TE Vwgh Erkenntnis 2001/6/26 2001/04/0092

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Veröffentlicht am 26.06.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
25/04 Sonstiges Strafprozessrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/04 Berufsausbildung;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
BAG 1969 §4 Abs4 litd;
StGB §212 Abs1;
TilgG 1972 §6 Abs1;
TilgG 1972 §6 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. August 1997, Zl. MA 63 - K 137/96, betreffend Untersagung der Ausbildung von Lehrlingen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 4 Abs. 4 lit. d des Berufsausbildungsgesetzes - BAG, BGBl. Nr. 142/1969, auf Dauer die Ausbildung von Lehrlingen untersagt.

Zur Begründung stützt sich die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Urteil vom 12. Dezember 1995 rechtskräftig schuldig erkannt worden sei, vom 19. September 1994 bis 11. Februar 1995 in Wien wiederholt unter Ausnützung seiner Stellung als Arbeitgeber und Lehrberechtigter den seiner Ausbildung unterstehenden minderjährigen Lehrling Z., geboren am 12. Februar 1976, zur Unzucht missbraucht zu haben, indem er an ihm Oralverkehr durchgeführt und dadurch das Vergehen des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB begangen zu haben. Aus diesem Urteil ergebe sich, dass der Beschwerdeführer eine homosexuelle Neigung zu Minderjährigen habe, die er unter Ausnützung seines Autoritätsverhältnisses befriedigt habe. Die Veranlagung des Beschwerdeführers in strafrechtlich relevanter Weise sei bei fortgeschrittenem Alter (im 49. Lebensjahr) in Erscheinung getreten, wo die charakterliche Entwicklung als gefestigt angesehen werden müsse. Mit einer Änderung der Sinnesart in absehbarer Zeit sei daher nicht zu rechnen. Damit komme nur eine Untersagung auf Dauer in Betracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 4 Abs. 4 BAG lautet auszugsweise:

"(4) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat einem Lehrberechtigten nach Anhörung der für ihn zuständigen Fachgruppen (Fachvertretung, Kammer der gewerblichen Wirtschaft Sektion Handel) und der Kammer für Arbeiter und Angestellte die Ausbildung von Lehrlingen zu untersagen,

...

d) wenn der Lehrberechtigte oder der Ausbilder die Pflichten gegenüber seinem Lehrling gröblich verletzt, insbesondere wenn eine dieser Personen an dem nicht entsprechenden Ergebnis seiner Lehrabschlussprüfung Schuld trägt, Vereinbarungen betreffend eine Ausbildung im Rahmen eines Ausbildungsverbundes nicht einhält oder diese Personen bzw. die verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Personen wiederholt gemäß § 32 Abs. 1 bestraft wurden und dennoch diesen Pflichten nicht nachgekommen sind, oder

..."

Nach § 4 Abs. 5 erster Satz BAG kann die Ausbildung von Lehrlingen für immer oder auch, je nach Grad des Grundes, aus dem die Nichteignung des Lehrberechtigten oder des Ausbilders anzunehmen ist, für eine angemessene Zeit untersagt werden.

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die von der belangten Behörde herangezogene Verurteilung unterliege der beschränkten Auskunftspflicht gemäß § 6 Abs. 1 und 2 Tilgungsgesetz 1972, weshalb diese Verurteilung nicht berücksichtigt hätte werden dürfen, sondern der Sachverhalt von der belangten Behörde selbst beurteilt hätte werden müssen.

Die Beschwerde vermag damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Es entspricht nämlich ganz allgemein der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Behörde - wenn ausdrückliche gesetzliche Vorschriften nicht entgegen stehen - nicht gehindert ist, die einer (sogar) getilgten Verurteilung zu Grunde liegende Straftat im Rahmen eines zu beurteilenden Gesamtverhaltens zu berücksichtigen. Umso mehr gilt dies für noch nicht getilgte, lediglich einer beschränkten Auskunftspflicht unterliegende Straftat. Selbst dann, wenn eine Verurteilung einer beschränkten Auskunftspflicht im Sinne des § 6 Tilgungsgesetz 1972 unterliegt, hat dies mangels entgegen stehender gesetzlicher Anordnung nicht zur Folge, dass auf die bekannt gewordene Verurteilung nicht Bedacht genommen werden dürfte. Hinsichtlich der Berücksichtigung von im Hinblick auf § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Tilgungsgesetz 1972 (allenfalls gesetzwidrig) erlangten Beweismittel besteht kein Beweisverwertungsverbot (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1999, Zl. 97/19/0787, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die belangte Behörde hätte das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Dezember 1995 nicht heranziehen dürfen, weil dieses "evidenter Maßen als inhaltlich unrichtig zu qualifizieren ist", so wird das Wesen der Bindungswirkung verkannt. Die Behörde ist an rechtskräftige Bestrafungen insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgte, fest steht (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1999, Zl. 96/03/0304). Im Hinblick auf die Bindungswirkung hatte daher die belangte Behörde davon auszugehen, dass im herangezogenen Deliktsfall der Beschwerdeführer - als vom Strafgericht festgestellte Handlung - wiederholt unter Ausnutzung seiner Stellung als Arbeitgeber und Lehrberechtigter den seiner Ausbildung unterstehenden minderjährigen Lehrling zur Unzucht missbraucht habe.

Ausgehend davon kann der belangten Behörde keine rechtswidrige Gesetzesanwendung angelastet werden, wenn sie auf dem Boden der für sie bindend durch strafgerichtliches Urteil festgestellten Handlungsweise des Beschwerdeführers den Untersagungstatbestand des § 4 Abs. 4 lit. d BAG in Ansehung des Beschwerdeführers als erfüllt ansah (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1987, Zl. 86/04/0130). Stellt aber der Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses eine gröbliche Verletzung der Pflichten des Lehrberechtigten dar, so kann es nicht darauf ankommen, ob der Lehrling etwa nach dem "Personalstatut" seines Heimatlandes bereits volljährig gewesen ist - so die Behauptung des Beschwerdeführers - oder nicht. Gleiches hat für das weitere in diesem Zusammenhang gemachte Beschwerdevorbringen zu gelten, es hätte einer (besonderen) Begründungspflicht für das Vorliegen einer "gröblichsten" Pflichtverletzung bedurft, weil "der genannte Lehrling angeblich durch 4 Monate lang von mir belästigt wurde, ohne sich zu wehren, was doch bei einem jungen Mann seines Alters und seines Vorlebens eher als unwahrscheinlich erscheint". Ebenso ändert sich nichts daran, dass der Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses im Sinne des § 212 StGB den Untersagungstatbestand des § 4 Abs. 4 lit. d BAG erfüllt, wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, es hätte "eine detaillierte Abwägung vorgenommen werden müssen, da sich jedenfalls der Fall anders gestaltet als hätte eine sexuelle Belästigung etwa an einem 14-jährigen Mädchen stattgefunden".

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Juni 2001

Schlagworte

rechtswidrig gewonnener Beweisfreie BeweiswürdigungIndividuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001040092.X00

Im RIS seit

21.08.2001

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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