RS UVS Oberösterreich 1996/04/03 VwSen-260178/2/Wei/Bk

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Veröffentlicht am 03.04.1996
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Rechtssatz

Die Unterstellung des angelasteten Tatverhaltens unter § 137 Abs.2 lit.h WRG 1959 ist von vornherein unschlüssig, weil es gegenständlich nicht um Einleitungen in eine bewilligte öffentliche Kanalisation geht, die von einem Kanalisationsunternehmer gemeinsam mit einer Abwasserreinigungsanlage betrieben wird. Da die belangte Behörde von einer wasserrechtlichen Bewilligungspflicht ausging, hätte sie aus ihrer Sicht grundsätzlich den Tatbestand der konsenslosen Einwirkung auf Gewässer gemäß § 137 Abs.3 lit.g 1. Fall WRG 1959 heranziehen müssen.

Allerdings ist die wasserrechtliche Vorfrage der Bewilligungspflicht zu klären. In Betracht kommt allenfalls § 32 Abs.2 lit.a WRG 1959, wonach Einbringungen in Gewässer mit den dafür erforderlichen Anlagen der Bewilligung bedürfen. Fraglich ist die Bewilligungspflicht schon deshalb, weil lediglich das sich in den Künetten sammelnde Oberflächenwasser abgepumpt wurde. Für eine solche Maßnahme bedarf es für gewöhnlich keiner Bewilligung, weil im Regelfall nur an eine geringfügige Einwirkung iSd § 32 Abs.1 WRG 1959 zu denken wäre. Nimmt man andererseits an, daß das Oberflächenwasser mit Zementrückständen verunreinigt war und deshalb einen stark alkalischen pH-Wert aufwies, so dürfte ein solches Abwasser ohne vorhergehende Neutralisation nie in ein Gewässer abgepumpt werden. Die Maßnahme wäre gar nicht bewilligungsfähig. Schon diese Überlegungen zeigen, daß im Falle einer vereinzelt gebliebenen Gewässerverunreinigung eigentlich kein Fall des § 32 WRG 1959, sondern nur einer des § 31 WRG 1959 vorliegen kann.

Zur Abgrenzung der Tatbestände des § 32 WRG 1959 von jenen des § 31 WRG 1959 vertritt der Verwaltungsgerichtshof für die Anwendbarkeit des § 32 WRG die Auffassung, daß es sich um einen konkret wirksamen und beabsichtigten Angriff auf die bisherige Beschaffenheit von Wasser handeln müsse, der planmäßig durch Einbringung von wassergefährdenden Stoffen unter Verwendung von Anlagen erfolgt. Zielt eine Maßnahme nicht projektsgemäß auf eine Gewässereinwirkung ab, scheidet eine Bewilligungspflicht nach § 32 WRG 1959 aus. Kommt es dennoch zu einer Gewässerverunreinigung, so ist dieser nach § 31 WRG 1959 zu begegnen (vgl näher mwN Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht (1993), Rz 13 zu § 32 WRG).

Bei dieser Rechtslage war in den vorliegenden Fällen von vornherein nicht an eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht nach § 32 Abs.2 lit.a WRG 1959, sondern an die allgemeine Sorgfaltspflicht zur Reinhaltung von Gewässern nach § 31 Abs.1 iVm § 137 Abs.3 lit.d WRG 1959 zu denken.

Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates leidet das angefochtene Straferkenntnis unter gravierenden Ermittlungs- und Aufklärungsmängeln, die auch wesentliche Feststellungsmängel zur Folge hatten.

Durch den aktenkundigen Bericht des Dr. E K von der Bundesanstalt für Fischereiwirtschaft ist erwiesen, daß am Nachmittag des 21. November 1994 trübes, augenscheinlich durch Lehm oder Erde verunreinigtes Wasser aus dem Kanalrohr am rechten Ufer in den M floß. Die Untersuchung der Probe aus dem Kanalrohr ergab einen weit überhöhten pH-Wert von 11,70, der auf stark alkalisches Abwasser hindeutete. Ungeklärt ist geblieben, in welcher Menge und Zeit Abwasser dieser Art in den M gelangten. Der für den M entstandene Schaden konnte daher von Dr. K nicht genau abgeschätzt werden. Daß eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung der Wassergüte des M am 21. November 1994 stattgefunden hat, erscheint aber ausreichend dokumentiert.

Für die nach der Gendarmerieanzeige am 22.11.1994 nur kurzfristigen neuerlichen Einleitungen von Regenwasser aus den Künetten in den M liegt keine pH-Wert Untersuchung vor. Insofern ist nach der Gendarmerieanzeige lediglich eine augenscheinliche lehmige Verschmutzung des Wassers objektiviert. Ungeklärt geblieben ist die entscheidungswesentliche Frage, ob das aus den Künetten am 22.11.1994 abgepumpte Regenwasser ebenfalls einen weit überhöhten pH-Wert aufwies oder nicht. Die belangte Behörde hat die abermalige stark alkalische Eigenschaft des abgepumpten Künettenwassers offenbar unterstellt. Welche objektiven Anhaltspunkte auch am 22.11.1994 für diese Annahme sprachen, hat die Strafbehörde nicht dargelegt. Ein Grund könnte die Herkunft des abgepumpten Wassers aus den gleichen Künetten wie am Vortag sein. Dies wäre aber keinesfalls zwingend, zumal neues sich dort ansammelndes Oberflächenwasser andere chemische Eigenschaften haben konnte wie am Vortag. Um solcherart Schlüsse ziehen zu können, wäre es zumindest erforderlich gewesen, aufzuklären, ob und warum das sich in den Künetten am 21.11.1994 sammelnde Oberflächenwasser durch Zementrückstände verunreinigt sein konnte. Zu dieser Frage hat die belangte Strafbehörde keinerlei Ermittlungen veranlaßt. Solche hätten aber frühzeitig und sinnvollerweise unter Beiziehung von geeigneten Amtssachverständigen an Ort und Stelle durchgeführt werden müssen, um eine umfassende Aufklärung und Beweissicherung zu erreichen. Völlig offen geblieben ist etwa die entscheidungswesentliche Beweisfrage, ob damals frische Betonierungsarbeiten durchgeführt wurden und dabei die Möglichkeit der Auswaschung von Beton und der Anreicherung von Zementschlempe im Oberflächenwasser bestand. Nicht einmal die Stellungnahme der Firma K vom 9.1.1995, in der die mit der örtlichen Bauleitung abgesprochene Art der Beseitigung des Oberflächenwassers angesprochen und die Kontamination des abgepumpten Regenwassers durch Zementrückstände wegen der bloßen Verwendung von Lieferbeton als nicht verständlich angesehen wurde, hat die belangte Behörde zu weiteren Erhebungsschritten veranlaßt.

Es liegt auf der Hand, daß derart substanzielle Versäumnisse der Strafbehörde nicht nach Jahren in einer Berufungsverhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat saniert werden können. Die Erinnerungsfähigkeit von Zeugen nimmt erfahrungsgemäß schon nach Monaten stark ab und ein Lokalaugenschein kann im Hinblick auf längst veränderte örtliche Verhältnisse kein relevantes Beweisergebnis mehr erbringen. Bei realistischer Betrachtung kann daher für den 22.11.1994 nicht als erwiesen angesehen werden, daß die an diesem Tag abgepumpten Künettenwässer stark alkalisch und damit schädlich für den M waren. Bloße Verschmutzungen des Wassers durch Erdreich oder Lehm können unter den gegebenen Umständen nur als geringfügig betrachtet werden. Der erkennende Verwaltungssenat hält diesen Aspekt im vorliegenden Fall für unerheblich, weil damit auch nach dem Bericht des Dr. K keine nachteiligen Auswirkungen auf den M verbunden gewesen wären. Auch durch Regenfälle gelangt immer wieder mit Erdreich oder Schotter angereichertes Oberflächenwasser in Gewässer, ohne daß deshalb die Wassergüte spürbar beeinträchtigt wird.

Was den angelasteten Vorfall vom 6.12.1994 betrifft, konnte der einschreitende Gendarmeriebeamte trotz unverzüglichen Einschreitens an Ort und Stelle um 12.00 Uhr die Behauptung des Anzeigers über eine neuerliche starke Verschmutzung des M nicht einmal ansatzweise bestätigt finden. Deshalb wurde auch nur ein Bericht und keine weitere Anzeige erstattet. Dieser Vorfall entbehrt nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates von vornherein jeglicher gesicherten Beweisgrundlage und bedarf daher keiner weiteren Erörterungen. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, daß für den 22.11.1994 und den 6.12.1994 eine relevante Gewässerverunreinigung des M nach der Aktenlage nicht objektiviert werden kann. Die belangte Strafbehörde hat kein brauchbares Ermittlungsverfahren durchgeführt, weshalb Beweise nicht rechtzeitig erhoben und gesichert wurden und die mittlerweile noch wesentlich verschlechterte Beweislage keine sachdienlichen Sachverhaltsfeststellungen mehr erwarten läßt. Wie es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht und auch aus der Stellungnahme der Firma K vom 9.1.1995 klar hervorgeht, war nicht der Bw als Geschäftsführer und vertretungsbefugtes Organ iSd § 9 Abs 1 VStG, sondern der vor Ort tätige Polier oder allenfalls der Bauleiter der Firma K, welche Personen als Zeugen für die ordnungsgemäße Vorgangsweise namhaft gemacht wurden, für die konkret durchgeführte Entsorgung des Oberflächenwassers verantwortlich. Die Behauptung in der Gendarmerieanzeige, daß der Bw als verantwortlicher Bauleiter die Einleitung des verschmutzten Oberflächenwassers bewilligte, entbehrt einer aktenkundigen Grundlage. Der belangten Strafbehörde, die sich diese Behauptung unkritisch und unüberprüft zu eigen gemacht hat, ist entgegenzuhalten, daß sie die schriftliche Rechtfertigung vom 9.1.1995 offenbar weitgehend mißverstanden und rechtlich falsch beurteilt hat, wenn sie dazu nur lapidar ausführt, daß der Bw die Einleitung von Oberflächenwässern bestätigt habe. Mit dieser Feststellung ist noch überhaupt nichts über die strafrechtliche Verantwortlichkeit ausgesagt.

Täter des fahrlässigen Erfolgsdelikts gemäß § 137 Abs.3 lit.d WRG 1959 ist, wer sorgfaltswidrig eine Gewässerverunreinigung bewirkt. Diese Haftung für Gewässerverunreinigungen beruht auf einer Reinhaltepflicht für jedermann und hat mit der Verantwortlichkeit iSd § 9 Abs.1 VStG des vertretungsbefugten Geschäftsführers, der für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch eine juristische Person einzustehen hat, nichts zu tun (vgl bereits das

h. Erkenntnis vom 22.04.1994, VwSen-260117, im Anlaßverfahren Wa-XX der belangten Behörde). Es war daher schon im Ansatz verfehlt, daß die Strafbehörde auch für die Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs.3 lit d) WRG 1959 die Verantwortlichkeit des Bw auf § 9 VStG stützte.

Die belangte Strafbehörde hätte mangels Anwendbarkeit der Beweislastregel des § 5 Abs.1 Satz 2 VStG alle für einen Fahrlässigkeitsvorwurf in objektiver und subjektiver Hinsicht erforderlichen Tatsachen ermitteln und die entscheidungswesentlichen Feststellungen treffen müssen. In welchem konkreten Verhalten des Bw eine Verletzung von Sorgfaltspflichten gelegen war, wird im angefochtenen Straferkenntnis überhaupt nicht angeführt. Ein bestimmter Sorgfaltsverstoß wurde weder im Spruch noch in der Begründung ausgeführt. Aufgrund des äußerst oberflächlichen Verfahrens fehlte es bereits an der Ermittlung einer ausreichenden Tatsachengrundlage für einen konkreten Verhaltensvorwurf. Die bloße Nacherzählung der Gendarmerieanzeige konnte ein ordentliches Ermittlungsverfahren zu der allein entscheidungswesentlichen Tatfrage der Einhaltung der unter den konkreten Umständen gebotenen Sorgfalt nicht ersetzen. Dabei wäre nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates vor allem das Verhalten des für die Baustelle verantwortlichen Poliers der Firma K auf allfällige Sorgfaltsmängel näher zu untersuchen gewesen. Die belangte Behörde hat im Ergebnis eine unzutreffende Erfolgshaftung des Bw angenommen. Sie hätte einzelfallbezogene Feststellungen treffen müssen und für die Sorgfaltsanforderungen auf das Verhalten abstellen müssen, das nach dem anerkannten Sorgfaltsmaßstab eines einsichtigen und besonnenen Menschen aus dem Verkehrskreis des Täters (sog differenzierte Maßfigur) in der konkreten Situation verlangt werden kann (vgl dazu mwN Burgstaller, Wiener Kommentar, § 6 Rz 36 und 38; Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, Besonderer Teil I, 3.A 1990, § 80 Rz 16; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3.A 1992, § 6 Rz 6 und 12; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4.A 1990, 706).

Die belangte Strafbehörde hat keine hinreichend konkretisierte und unverwechselbare Tatanlastung iSd § 44a Z1 VStG vorgenommen (vgl näher mwN zur Konkretisierungspflicht Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4.A 1990, 937ff). Der Vorwurf stellt nur auf den eingetretenen Erfolg ab. Das maßgebliche sorgfaltswidrige Verhalten und die näheren Umstände, die am 21.11.1994 zur Verunreinigung des M-baches führten, werden nicht konkretisiert. Vielmehr fehlen jegliche Anhaltspunkte über allfällige Sorgfaltsmängel des Bw oder anderer Personen, die zur Gewässerverunreinigung führten. Der Schuldspruch läßt keine eindeutige und unverwechselbare Zuordnung zu den Fahrlässigkeitsmerkmalen des § 137 Abs.3 lit.d WRG 1959 zu, weil er unter gravierenden Feststellungsmängeln leidet, die eine rechtsrichtige Subsumtion unter den Fahrlässigkeitsbegriff von vornherein ausschließen.

Nach der Aktenlage hat die belangte Strafbehörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt gar nicht erhoben. Selbst nach der schriftlichen Rechtfertigung des Bw wurde kein ordentliches Ermittlungsverfahren zur rechtserheblichen Frage der nach den konkreten (!) Umständen gebotenen Sorgfalt durchgeführt, sondern einfach das Straferkenntnis erlassen. Es verwundert daher nicht, daß als Folge der versäumten Beweisaufnahmen entscheidungsrelevante Feststellungsmängel unterlaufen sind. Im Ergebnis waren die Strafverfahren zu 1.a, 2.a und 3.a gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG schon aus rechtlichen Gründen einzustellen, weil der beschuldigte Bw weder die Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs.2 lit.h noch jene nach § 137 Abs.3 lit.g WRG 1959 begangen hat. Hinsichtlich der Strafverfahren zu 1.b, 2.b und 3.b fehlt es an einem ausreichenden Tatvorwurf und geeigneten Feststellungen, wobei mittlerweile mangels tauglicher Verfolgungshandlung auch längst Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Außerdem konnte für die Strafverfahren zu 2.b und 3.b nicht einmal eine relevante alkalische Verunreinigung des M erwiesen werden. All diese Strafverfahren waren daher gemäß § 45 Abs.1 Z1 und Z3 VStG einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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