RS UVS Oberösterreich 1995/11/13 VwSen-260145/2/Wei/Bk

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Veröffentlicht am 13.11.1995
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Rechtssatz

Der als Vorarbeiter fungierende Bw wußte nach seiner eigenen Einlassung, daß die stillgelegte Saugleitung abzuflanschen bzw zu blindieren und zur Sicherheit eine Druckprobe durchzuführen war. Er behauptet allerdings, daß er diese Sorgfaltsmaßnahmen ordnungsgemäß vorgenommen hätte. In der Berufung bringt er erstmals vor, daß er sich am fraglichen Tag nach der Druckprobe, es müßte der 9.5.1992 gewesen sein, vorzeitig von der Tankstelle M-straße in L entfernt und seinem unerfahrenen Mitarbeiter E, der erst seit zwei bis drei Wochen beschäftigt war, aufgetragen hätte, zusammenzuräumen. Dieser habe in der Folge aus Unwissenheit die vom Bw angebrachte Steckscheibe entfernt, wodurch es später zum Schadensereignis kommen konnte.

Selbst wenn diese Umstände zutreffen, erscheint das Verhalten des Bw sorgfaltswidrig. Er hätte als verantwortlicher Vorarbeiter die Pflicht gehabt, den unerfahrenen Mitarbeiter E über den Sinn der notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zu unterweisen. In diesem Fall hätte dieser eingesehen, daß er die Steckscheibe beim Zusammenräumen vom Ende der Saugleitung nicht wieder entfernen darf. Außerdem wäre der Bw zumindest verpflichtet gewesen, eine abschließende Kontrolle durchzuführen und nicht alles dem Hilfsarbeiter zu überlassen. Von einem einsichtigen und besonnenen Menschen aus dem Verkehrskreis des Täters (zum allgemeinen Sorgfaltsmaßstab vgl mwN Leukauf/Steininger, Kommentar zu StGB, 3. A 1992, § 6 Rz 6 und Rz 12 f) also von einem verantwortungsbewußten Vorarbeiter für den potentiell gefahrenträchtigen Bereich Tankstellenanlagenbau, wären die oben beschriebenen Vorkehrungen, die den Schaden vermieden hätten, zu erwarten gewesen. Da kein geradezu atypischer Kausalverlauf vorliegt und keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Bw subjektiv zu diesem Maß an geforderter Sorgfalt nicht fähig gewesen wäre, hat der Bw nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates auch bei Zugrundelegung seiner modifizierten Verantwortung in der Berufung fahrlässig gehandelt und den Schaden verschuldet. Dies gilt unabhängig davon, ob nicht zusätzlich auch der Zeuge Eibensteiner durch sein nach Darstellung des Bw eigenmächtiges Vorgehen das Schadenereignis fahrlässig verschuldet hat.

Dennoch kann der Bw nicht wegen der angelasteten Verwaltungsübertretung des § 137 Abs.3 lit.d WRG 1959 zur Verantwortung gezogen werden. Der Grund dafür liegt in der ausdrücklichen Subsidiaritätsklausel des § 137 Abs.7 WRG 1959, wonach eine Übertretung nach dem § 137 Abs.1 bis 5 WRG 1959 nicht zu bestrafen ist, wenn sie den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt. Das gegenständliche Verhalten des Bw erfüllt in seinen Auswirkungen entgegen der Ansicht der belangten Strafbehörde und entgegen der Einstellung durch die Staatsanwaltschaft L nach § 90 StPO den Tatbestand der fahrlässigen Beeinträchtigung der Umwelt nach § 181 StGB. Dies folgt aus nachstehenden Gründen:

Das Delikt des § 181 StGB verantwortet, wer fahrlässig entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag eine der in § 180 StGB (vorsätzliche Beeinträchtigung der Umwelt) mit Strafe bedrohten Handlungen begeht.

Der im § 180 Abs.1 StGB genannte Deliktsfall der Verunreinigung von Gewässer, Boden oder Luft stellt teilweise auf die gegenständlich vom Sachverständigen verneinten konkreten Gefahren für Leib oder Leben einer größeren Zahl von Menschen oder für den Tier oder Pflanzenbestand in einem größeren Gebiet ab. Nach dem Gesetzeswortlaut genügt es aber im Ergebnis, daß diese konkreten Gefahren durch die Verunreinigung eintreten können (vgl dazu Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3.A 1992, § 180 Rz 10f). Damit wird auf eine Eignung der Handlung abgestellt, die beschriebenen konkreten Gefahren herbeizuführen. Diese Art von abstrakter Gefahr wird in der neueren Literatur den sog. potentiellen Gefährdungsdelikten zugeschrieben (vgl näher Schroll, Die Gefährdung bei Umweltdelikten, JBl 1990, 681ff, 683). Der Gerichtssachverständige hat lediglich eine konkrete Gefahr verneint. Die Frage nach der potentiellen Gefährdung blieb unbeantwortet. Dabei kommt es bei den gegebenen unveränderlichen Bezugspunkten (Emissionsmenge, Verdünnung durch den Grundwasserstrom, Brunnen im potentiellen Ausbreitungsbereich) darauf an, ob die bloße Möglichkeit der Herbeiführung einer deliktstypischen Gefahrensituation bestanden hätte. Alle für die Immissionssituation relevanten variablen Faktoren sind nicht zu berücksichtigen. Deshalb ändern Maßnahmen im Interesse der Gefahrenabwendung nichts an der tatsächlich bestehenden Gefahrensituation mit ihren potentiellen Auswirkungen. Für die Bejahung der Gefahren iSd § 180 Abs.1 StGB genügt bereits die mögliche Immissionssituation (vgl überzeugend Schroll, JBl 1990, 688ff, insb 691f). Der Sachverständige hätte demnach bei Beurteilung der allein maßgeblichen potentiellen Gefährdung durch das Versickern von 7.300 l Superbenzin, die wirksame Eingrenzung des Grundwasserkontaminationsbereiches durch den gegenständlich errichteten Sperrbrunnen außer Betracht lassen müssen, weil es sich dabei um eine variable Größe handelte. Unter Abstrahierung davon hätte die hypothetische Gefahrensituation durch eine Prognoseentscheidung ermittelt werden müssen. Damit steht aus h. Sicht noch gar nicht fest, ob die Gefahrensituation des § 180 Abs.1 StGB nicht doch gegeben war.

Abgesehen davon, erscheint dem unabhängigen Verwaltungssenat die Ansicht der Strafbehörde nicht zutreffend, daß auch der Straftatbestand des § 181 iVm § 180 Abs.2 StGB nicht in Betracht käme. Nach § 180 Abs.2 StGB handelt ohne Rücksicht auf eine potentielle Gefährdung tatbildlich, wer entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag nachhaltig, schwer und in großem Ausmaß ein Gewässer oder den Boden verunreinigt oder sonst beeinträchtigt und bewirkt, daß entweder die Verunreinigung für immer oder für lange Zeit (gemeint: mehrere Jahre; vgl Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3.A 1992, § 180 Rz 22) anhält oder der zur Beseitigung erforderliche Aufwand den Betrag in Höhe von S 500.000,-- übersteigt.

Im gegenständlichen Fall ist durch das Versickern der großen Superbenzinmenge von 7.300 l eine schwere und nachhaltige Kontamination des Bodens und des Grundwassers entstanden. Dies beweist schon die ziemlich lange Sanierungsdauer von mehr als zwei Jahren. Auch die festgestellten Sanierungskosten in der Größenordnung von 4,5 Millionen Schilling, die ein Vielfaches des Schwellwertes im § 180 Abs.2 StGB betragen, sprechen für sich. Daß im Bereich der Sonde S2 bereits am 7.9.1992 Werte unterhalb den wasserrechtsbehördlich bestimmten Sanierungsgrenzen gemessen wurden, bedeutet nur, daß die besonders gefahrenträchtige Ausbreitung des Benzins im Grundwasserstrom infolge des errichteten Sperrbrunnens unter Kontrolle war. Am Befund der nachhaltigen Kontamination des Grundwassers ändert das nichts. Im Boden wurden auch am 28.5.1993 noch Schadstoffkonzentrationen oberhalb der Sanierungsgrenzen gemessen. Die Boden-Luft Absaugung mußte weiterhin aufrechterhalten werden, damit nicht neuerliche Kontaminationen des Grundwassers eintreten. In einer solchen Situation kann an der nachhaltigen und schweren Umweltbeeinträchtigung kein vernünftiger Zweifel bestehen. Aus den angeführten Gründen wurde durch das verfahrensgegenständliche Verhalten des Bw, das auch dem § 31 Abs.1 WRG 1959 widersprach, zumindest der Tatbestand des § 181 iVm § 180 Abs.2 Z2 StGB verwirklicht, weshalb die Subsidiaritätsklausel des § 137 Abs.7 WRG 1959 eine Bestrafung wegen der Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs.3 lit.d WRG 1959 ausschließt. Das angefochtene Straferkenntnis war daher aus Anlaß der Berufung aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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