TE Vfgh Erkenntnis 1998/9/29 B3204/96

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Veröffentlicht am 29.09.1998
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Index

20 Privatrecht allgemein
20/13 Sonstiges

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs2
EisenbahnenteignungsG §4 Abs2
BStG 1971 §18 Abs2

Leitsatz

Quasi-Anlaßfallwirkung der Aufhebung eines Teils der Kostenersatzregelung im Enteignungsverfahren; keine Beschwerdelegitimation des dinglich Berechtigten im Enteignungsverfahren; teilweise Ablehnung der Beschwerden

Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid insoweit in ihren Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes verletzt worden, als damit die Berufung gegen die im Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides zuerkannte Pauschalvergütung zur Abgeltung von Aufwendungen der Enteigneten gemäß §7 Abs3 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954, BGBl. Nr. 71/1954, idF des Strukturanpassungsgesetzes BGBl. Nr. 297/1995 abgewiesen wurde.

Der angefochtene Bescheid wird in diesem Umfang aufgehoben.

Das Land Steiermark ist schuldig, der Beschwerdeführerin die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

II. Im übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 9.4.1996 wurde eine im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Grundfläche bei gleichzeitiger Festsetzung der Höhe der dafür zu leistenden Entschädigung dauernd und lastenfrei enteignet (Spruchpunkt I). Unter einem wurde der Enteigner - bei gleichzeitiger Abweisung des Mehrbegehrens - dazu verpflichtet, der Beschwerdeführerin gemäß §74 Abs2 AVG iVm §50 Abs1 des Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 idF LGBl. für Steiermark Nr. 133/1974 sowie §44 Abs1 und §7 Abs3 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 idF des Strukturanpassungsgesetzes BGBl. Nr. 297/1995 für deren rechtsfreundliche Vertretung Kosten in der Höhe von S 5.000,-- zu ersetzen (Spruchpunkt II).

Die gegen beide Spruchpunkte des erstinstanzlichen Bescheides erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7.8.1996 abgewiesen.

2.1. Gegen den letztgenannten Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten infolge der Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung beantragt wird.

2.2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.

3. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Zuerkennung der Pauschalkostenvergütung gemäß §7 Abs3 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 richtet, im Ergebnis begründet. Im übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß anderer Beschwerdeverfahren mit Erkenntnis vom 17.6.1998, G372/97 ua., §7 Abs3 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, idF des ArtXVIII Z1 des Strukturanpassungsgesetzes BGBl. Nr. 297/1995 als verfassungswidrig aufgehoben.

Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 17.6.1998 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 3.10.1996 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war. Die Beschwerdeführerin wurde somit in Rechten infolge der Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung verletzt.

Der Bescheid ist daher insoweit aufzuheben.

3.2. Insofern sich die Beschwerde in allen übrigen Punkten gegen den angefochtenen Bescheid richtet, wird ihre Behandlung unter folgenden Überlegungen einstimmig abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer Angelegenheit, die nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgeblichen Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die Beschwerde rügt die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen. Die Sache ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 und §19 Abs3 Z1 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 3.000,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Straßenverwaltung, Enteignung, Parteistellung Straßenverwaltung, Parteistellung Eisenbahnrecht, VfGH / Anlaßfall, Bescheid Trennbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B3204.1996

Dokumentnummer

JFT_10019071_96B03204_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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