RS UVS Oberösterreich 1996/03/14 VwSen-221157/10/Schi/Ka

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Veröffentlicht am 14.03.1996
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S.a. VwSen-221319/7/Gu/Atz vom 8.2.1996 Rechtssatz

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, daß entsprechend dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lediglich die Verabreichung von verschiedenen Speisen, nicht aber der Ausschank von alkoholischen oder nichtalkoholischen Getränken dem Bw zur Last gelegt wurde. Auch die Berufungsbehörde darf daher sachlich nicht über "mehr" entscheiden, als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz war (VwGH 31.3.1987, Zl.84/07/0086). Das heißt für den gegenständlichen Fall, daß der unabhängige Verwaltungssenat keine Feststellungen darüber treffen darf, welcher Ausschank von Getränken im Rahmen des Buschenschankes zulässig gewesen wäre. Hinsichtlich des (unzulässigen) Ausschankes alkoholischer Getränke wie Bier und Schnaps wird auf ein kürzlich ergangenes Erkenntnis des O.ö. Verwaltungssenates vom 8.2.1996, VwSen-221319/7/Gu/Atz, hingewiesen.

Weiters ist darauf zu verweisen, daß dem Bw auch die Verabreichung von warmen Speisen ("Schweinernes, welches kalt oder warm serviert wird") zur Last gelegt wurde und er dies auch zugestanden hat (siehe Niederschrift der BH Urfahr-Umgebung vom 30.8.1994). Allein schon in dieser Hinsicht hat der Bw eindeutig seinen Berechtigungsumfang überschritten, da § 2 Abs.9 letzter Satz GewO 1994 ausdrücklich bestimmt, daß die Verabreichung von warmen Speisen aufgrund dieser Ausnahmebestimmung nicht zulässig ist. Hier ist noch darauf zu verweisen, daß sogar die Buschenschankgesetze der Bundesländer (vgl NÖ - §§ 11, Wien - § 10 Abs.2, Burgenland - § 7 Abs. 3 und Steiermark - § 5 Abs. 2) ebenfalls die Verabreichung von warmen Speisen ausdrücklich untersagen. Der Bw hat somit allein schon deshalb seine Berechtigung im Rahmen des Buschenschankes überschritten. Weiters war aber noch zu prüfen, inwieweit die im Spruch angeführten kalten Speisen rechtlich zu beurteilen sind. Während nun in den Buschenschankgesetzen der angeführten Bundesländer jene kalten Speisen, im einzelnen angeführt sind, verabreicht werden dürfen, fehlt für das Bundesland Oberösterreich ein derartiges Landesgesetz. Wie bereits sowohl in der Stellungnahme der Handelskammer sowie im Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 8.3.1993 schlüssig und zutreffend dargelegt wurde, hängen diese Befugnisse vom Herkommen im jeweiligen Bundesland ab (vgl dazu auch die Erl. zur RV 395 Blg.Nr. 13 GP).

Für Oberösterreich heißt dies im Ergebnis, daß die Verabreichung der im Spruch angeführten kalten Speisen ungesetzlich war bzw über den Berechtigungsumfang des Buschenschankes hinausgeht. Dies geht zunächst aus den eindeutigen Ergebnissen der rechtshistorischen Untersuchung der Wirtschaftskammer Oberösterreich (mit Unterstützung des - seinerzeitigen - Zentralkataloges der wissenschaftlichen Bibliotheken der o.ö. Landesregierung) hervor; dabei wird im Gutachten vom 7.7.1992 im einzelnen dargelegt, daß bereits seit sehr früher Zeit (16. Jhdt) verschiedenste Klagen über einschlägige Tätigkeiten der Bauern erhoben worden waren, wobei als Folge von der jeweils zuständigen Landesbehörde entsprechende Anweisungen und Maßnahmen ergangen sind; so zB als frühest nachweisbare Quellen ein Verbot des Landeshauptmannes vom März 1757, ein Beschluß der oberösterreichischen Landstände vom 25.8.1757 (Beschränkung des Mostausschankes auf zwei Tage im Jahr) sowie ein Dekret der obderennsischen Landesregierung vom 6.1.1827; weiters für die jüngere Vergangenheit ein Erlaß der OÖ Landeshauptmannschaft vom 3.11.1934, Zl. 31.1572/2-1934, betreffend den Buschenschank, in dem ua in Ziffer 3 bestimmt wird, daß "die Verabreichung von Speisen aller Art (Brot selbstverständlich ausgenommen) und von alkoholischen Getränken.... unbedingt verboten ist".

Es scheint daher eindeutig klargestellt, daß sich der Bw auch hinsichtlich der Verabreichung der angeführten kalten Speisen nicht mit Erfolg auf ein entsprechendes Herkommen in Oberösterreich berufen konnte. Auch die Ausführungen der Landwirtschaftskammer für OÖ. konnten an diesem Ergebnis nichts ändern, zumal im wesentlichen nur auf den angeführten Feststellungsbescheid des Amtes der o.ö. Landesregierung Bezug genommen wurde, der jedoch mit dem o.a. Bescheid des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten aufgehoben worden war; dabei wurde mit ausführlicher und schlüssiger Begründung dargelegt, daß in Ländern ohne Buschenschankregelung der Umfang der jeweiligen Nebenbefugnisse nur im Wege der Prüfung des Herkommens hinsichtlich der einzelnen verabreichten Speisen festgestellt werden kann.

Schließlich war noch zu prüfen, ob nicht die Verabreichung von kalten Speisen bei Mostschenken in OÖ inzwischen gewohnheitsrechtlich doch zulässig geworden ist, zumal in den letzten Jahren objektiv eine Zunahme derartiger Tätigkeiten festzustellen ist. Insbesondere einige Ausführungen des Bw in seiner abschließenden Stellungnahme vom 24.1.1996 scheinen in diese Richtung zu gehen.

Unter "Gewohnheitsrecht" wird Recht verstanden, das durch lang andauernde Übung der Rechtsgenossen entsteht, wobei dieses tatsächliche Verhalten von "Rechtsüberzeugung" getragen sein muß (vgl Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien 1986, S 178ff). Spricht man von Gewohnheitsrecht, so ist dabei nicht an "Gewohnheiten", also an jene Fälle gedacht, in denen das gesatzte Recht auf tatsächliche Verhaltensweisen, etwa auf die "Übung" oder auf die "Verkehrssitte" innerhalb bestimmter Gruppen und Kreise Bezug nimmt. In diesem Zusammenhang ist gerade auf den verfahrensgegenständlichen Hinweis in § 2 Abs.9 GewO 1994 betreffend das "Herkommen im jeweiligen Bundesland" Bedacht zu nehmen. Derartige Verweisungen auf gruppenübliche Verhaltensweisen sind keine Einschränkung der Herrschaft des gesatzten Rechts; die damit gemeinten "Gewohnheiten" oder "Übungen" sind vielmehr mittelbarer Inhalt des gesatzten Rechts; sie haben aufgrund der Verweisung ihre Rechtsgrundlage im Gesetz selbst, und sind nicht selbst Rechtsquelle. Eine solche wäre erst gegeben, wenn bestimmte, mit Rechtsüberzeugung geübte Gewohnheiten unabhängig von einer Verweisung im gesatzten Recht neues Recht schaffen oder gesatztem Recht derogieren könnten.

Liegt nun hier ein solches Gewohnheitsrecht als eigene Rechtsquelle, die dem gesatztem Recht gleichwertig ist, vor? Dies muß wohl eindeutig verneint werden. Denn aus der Tatsache allein, daß sich die Rechtsunterworfenen mit Rechtsüberzeugung in bestimmter Weise verhalten, kann nämlich noch nicht gefolgert werden, daß man sich so verhalten soll, weil aus einem bloßen Sein nicht ein Sollen abgeleitet werden kann. Im übrigen wäre im vorliegenden Fall (zum jetzigen Zeitpunkt) auch das konstitutive Element der "langdauernden Übung" (noch) nicht erfüllt. Aus all diesen Gründen konnte somit vom Vorliegen eines entsprechenden Gewohnheitsrechtes nicht ausgegangen werden. Es steht sohin fest, daß der Bw tatbestandsmäßig und, indem er gegen die obzitierten Rechtsnormen der GewO 1994 verstoßen hat, auch rechtswidrig gehandelt hat. Da im Bundesland Oberösterreich kein Buschenschank-Landesgesetz existiert, hätte der Bw zumindest eine Anmeldung des "freien" Gastgewerbes nach § 143 Z.7 GewO 1994 durchführen oder die entsprechende Gastgewerbeberechtigung erlangen müssen, um nicht gegen die GewO 1994 zu verstoßen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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