RS UVS Oberösterreich 1995/11/14 VwSen-221024/28/Le/La

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 14.11.1995
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Rechtssatz

Zur Beurteilung der vom Arbeitsinspektorat angezeigten Verwaltungsübertretungen ist zunächst zu klären, ob die Arbeitszeitkarten der einzelnen Arbeitnehmer, die dem unabhängigen Verwaltungssenat in Kopie zur Einsichtnahme vorlagen, die tatsächliche Arbeitszeit im Sinne des KJBG bzw. des Arbeitszeitgesetzes (im folgenden kurz: AZG) wiedergeben, wie dies das Arbeitsinspektorat behauptet hat, oder ob von der dort ausgewiesenen Arbeitszeit - im Sinne der Rechtfertigung der Beschuldigten - jeweils am Morgen 1 Stunde, zu Mittag 15 bis 30 Minuten und am Abend zu Arbeitsbeginn ebenfalls etwa eine halbe Stunde abgezogen werden müssen, weil zu diesen Zeiten die Beschäftigten das gemeinsame Frühstück hergerichtet und eingenommen bzw Mittag gegessen bzw gejausnet oder Kaffee getrunken haben. Es können dann daraus nicht nur die täglichen Arbeitszeiten, sondern alle weiteren vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen aufgrund der Zeitangaben in den Arbeitszeitkarten errechnet werden.

Der Begriff der Arbeitszeit ist in § 2 AZG wie folgt definiert:

"§ 2 (1) Im Sinne diese Bundesgesetzes ist:

1. Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen;

2. Tagesarbeitszeit die Arbeitszeit innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraumes von 24 Stunden;

3. Wochenarbeitszeit die Arbeitszeit innerhalb des Zeitraumes von Montag bis einschließlich Sonntag."

§ 10 Abs.1 KJBG definiert die Arbeitszeit wie folgt:

"Tägliche Arbeitszeit ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Einrechnung der Ruhepausen (§ 15).

Wochenarbeitszeit ist die Arbeitszeit innerhalb des Zeitraumes von Montag bis einschließlich Sonntag."

Aufgrund der weitgehenden Übereinstimmung dieser beiden Definitionen kann zur Auslegung des Begriffes "Arbeitszeit" die Judikatur des VwGH zu § 2 AZG zur näheren Definition des Begriffes "Arbeitszeit" im Sinne des KJBG herangezogen werden:

In dem vom Arbeitsinspektorat bereits zitierten Erkenntnis vom 14.1.1993, Zl. 92/18/0402-5, ist der Begriff der Arbeitszeit wie folgt erläutert: Im zugrundeliegenden Anlaßfall standen der Behörde die "Stempelkarten" der bezüglichen Arbeitnehmer zur Verfügung; der Arbeitgeber hatte sich damit verantwortet, daß diese Stempelkarten in der Regel nur angäben, von wann bis wann sich der betreffende Dienstnehmer auf dem Betriebsgelände befunden habe; der VwGH entgegnete, daß sich der Arbeitnehmer innerhalb dieses Zeitraumes im Verfügungsbereich des Arbeitgebers befinde, seinen Weisungen unterliege und sich zur Arbeit bereithalte, weshalb dieser Zeitraum als Arbeitszeit zu qualifizieren sei.

Auf den vorliegenden Anlaßfall umgelegt bedeutet dies, daß die einzelnen Arbeitnehmerinnen sich am Morgen bereits nach dem Verlassen des jeweils zugewiesenen Zimmers im 1. Stock bereits im Verfügungsbereich der Arbeitgeberin befanden, ihren Weisungen unterlagen und sich auch zur Arbeit bereithielten. Dies geht insbesonders daraus hervor, daß diese Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz gemeinsam das Frühstück für alle herrichteten, wobei sie nicht nur für sich selbst das Frühstück zubereiteten, sondern auch für die Arbeitgeberin und deren Ehegatten, manchmal auch für deren Sohn. Dieses Zubereiten des Frühstücks gehört aber bereits wohl zur Arbeit von gastgewerblichem Küchen- und Servierpersonal. Weiters geht aus den Zeugenaussagen auch hervor, daß dabei auch über Arbeitseinteilung und andere betriebliche Belange gesprochen wurde. Diese Zeit kann daher nicht als Ruhepause bezeichnet werden, sondern gehört zur Arbeitszeit.

Desgleichen verhält es sich mit der Zeit, die für das Mittagessen zu veranschlagen ist, wobei hier noch dazukommt, daß dieses Mittagessen - auch nach Zeugenangaben - lediglich in jenen Zeiten eingenommen werden konnte, in denen gerade weniger zu tun war. Auch dabei befanden sich die Beschäftigten jeweils am Arbeitsplatz bzw. in unmittelbarer Nähe desselben.

Schließlich ist auch die am Abend vor Arbeitsbeginn gelegentlich gewährte Jausen- bzw Kaffeepause im Lichte dieser Judikatur zu sehen, die ebenfalls nur angepaßt an den jeweiligen Arbeitsanfall konsumiert werden konnte, keinesfalls aber im vorhinein fix feststand.

Dafür, daß die in den Arbeitszeitkarten angeführten Aufzeichnungen tatsächlich die tatsächlich geleistete Arbeitszeit bedeuten, spricht auch, daß die Beschuldigte als Arbeitgeberin wohl die Bestimmungen des KJBG kennen mußte und daher hätte leicht nachrechnen können, daß mit dieser lockeren Form der Eintragung der Arbeitszeit offensichtlich die Bestimmungen des Gesetzes nicht eingehalten werden. Diese Form der Handhabung der Arbeitszeitkarten ist auch deshalb unverständlich, weil die Arbeitgeberin, wenn man ihrer Rechtfertigung hinsichtlich der abzurechnenden Zeiten für Frühstück, Mittagessen und Jause Glauben schenkt, täglich 1 1/2 bis 2 Stunden Arbeitszeit "hergeschenkt" hätte. Selbst bei einem sehr familiären Betriebsklima erscheint eine derartige Handhabung der Arbeitszeit nicht plausibel.

Damit ist aber erwiesen, daß die angelasteten Verwaltungsübertretungen in objektiver Hinsicht als erfüllt anzusehen sind.

Da die Strafbestimmung des § 30 KJBG über das Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt gemäß § 5 Abs.1 VStG zur Strafbarkeit des vorgeworfenen und oben bewiesenen Verhaltens Fahrlässigkeit. Gemäß § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Damit wird bei den sogenannten Ungehorsamsdelikten die Beweislast umgekehrt: Es liegt somit am Beschuldigten, seine Schuldlosigkeit an der ihm vorgeworfenen und objektiv festgestellten Verwaltungsübertretung glaubhaft zu machen.

Auch im vorliegenden Fall wurden Ungehorsamsdelikte verwirklicht, weil die gesetzlichen Gebote nicht eingehalten wurden. Die Beschuldigte hat ihre Entlastung damit darzulegen versucht, daß die Arbeitszeitkarten in Wahrheit nicht die geleisteten Arbeitsstunden wiedergegeben hätten, sondern daß in diesen Aufzeichnungen auch Zeiten enthalten gewesen wären, die als Ruhepausen bzw Ruhezeiten anzusehen wären. Damit ist ihr jedoch die Entlastung nicht gelungen, weil ihre Verantwortung logisch nicht nachvollziehbar ist: Sie war als Arbeitgeberin von Jugendlichen verpflichtet, sich auch ausreichende Kenntnisse über die Bestimmungen des KJBG zu verschaffen und dafür zu sorgen, daß diese Bestimmungen auch von den von ihr auszubildenden Jugendlichen eingehalten werden. Dazu wäre es auch erforderlich gewesen, daß sie die Führung der Arbeitszeitkarten überprüft, was sie aber - wie die Zeuginnen übereinstimmend ausgesagt haben - nie getan hat. Bei einer derartigen Überprüfung hätte sie unschwer feststellen können, daß aufgrund der eingetragenen Arbeitszeit die Bestimmungen des KJBG über die tägliche Arbeitszeit, die Ruhepausen und Ruhezeiten usw. nicht eingehalten werden. Sie hätte sodann die Arbeitnehmerinnen entsprechend anweisen können, zB entweder die Arbeitszeitkarten unmittelbar am Arbeitsplatz zu führen und dort den echten Arbeitsbeginn einzutragen oder vorher fix bestimmte Zeiten als Arbeitsbeginn einzusetzen.

Wenn während der üblichen Arbeitszeit Pausen zur gemeinsamen Einnahme von Kaffee, Jause und dgl gewährt werden, so mag dies zwar nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus auch für jugendliche Arbeitnehmer entspannend und motivierend wirken und einem guten Betriebsklima förderlich sein, doch genügt diese Vorgangsweise eben dann nicht dem Gesetz und den vom Arbeitsinspektorat und dem Verwaltungsgerichtshof daraus abgeleiteten Erfordernissen, wenn diese Zeiten nicht auch als Ruhezeiten in die Arbeitszeitkarten eingetragen werden.

Es muß daher davon ausgegangen werden, daß die Beschuldigte aus welchen Gründen immer diese Übertretungen des KJBG in Kauf genommen hat, weshalb ihr Verschulden in Form von Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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