht gegeben wären. Der Umstand der Verehelichung mit einem Nichtmitglied führte nach der Satzung 1989 zwar zum Ruhen einer Mitgliedschaft, stellte aber keinen Versagungsgrund für die Zuerkennung einer (dann ruhenden) Mitgliedschaft dar.
Die Bestimmung des § 34 Z. 3 lit. b der Satzung 1996 ist daher in sich widersprüchlich, weil das angesprochene Ruhen der Mitgliedschaft "während der Verheiratung mit einem Nichtmitglied" bereits das Bestehen eines Mitgliedschaftsrechtes voraussetzte und somit - entgegen dem Wortlaut dieser Bestimmung - in dieser Ruhensbestimmung allein kein Grund für die Versagung einer beantragten Mitgliedschaft liegen konnte. Bestand gar keine Mitgliedschaft (einer mit einem Nichtmitglied verheirateten Frau) bei der AG, so konnte aber auch kein Fall des Ruhens nach § 6 Z. 1 lit. c der Satzung 1989 eingetreten sein.
Es kann diese Bestimmung - ausgehend vom Wortlaut - sinnvoll aber auch nicht so verstanden werden, dass die Ableitung eines neuen Mitgliedschaftsrechtes von einem bestehenden Mitgliedschaftsrecht wegen dessen Ruhens nicht möglich gewesen wäre, dass also jemand zB. deshalb nicht Mitglied hätte werden können, weil das Mitgliedschaftsrecht seines Vaters wegen Aufgabe dessen Wohnsitzes ruhte, weil zu den Voraussetzungen für die Aufnahme als Mitglied nicht die aktive (dh. eine nicht ruhende) Mitgliedschaft eines Elternteils, sondern stets die Mitgliedschaft an sich zählt.
Die Regelung des § 34 Z. 3 lit. b der Satzung 1996 ist vor dem Hintergrund des bereits vielfach zitierten Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisses vom 12. Dezember 1994 zu Stande gekommen und von dem Bemühen getragen, die Nachteile von Personen, die durch die alten Satzungsbestimmungen diskriminiert wurden, auszugleichen. Zu diesen Personen zählen (u.a.) die mit einem Nichtmitglied verheirateten Töchter von Mitgliedern, die von einer Antragstellung auf Erteilung einer Mitgliedschaft allein deshalb Abstand nahmen, weil sie die Rechte aus der ihnen zu erteilenden Mitgliedschaft wegen des sofort eintretenden Ruhens derselben (vgl. § 6 Abs. 1 lit. c der Satzung 1989, der - vermutlich - eine bereits zuvor bestehende Übung festschrieb) für unbestimmte Zeit, jedenfalls für die Dauer der Verehelichung, nicht ausüben hätten können. Aus diesem Blickwinkel kann die in Rede stehende Satzungsbestimmung daher sinnvoll nur so verstanden werden, dass diesen Personen, die (unscharf ausgedrückt) "wegen der Ruhensbestimmung nicht Mitglied werden konnten", nunmehr ausdrücklich die Möglichkeit geboten werden sollte, innerhalb einer bestimmten Frist einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen.
Diese Möglichkeit der Antragstellung nach § 34 Z. 3 der Satzung 1996 sollte also für einen besonderen, in der Vergangenheit wegen des Geschlechtes diskriminierten Personenkreis, der vom Kreis sonstiger Neuinteressenten an einer Mitgliedschaft unterschieden werden sollte, seine Geltung entfalten. Diese besondere Antragstellungsmöglichkeit erscheint aber nur dann sinnvoll, wenn damit auch besondere Rechtsfolgen einhergehen, die sich von den Rechtsfolgen einer Aufnahme eines sonstigen Neuinteressenten (nach §§ 3 und 4 der Satzung 1996) unterscheiden. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes sollte mit dieser Bestimmung für die Gruppe der "verhinderten" Antragsteller ermöglicht werden, ihnen ein rückwirkendes Mitgliedschaftsrecht, somit - in Abweichung von der Bestimmung der Z. 3 des die Neuaufnahmen regelnden § 4 der Satzung 1996 - ein vor den Zeitpunkt der Antragstellung zurückreichendes Mitgliedschaftsrecht zuzuerkennen.
Wollte man nämlich - wie die belangte Behörde - die Ansicht vertreten, § 4 Z. 3 der Satzung 1996 entfalte auch für den oben umschriebenen Personenkreis "verhinderter" Antragsteller Wirkung, so wäre nicht erkennbar, wieso es der Bestimmung des § 34 Z. 3 der Satzung 1996 überhaupt bedürfte, weil die erreichbare Rechtsposition einer Antragstellung nach § 34 Z. 3 der Satzung 1996 sich nicht von der nach einer Antragstellung nach §§ 3 und 4 der Satzung 1996 unterschiede. Auch die "verhinderten" Antragsteller könnten ja ohnehin nach den - für Neuinteressenten geltenden - Bestimmungen der §§ 3 und 4 der Satzung 1996 einen Antrag auf (Neu)aufnahme stellen, wobei der Beschluss der Aufnahme rückwirkend mit dem Zeitpunkt der Antragstellung gelten würde.
Dazu kommt, dass die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 34 Z. 3 der Satzung 1996 zeitlich mit 2 Monaten nach amtlicher Bekanntmachung im Fer Anzeiger begrenzt ist. Auch diese Fristsetzung lässt den Schluss zu, dass man nur innerhalb dieser zeitlichen Spanne eine Möglichkeit der Zuerkennung eines besonderen, von einer Neuaufnahme unterschiedlichen Mitgliedschaftsrechtes für die Interessenten, die an einer früheren Antragstellung aus den genannten diskriminierenden Gründen abgehalten wurden, schaffen wollte. Diese Fristsetzung wäre aber überhaupt nicht verständlich bzw. ihrerseits gegenüber den "verhinderten" Antragstellern diskriminierend, hätte eine Antragstellung nach § 34 Z. 3 der Satzung 1996 nicht besondere rechtliche Folgen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kann diese besondere Rechtsfolge nur in der (sonst nicht möglichen) Zuerkennung einer rückwirkenden Mitgliedschaft bei der AG liegen.
Diesen Eindruck verstärkt auch der Umstand, dass der zweite Satz des § 10 der Satzung 1996 zeitgleich mit § 34 Z. 3 in die Satzung auf genommen wurde. Danach soll eine rückwirkende Teilnahme an den tatsächlichen Nutzungen oder ein Barersatz für solche Nutzungsansprüche ausgeschlossen sein. Im Normalfall der Zuerkennung einer Neumitgliedschaft beginnt die Nutzungsteilnahme nach § 10 erster Satz der Satzung 1996 nämlich mit dem Beginn des mit dem Tage der Wirksamkeit der Mitgliedschaft ( = Antragstellungszeitpunkt) oder der Beendigung des Ruhens einer Mitgliedschaft folgenden Wirtschaftsjahres. Für eine Neuaufnahme, also einen "Normalfall" erübrigte sich eine Regelung, wie sie der zweite Satz des § 10 der Satzung 1996 vorsieht. Offenbar wurde bei der Schaffung der Bestimmung des zweiten Satzes des § 10 der Satzung 1996 bereits an Fälle gedacht, wo die verhinderte Teilnahme an den tatsächlichen Nutzungen in der Vergangenheit zu Forderungen von Mitgliedern führen könnte.
Die Problematik des Begehrens einer rückwirkenden Teilnahme an den tatsächlichen Nutzungen oder eines Barersatzes für entgangene Nutzungen stellt sich aber vor allem in den Fällen, in denen einerseits - wie von der Beschwerdeführerin unter dem Aspekt ihres "Feststellungsbegehrens" wiederholt behauptet - eine bestehende Mitgliedschaft zu Unrecht als ruhend qualifiziert und die Unrichtigkeit dieser Qualifikation erst zu einem späteren Zeitpunkt erkannt wurde und andererseits in dem Fall, in dem eine Mitgliedschaft rückwirkend in die Vergangenheit zuerkannt wird.
Aus den obgenannten Gründen ergibt sich, dass mit § 34 Z. 3 der Satzung 1996 für eine eingegrenzte, in der Vergangenheit "diskriminierte" Personengruppe ausnahmsweise und daher zeitlich begrenzt - entgegen der sonst geltenden Regelung des § 4 Z. 3 der Satzung 1996 - die Möglichkeit der Zuerkennung einer rückwirkenden Mitgliedschaft geschaffen werden sollte. Die Zuerkennung eines Mitgliedschaftsrechtes (auch) für die Vergangenheit kann im Übrigen schon wegen allfälliger damit verbundener Tatbestandswirkungen (vgl. zB. § 4 Z. 1 lit. c der geltenden Satzung) von Bedeutung sein.
§ 34 Z. 3 lit. b der Satzung 1996 bietet somit Grundlage für die von der Beschwerdeführerin (auch) begehrte rückwirkende Zuerkennung eines Mitgliedschaftsrechtes. Bemerkt wird aber, dass im vorliegenden Fall vor einer allfälligen derartigen Rechtsgestaltung zu Gunsten der Beschwerdeführerin zu klären wäre, ob diese - wie sie im Verfahren wiederholt vorbrachte - nicht bereits Mitglied der AG zu einem früheren Zeitpunkt geworden ist und ob ein solches Mitgliedschaftsrecht diesfalls unverändert Bestand hat. Wenn dies der Fall sein sollte - wogegen im vorliegenden Fall schon die Stichtagsregelung des § 3 der Satzung 1996 zu sprechen scheint - wäre aber kein Platz für die Zuerkennung eines rückwirkenden Mitgliedschaftsrechtes.
Die belangte Behörde hat in Verkennung der Rechtslage weder eine derartige Prüfung vorgenommen noch sich mit einer Rechtsgestaltung nach § 34 Z. 3 der Satzung 1996 im obgenannten Sinn auseinandergesetzt. Dadurch, dass sie die Bestimmung des § 4 Z. 3 der Satzung 1996 auch auf den vorliegenden Antrag als anwendbar erachtete und deshalb ihre rechtliche Prüfung nur auf den Zeitraum ab Antragstellung begrenzte, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Aus den aufgezeigten Gründen war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 25. Juni 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000070072.X00Im RIS seit
12.12.2001