RS UVS Oberösterreich 1995/12/21 VwSen-420075/7/Kl/Rd

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Veröffentlicht am 21.12.1995
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Rechtssatz

Anders als der VfGH, welcher nach seiner ständigen Rechtsprechung die Abschiebung als bloße Maßnahme zur Vollstreckung vorausgegangener Bescheide qualifiziert hat und diese "Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt" (so ausdrücklich nunmehr § 40 FrG) in der Form einer bestimmten Maßnahme tatsächlicher Art, also um eine der Vollstreckung vorangegangener Bescheide dienende Maßnahme, nicht als selbständig bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iSd Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG gewertet hat (vgl Erkenntnis vom 1.10.1994, B75/94-6) hat der VwGH klar entschieden, daß die Rechtswidrigkeit der Abschiebung trotz Vorliegens durchsetzbarer Bescheide betreffend Aufenthaltsverbot oder Ausweisung mit Maßnahmenbeschwerde nach Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67c AVG geltend gemacht werden kann (vgl VwGH vom 24.2.1995, 94/02/0410; 23.9.1994, 94/02/0139). In seinem Erkenntnis vom 1.10.1994, B 75/94-6, hält der VfGH an dieser Auffassung auch im Hinblick auf das FrG fest, nämlich daß die Abschiebung eine der Vollstreckung vorangegangener Bescheide dienende Maßnahme darstellt. "Dient allerdings die Anwendung von Befehls- und Zwangsgewalt zwecks Abschiebung iSd § 40 FrG nicht bloß der Vollstreckung vorangegangener Bescheide, ist diese als - selbständig bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iSd Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG zu werten". Aufgrund dieser Rechtsprechung ist daher die Beschwerde gegen die Abschiebung des Bf - wie noch näher auszuführen ist - zulässig. Weil der VwGH weiters jenen Verwaltungssenat für örtlich zuständig zur Entscheidung über die Abschiebung hält, in dessen Sprengel die Abschiebung beginnt, ist der O.ö. Verwaltungssenat auch örtlich zuständig (vgl VwGH vom 23.9.1994, 94/02/0139). Weiters ist die Beschwerde auch rechtzeitig. Gemäß § 36 Abs.1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 338/1992 idF BGBl. Nr. 110/1994, können Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar ist, von der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn 1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint oder 2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder

3. aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen oder 4. sie dem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind. Die Abschiebung eines Fremden ist auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unzulässig ist (§ 37) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Gemäß § 37 Abs.1 leg.cit. ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Die Abschiebung eines Fremden in einen Staat, in dem er iSd Abs.2 - nämlich stichhaltige Gründe für die Annahme, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre - bedroht ist, ist nur zulässig, wenn der Fremde aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder wenn er nach rechtskräftiger Verurteilung wegen eines Verbrechens, das mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.

Aufgrund des aktenkundigen und festgestellten Sachverhaltes bestand gegen den Bf zum Zeitpunkt seiner Abschiebung (am 6.6.1995) ein negativer Asylbescheid, dessen Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung zukommt, weshalb der Bf gemäß § 7 Abs.3 Asylgesetz 1991 auch keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung mehr hat. Wie aber hinsichtlich des Aufenthaltsverbotes aktenkundig ist, wurde der Aufenthaltsverbotsbescheid vom 1.6.1995 den eskortierenden Gendarmeriebeamten mit dem Auftrag übergeben, ihn dem Bf zuzustellen. Die Übernahme des zitierten Bescheides wurde noch vom ausführenden Organ mit 6.6.1995 19.43 Uhr bestätigt. Die Bescheidübernahme durch den Bf wurde allerdings laut handschriftlichem Vermerk des Organes am 6.6.1995 verweigert. Dieser Versuch einer Zustellung an den Bf ist aber insofern unzulässig, als bereits am 1.6.1995 im Wege der Telekopie der belangten Behörde die Vertretung des Bf bekanntgegeben und eine entsprechende Vollmacht angeschlossen wurde. Es hätte daher ab diesem Zeitpunkt eine Zustellung an den Bf nicht mehr erfolgen dürfen und war daher, weil ein Zustellungsbevollmächtigter vorhanden war, rechtsunwirksam. Weil erst mit Schreiben der BH Salzburg-Umgebung vom 1.6.1995 der Aufenthaltsverbotsbescheid übermittelt wurde und vom Vertreter durch eigenhändige Zustellung am 8.6.1995 übernommen wurde, war erst zu diesem Zeitpunkt der Aufenthaltsverbotsbescheid bzw der Ausspruch über den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung erlassen und entfaltete erst ab diesem Zeitpunkt seine Rechtswirkungen. Ist nämlich der Behörde ein Zustellbevollmächtigter benannt, so hat die Behörde diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist (vgl Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens zu § 9f, 1185ff). Das Aufenthaltsverbot war daher erst ab 8.6.1995 durchsetzbar. Weil aber Fremde nur dann abgeschoben werden können, wenn gegen sie ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, war die gegenständlich vorgenommene Abschiebung mangels Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes zum Zeitpunkt der Abschiebung rechtswidrig. In solcher Weise war die Abschiebung auch nicht als bloße der Vollstreckung vorangegangener Bescheide dienende Maßnahme anzusehen. Aus diesem Grunde stellte sich die erfolgte Abschiebung am 6.6.1995 als selbständig bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Aus diesem Grunde waren schließlich weitere Ausführungen über die Zulässigkeit der Abschiebung unter dem Blickwinkel der gesetzlichen Abschiebungsverbote nach § 37 FrG entbehrlich.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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