RS UVS Oberösterreich 1995/11/28 VwSen-420072/33/Kl/Rd

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Veröffentlicht am 28.11.1995
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Rechtssatz

Durch die Schaffung der Bestimmungen des SPG im Bereich der Sicherheitspolizei (§ 20 im Zusammenhalt mit § 16 SPG) wird der Anwendungsbereich der StPO dort eingeschränkt, wo ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist, aber ein gefährlicher Angriff iSd § 16 SPG noch nicht beendet ist, weil das Ende des gefährlichen Angriffs mit der formellen Vollendung der Straftat, also mit der Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale nicht unbedingt zusammenfallen muß. Ausschlaggebend ist die noch andauernde Bedrohung des geschützten Rechtsgutes (vgl auch Hauer-Keplinger, Handbuch zum Sicherheitspolizeigesetz, Anm.32 zu § 16). Weiters ist auch die Aufklärung strafbarer Handlungen bzw. gefährlicher Angriffe Regelungsgegenstand des SPG, allerdings nur insoweit, als es zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich ist. Dies bis zu dem Zeitpunkt, an dem feststeht, daß mit weiteren Angriffen nicht mehr zu rechnen ist (vgl auch Hauer-Keplinger, S 122). Gemäß § 16 Abs.1 Z1 SPG besteht eine allgemeine Gefahr bei einem gefährlichen Angriff, wobei ein gefährlicher Angriff in § 16 Abs.2 Z2 SPG als die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer nach den §§ 12, 14 oder 14a des Suchtgiftgesetzes, BGBl. Nr.234/1951, strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, definiert ist. Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird (§ 16 Abs.3 SPG). Nach dem festgestellten erwiesenen Sachverhalt bot sich den Sicherheitswachebeamten bei Annäherung und Betreten des Lokals "L V" in der R-gasse, der Eindruck eines sehr vollen Lokales mit lärmenden und zum Teil enthemmten Gästen, welche zum Großteil amtsbekannt waren und der Suchtgiftszene, den Hooligans, dem Prostituiertenmilieu und dem Kreis illegaler Waffenbesitzer zuzurechnen waren. Personendurchsuchungen (welche im Rahmen der gegenständlichen Beschwerde nicht zu überprüfen waren) haben das Aufgreifen eines Tränengassprays, also einer illegalen Waffe, von 2g Cannabis-Harz und von Hanfkörnern ergeben. Aufgrund der außergewöhnlichen Anzahl von einschlägig bekannten Personen, des Umstandes, daß - wenn auch geringe Mengen - Suchtgift gefunden wurde und eine Person ins WC laufen und etwas hinunterspülen konnte, und des weiteren Vorfalles, daß während der Amtshandlung ein Gast in äußerst bedenklicher Weise in sich zusammensackte und keine Reaktionen mehr zeigte, und unter Bedachtnahme, daß die Personendurchsuchungen eine geraume Zeit in Anspruch nahmen, in welcher auch das Ablegen von Suchtgift im Gastraum möglich gewesen wäre, konnten die einschreitenden Organe aus der momentanen Situation zum Zeitpunkt des Einschreitens davon ausgehen, daß ein gefährlicher Angriff unmittelbar gegenwärtig stattfindet oder noch geschehen wird. Aufgrund der Zahl der anwesenden einschlägig bekannten Personen im Zusammenhang mit deren ungehemmten und lauten Verhalten sowie im Zusammenhang mit dem anonymen Anruf, daß "so viel Rauschgift im Lokal zu finden wäre, daß man eine Kompanie eindecken könnte", konnten die einschreitenden Organe von einer Tatbegehung gemäß § 12 oder § 14a Suchtgiftgesetz ausgehen bzw. von einer noch drohenden Begehung nach § 12 bzw. § 14a SGG. Zu letzterem wäre nämlich die Vorbereitung des Ablegens von Suchtgift im Lokalraum zum Zweck der weiteren Tatbegehung nach dem Suchtgiftgesetz zu zählen. Nach den einschlägigen zitierten Bestimmungen des SPG haben daher die einschreitenden Organe der Bedrohung des Rechtsgutes des Lebens und der Gesundheit ein Ende zu setzen und auch die maßgebenden Umstände zu klären, soweit dies zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich ist. In dem abgezeichneten Rahmen sind daher die Bestimmungen und Befugnisse des SPG und nicht der StPO anzuwenden.

Gemäß § 28 Abs.2 SPG dürfen die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitdienstes zur Erfüllung der ihnen in diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben alle rechtlich zulässigen Mittel einsetzen, die nicht in Rechte eines Menschen eingreifen. In die Rechte eines Menschen dürfen sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben nur dann eingreifen, wenn eine solche Befugnis in diesem Bundesgesetz vorgesehen ist und wenn entweder andere Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht ausreichen oder wenn ihr Einsatz außer Verhältnis zum sonst gebotenen Eingriff steht. Schon der VfGH vertrat die Auffassung, daß das Betreten von - nach Maßgabe der straßenrechtlichen Vorschriften - öffentlichen (dem Gemeingebrauch gewidmeten) Straßen und Wegen auch dann uneingeschränkt zulässig ist, wenn der öffentliche Weg über Privatgrund führt (vgl. VfSlg.11508/1987). Ebenso gilt dies für das Betreten von (wenn auch in Privateigentum stehenden aber) der Allgemeinheit offenstehenden Räumlichkeiten, wie etwa von Geschäftsräumen oder Gaststätten (siehe Hauer-Keplinger, Handbuch zum Sicherheitspolizeigesetz, Anm.3 zu § 39).

Darüber hinaus sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch nach § 39 Abs.1 SPG ermächtigt, Grundstücke und Räume zu betreten, sofern dies für die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder zur Abwehr eines gefährlichen Angriffs erforderlich ist. Da gegenständlich von einem noch drohenden gefährlichen Angriff ausgegangen werden konnte, war das Betreten des Gastlokales rechtmäßig.

Gemäß § 39 Abs.3 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Grundstücke, Räume und Kraftfahrzeuge zu untersuchen, soweit dies der Suche nach einem Menschen dient, von dem ein gefährlicher Angriff ausgeht (Z2) oder nach einer Sache dient, die für einen gefährlichen Angriff bestimmt ist (Z3). Sobald ein gefährlicher Angriff beendet ist, gelten für die Durchsuchung die Bestimmungen der StPO.

Weil aus der ad hoc-Situation zum Zeitpunkt des Einschreitens der Organe von einem drohenden gefährlichen Angriff oder aber von einem gegenwärtig noch nicht beendeten gefährlichen Angriff ausgegangen werden konnte, war die Durchsuchung des Gastraumes nach einer Sache, nämlich nach dem Suchtgift, das für den gefährlichen Angriff bestimmt ist, von der gesetzlich eingeräumten Befugnis des § 39 Abs.3 SPG gedeckt. Auch wurde von dieser Befugnis nicht in exzessiver Weise Gebrauch gemacht. Es wurde nämlich zum einen nur der in Verdacht gezogene Gastraum durchsucht. Auch wurde in die Rechtssphäre der Betroffenen möglichst schonend eingegriffen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, daß zur Schonung der Gesundheit der Gäste diese aus dem Gastraum herausgewiesen wurden, um sie vor Angriffen durch den Suchhund zu schützen. Im übrigen wurden die diesbezüglichen Möglichkeiten durch Einholung von Ratschlägen bei dem zuständigen Journalbeamten erörtert. Demnach hat eine Herausweisung auf den Gang nur für die unbedingt notwendige Zeit stattgefunden, um so den Gastbetrieb möglichst wenig zu beeinträchtigen. Weil aber das Lokal nur düster beleuchtet war, und es um die konkrete Suche nach Suchtgift ging, war der Einsatz eines Suchhundes gerechtfertigt.

Zum Zeitpunkt des Entschlusses über eine Hausdurchsuchung durch die Sicherheitsorgane war der Bf bereits im Lokal anwesend. Wenn er hingegen bemängelt, daß er nicht bei der Durchsuchung durch den Suchhund im Gastraum anwesend gewesen sei, so ist dies damit gerechtfertigt, weil dadurch der Zweck der Maßnahme vereitelt würde. Die Herausweisung der Personen hat deshalb stattgefunden, damit der Suchhund nicht nervös werde und damit dieser keine Personen verletze. Daß eine Bescheinigung über die Vornahme der Hausdurchsuchung verlangt worden wäre, wurde vom Bf jedoch nicht behauptet. Auch konnte sonst eine Unverhältnismäßigkeit oder Unangemessenheit des Eingriffes nicht festgestellt werden. Weil kein Suchtgift im Gastraum gefunden wurde, wurde die Hausdurchsuchung beendet und es konnten die Gäste den Gastraum wieder betreten. Es ging der gewöhnliche Gastbetrieb wieder weiter. Es kam daher der Beschwerde keine Berechtigung zu.

Gemäß § 88 Abs.1 SPG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art.129a Abs.1 Z2 B-VG). Aus der zitierten Gesetzesstelle erhellt, daß die darin vorgesehene Beschwerdemöglichkeit sich lediglich auf den Anwendungsbereich des SPG, nämlich die Sicherheitspolizei bzw. Sicherheitsverwaltung erstreckt.

Eine über den Bereich der Sicherheitspolizei hinausgehende Kompetenz zur Entscheidung über Maßnahmen in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt kommt den unabhängigen Verwaltungssenaten schon gemäß dem Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG zu, weshalb § 88 Abs.1 SPG nur deklaratorischen Charakter hat.

Im Grunde der Anwendbarkeit des SPG war daher die vorliegende Beschwerde gemäß §§ 39 und 88 Abs.1 SPG als unbegründet abzuweisen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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