RS UVS Oberösterreich 1996/03/08 VwSen-300048/2/Weg/Ri

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Veröffentlicht am 08.03.1996
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Rechtssatz

Gemäß § 3 Abs.1 O.ö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt. Gemäß Abs.2 leg.cit. sind unter störendem Lärm alle wegen ihrer Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz für das menschliche Empfinden unangenehm in Erscheinung tretende Geräusche zu verstehen. Gemäß Abs.3 leg.cit ist störender Lärm dann als ungebührlicherweise erregt anzusehen, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärms führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muß und jene Rücksichtnahme vermissen läßt, die die Umwelt verlangen kann. Im Abs.4 leg.cit. ist noch demonstrativ aufgezählt, was als Verwaltungsübertretung anzusehen ist. Es handelt sich hiebei um die Lärmerregung durch Kraftfahrzeuge sowie durch Rundfunk- und Fernsehgeräte.

Es ist zunächst die Frage zu prüfen, ob ein Mähdrescher neuerer Bauart Geräusche verursacht, die wegen ihrer Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz für das menschliche Empfinden unangenehm in Erscheinung treten. Gegebenenfalls würde störender Lärm vorliegen. Damit Lärm stören kann, muß sich begrifflich eine Person, die diese Geräusche aufnimmt, im Hörbereich befinden. Es könnte nur auf Grund eines Lokalaugenscheines bei annähernd identischen Bedingungen überprüft werden, ob im ca 300 m entfernten, zum Teil verstellten Haus des Anzeigeerstatters Geräusche zu vernehmen waren, die als störender Lärm zu qualifizieren sind. Das Wort "störend" enthält eine subjektive Komponente. Überempfindsame Menschen werden sich selbst durch leiseste Geräusche gestört fühlen, weniger empfindsame und tolerantere Personen dagegen nicht. Der Anzeigeerstatter dürfte zur ersteren Kategorie zählen und kann nicht als Maßstab hinsichtlich der Zumutbarkeit von Geräuschverursachungen angesehen werden. Für diese Überempfindsamkeit sprechen die eingangs angeführten, zahllosen und mehrere Ordner füllenden Anzeigen. Einen maßgerechten Menschen wird - selbst wenn der Schallpegel für diese Tageszeit nicht mehr angebracht wäre - die Tätigkeit eines die Ernte einfahrenden Bauern nicht stören, wenn einerseits abzusehen ist, daß die Tätigkeiten bald verrichtet sind und nicht die ganze Nacht hindurch andauern und andererseits bei dieser Arbeit ersehen werden kann, daß ein so hohes Gut wie Weizen eingebracht und in die Nahrungsmittelkette weitergeleitet wird. Einen einigermaßen toleranten Menschen erfüllt diese Tätigkeit mit Freude, welche geeignet ist, die Lärmerregung als leicht erduldbar in Kauf zu nehmen.

Es liegt also nach Ansicht der Berufungsbehörde bei Berücksichtigung aller geschilderten Umstände keine die ca. 300 m entfernte Nachbarschaft störende Lärmerregung vor, wenn ein Bauer mit einem neuen Mähdrescher einmal jährlich von 21h - 23h (Sommerzeit) die Ernte und seine Lebensgrundlage einbringt, bevor es die Witterung möglicherweise verhindert.

Es liegt aber im konkreten Fall auch das Tatbestandsmerkmal der Ungebührlichkeit nicht vor. Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß der Lärm im Sinne des § 3 Abs.2 leg.cit. als störend zu qualifizieren wäre, so ist das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärmes führt, nicht als gegen ein Verhalten verstoßend anzusehen, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muß und jene Rücksichtnahme vermissen läßt, die die Umwelt verlangen kann. Das Einbringen der Ernte bei sonst unter Umständen möglichem Ernteausfall kann und muß von anderen Menschen geduldet werden, insbesondere dann, wenn auf Grund des Fortschrittes der Arbeit ein baldiges Ende abzusehen ist. Die Bauernschaft hat ein Anrecht darauf, ihre Ernte einzubringen, selbst wenn dies an einem Samstag nachmittag, an einem Sonntag oder in den späteren Abendstunden erfolgt. Eine gegenteilige Ansicht würde diesen - ohnehin nicht verwöhnten - Berufsstand weiter in seiner Lebensexistenz bedrohen. Da sohin im gegenständlichen Fall nicht davon auszugehen ist, daß Drescharbeiten zwischen 21 Uhr und 23 Uhr (Sommerzeit) ein Verhalten darstellen, welches als ein ungebührlicherweise störenden Lärm verursachendes zu qualifizieren ist, wobei die allenfalls gestörten Nachbarn mehrere hundert Meter entfernt wohnen, erübrigt es sich auf die Schuldkomponente bzw auf einen die Strafbarkeit ausschließenden Notstand einzugehen. Es wird aber auch dazu angemerkt, daß das Einbringen der Ernte und die damit verbundene Lärmerregung nicht strafbar sein kann, wenn ansonsten (etwa auf Grund der Wetterlage) zu befürchten wäre, daß die Ernte als die entscheidende Lebensgrundlage des Bauern nicht mehr eingebracht werden kann (Notstand gemäß § 6 VStG).

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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