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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §20;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde des A P in T, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstrasse 40, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 20. Oktober 1997, Zl. RV 080-05/03/97, betreffend Rückzahlung eines Guthabens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer reichte am 29. Oktober 1996 eine Umsatzsteuervoranmeldung für September 1996 mit einem Überschuss in Höhe von S 152.148 beim Finanzamt ein und beantragte die Rückzahlung des sich aus der Umsatzsteuervoranmeldung ergebenden Guthabens. Die Verbuchung der Gutschrift am 30. Oktober 1996 ergab nach kontokorrentmäßiger Verrechnung mit diversen anderen Abgaben ein Guthaben in Höhe von S 133.340. Am 29. November 1996 reichte der Beschwerdeführer - gleichfalls verbunden mit einem Rückzahlungsantrag - die Umsatzsteuervoranmeldung für Oktober 1996 mit einem Überschuss in Höhe von S 160.826 ein. Die Verbuchung dieser Gutschrift am 2. Dezember 1996 führte nach Verrechnung mit diversen Lastschriften zu einem Gesamtguthaben in Höhe von S 281.093.
Am 16. Dezember 1996 teilte das Hauptzollamt Innsbruck dem Finanzamt den Bestand einer mit Bescheid vom 19. November 1996 vorgeschriebenen Eingangsabgabenschuld in Höhe von S 124.018 mit, worauf das Finanzamt am 20. Dezember 1996 einen entsprechenden Betrag an das Hauptzollamt überrechnete. In der Folge wurde das Guthaben in verminderter Höhe von lediglich S 157.075 ausbezahlt und die beiden Rückzahlungsanträge mit Bescheid vom 23. Dezember 1996 - teilweise - abgewiesen.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer insbesondere vor, dass der Bescheid des Hauptzollamtes Innsbruck mit Berufung angefochten und daher noch nicht rechtskräftig sei; überdies seien sowohl die Aussetzung der Einhebung als auch die Stundung der Eingangsabgabenschuld beantragt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte sie insbesondere aus, dass nicht die Rechtskraft des Abgabenbescheides, sondern die gesetzlich begründete Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeit im Rückzahlungsverfahren maßgeblich sei. Weder die Einbringung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung noch ein Zahlungserleichterungsansuchen (Stundung) hindere den Eintritt der Fälligkeit der streitgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten und deren Tilgung durch Guthabensverwendung nach § 215 Abs. 1 und Abs. 2 BAO. Entscheidungsrelevant sei somit allein die Tatsache gewesen, dass am Tag der Verwendung des Guthabens, also vor Vollzug der Rückzahlung, die die Rückzahlung durchführende Abgabenbehörde vom Bestand einer fälligen Abgabenschuldigkeit bei einer anderen Abgabenbehörde des Bundes Kenntnis erlangt habe. Unbestritten sei am Tag der Rückzahlung eine fällige Abgabenschuld vorhanden gewesen, die das Finanzamt zur Überrechnung gezwungen habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde erwogen:
Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 21 Abs. 1 UStG 1994 handelt es sich beim Überschuss aus einer Umsatzsteuervoranmeldung um eine Abgabe im Sinne der Bundesabgabenordnung. Ein solcher Überschuss hat, sofern sich das Finanzamt nicht zu einem Vorgehen nach § 21 Abs. 3 UStG 1994 entschließt, grundsätzlich im Wege der Verbuchung auf dem Abgabenkonto zu einer Gutschrift zu führen, deren Schicksal sich nach den nachfolgend zitierten Bestimmungen der Bundesabgabenordnung richtet (siehe hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, 99/13/0098):
§ 213 Abs. 1 BAO ordnet an, dass bei den von derselben Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben und den zu diesen Abgaben zu erhebenden Nebenansprüchen, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, für jeden Abgabenpflichtigen, bei Gesamtschuldverhältnissen für die Gesamtheit der zur Zahlung Verpflichteten, die Gebarung (Lastschriften, Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlass entstandenen Gutschriften) in laufender Rechnung zusammengefasst zu verbuchen ist.
Nach § 215 Abs. 1 BAO ist ein sich aus der Gebarung gemäß § 213 unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
Nach dem zweiten Absatz dieses Paragraphen ist das nach einer gemäß Abs. 1 erfolgten Tilgung von Schuldigkeiten bei einer Abgabenbehörde verbleibende Guthaben zur Tilgung der dieser Behörde bekannten fälligen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die der Abgabepflichtige bei einer anderen Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
Die amtswegige Umbuchung nach § 215 Abs. 1 BAO oder Überrechnung nach § 215 Abs. 2 leg. cit. auf andere Abgabenkonten hat danach zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu erfolgen, ohne dass der Behörde dabei ein Ermessensspielraum eingeräumt wäre (vgl. Ritz, BAO-Kommentar2, Tz 3 f zu § 215 BAO).
Nach § 215 Abs. 4 BAO sind Guthaben, soweit sie nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zu Gunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.
Die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) kann nach § 239 Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Nach § 239 Abs. 2 BAO kann die belangte Behörde den Rückzahlungsbetrag auf jenen Teil des Guthabens beschränken, der die der Höhe nach festgesetzten Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird.
Die Eingangsabgabenschuld, für die in Höhe von S 124.018 eine Überrechnung vorgenommen wurde, wurde vom Hauptzollamt Innsbruck mit Bescheid vom 19. November 1996 vorgeschrieben. Die Fälligkeit trat nach dem Spruch des Bescheides mit Beginn des Tages, an dem die Eingangsabgaben spätestens zu entrichten waren, ein. Für den Zeitpunkt der Entrichtung wurde gemäß Art. 222 des Zollkodex eine Frist von 10 Tagen nach Zustellung vorgeschrieben. Da der Bescheid laut Eingangsstempel erst am 27. November 1996 zugestellt wurde, konnte die Eingangsabgabenschuld am 29. November (dem Datum des Rückzahlungsantrages) bzw. dem 2. Dezember 1996 (dem Tag des Ausweises des Guthabens) noch nicht fällig sein. Damit bestand aber - entgegen der aus dem angefochtenen Bescheid hervorgehenden Auffassung der belangten Behörde - zum Zeitpunkt der Stellung des Rückzahlungsantrages bzw. der späteren Verbuchung des Guthabens noch keine Verpflichtung der Behörde, das Guthaben gemäß § 215 Abs. 2 BAO durch Überrechnung zugunsten des Hauptzollamtes zu verwenden.
Die belangte Behörde war allerdings dennoch nicht gehalten, die beantragte Rückzahlung des Guthabens vorzunehmen. Dies ergibt sich aus § 215 Abs. 4 in Verbindung mit § 239 Abs. 2 BAO. Nach der zuletzt zitierten Bestimmung liegt es im Ermessen der Abgabenbehörde, Guthaben nicht rückzuzahlen, soweit Abgabenschuldigkeiten (spätestens im Zeitpunkt der Erledigung des Rückzahlungsantrages; vgl. Ritz, a.a.O., Tz. 11 zu § 215 BAO) bescheidmäßig festgesetzt sind und diese Schuldigkeiten spätestens drei Monate nach Stellung eines Rückzahlungsantrages zu entrichten sein werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Juni 1999, 96/15/0100, und vom 24. November 1987, 87/14/0097, weiters Ritz, a. a.O., Tz. 11 zu § 215 BAO).
Die Voraussetzungen des § 239 Abs. 2 BAO sind im Beschwerdefall gegeben: Eine bescheidmäßige Festsetzung der Eingangsabgabenschuld liegt unstrittig vor. Auch die vom Beschwerdeführer für sich ins Treffen geführte mangelnde Rechtskraft dieses Bescheides hindert bereits angesichts der Bestimmung des § 254 BAO, nach der durch die Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt ist, die Anwendbarkeit des § 239 Abs. 2 BAO nicht. Im Übrigen datiert die Berufung samt Aussetzungsantrag nach den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Schriftsätzen erst mit 27. Dezember 1996 (somit nach der am 20. Dezember 1996 erfolgten Überrechnung). Die in § 239 Abs. 2 BAO normierte Frist von drei Monaten ist ebenfalls nicht überschritten, da unter dem für den Beginn dieser Frist maßgeblichen Zeitpunkt der "Stellung eines Rückzahlungsantrages" jener Tag zu verstehen ist, in dem der Antrag eingereicht wird.
Insoweit der Beschwerdeführer rügt, dass das Finanzamt seine Ermessensübung iSd § 239 Abs. 2 BAO nicht begründet habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass er keine Billigkeitsgründe dargetan hat, die im Zeitpunkt der Überrechnung (die Berufung verbunden mit einem Aussetzungsantrag wurde erst nach der Überrechnung eingebracht) für eine Ermessensübung zu Gunsten einer Rückzahlung und gegen die Tilgung einer im Jahr 1990 entstandenen Eingangsabgabenschuld hätten sprechen können.
Ergänzend sei angemerkt, dass entgegen der von Stoll, a.a.O., S. 2309, vertretenen Ansicht die Bestimmung des § 239 Abs. 2 BAO nicht nur auf jene Abgaben anwendbar ist, die bei dem Amt, das das Guthaben ausweist, fällig werden. Eine derartige Einschränkung, wie sie von Stoll ohne nähere Begründung vertreten wird, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die vom Gesetzgeber gewählte
Formulierung "... die Abgabenbehörde kann den Rückzahlungsbetrag
auf jenen Teil des Guthabens beschränken, der die der Höhe nach festgesetzten Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird" stellt vielmehr nur auf die Zahlungsverpflichtung des Abgabepflichtigen ab, nicht jedoch darauf, bei welcher Abgabenbehörde diese besteht. Dass § 239 BAO im Gegensatz zur Bestimmung des § 215 BAO keine Regelung für den Fall "konkurrierender Abgabenbehörden" enthält, spricht gleichfalls nicht für das von Stoll vertretene Auslegungsergebnis, da § 239 BAO der Abgabenbehörde, bei der das Guthaben besteht, einen Ermessensspielraum (ob und zu Gunsten welcher Abgabenbehörde das Guthaben verwendet wird) einräumt.
Ob das Hauptzollamt den nach Tilgung der Eingangsabgabenschulden durch die strittige Überrechnung eingebrachten Antrag auf Aussetzung gemäß § 212a BAO zu Recht abgewiesen hat, ist im Rahmen der vorliegenden Beschwerde - mit dem angefochtenen Bescheid wird lediglich über die Rückzahlungsanträge des Beschwerdeführers abgesprochen - nicht zu entscheiden.
Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. Juni 2001
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1997140166.X00Im RIS seit
06.12.2001Zuletzt aktualisiert am
17.05.2013