TE Vwgh Erkenntnis 2001/6/27 2001/18/0096

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Veröffentlicht am 27.06.2001
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
FrG 1993 §36 Abs1;
FrG 1997 §35 Abs3;
FrG 1997 §37 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des D K, geboren am 14. Februar 1975, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. März 2001, Zl. SD 918/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. März 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei erstmals im Jahr 1990 nach Österreich eingereist und habe im Anschluss Aufenthaltsbewilligungen, zuletzt am 23. April 1998 eine für unbestimmte Zeit, erhalten.

Am 2. Juli 1998 sei er gemäß § 28 Abs. 2 und 3 Suchtmittelgesetz iVm § 15 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 12. Mai 1998 gewerbsmäßig 492,4 Gramm Heroin an einen verdeckten Ermittler zu verkaufen versucht habe. Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei daher erfüllt.

Es könne kein Zweifel bestehen, dass das der Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß gefährde. Das Aufenthaltsverbot sei daher im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer verfüge über familiäre Bindungen im Bundesgebiet zu seinen Eltern, seinem Bruder und seiner Tochter, lebe aber mit den genannten Personen ebenso wenig im gemeinsamen Haushalt wie mit der Mutter seiner Tochter. Während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet sei er "weitgehend" einer Beschäftigung nachgegangen. Das Aufenthaltsverbot sei daher mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und der damit verbundenen Wiederholungsgefahr sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Dies umso mehr als der Beschwerdeführer gewerbsmäßig, also in der Absicht, sich durch den Verkauf von Suchtmitteln eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, gehandelt habe.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass der aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich gemindert werde. Die Bindung des Beschwerdeführers zu seinen Eltern und seinem Bruder werde durch den Umstand relativiert, dass er bereits erwachsen sei. Einer Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter könne der Beschwerdeführer - wenn auch möglicherweise in eingeschränktem Umfang - auch aus dem Ausland nachkommen. Unter Bedachtnahme auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten voller Integration eines Fremden nicht rechtswidrig sei, wögen die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

§ 38 Abs. 1 Z. 2 FrG stehe der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden sei. Da der Beschwerdeführer vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes, also vor dem 12. Mai 1998, noch keinen zehnjährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gehabt habe, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG zulässig. Daran könne der Umstand, dass dem Beschwerdeführer die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft bereits zugesichert worden sei, nichts ändern.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände, habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können. In diesem Zusammenhang werde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach bei einem Fremden, der in einer dem § 35 Abs. 3 FrG entsprechenden Weise verurteilt worden sei, die Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes erfolgen würde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren kann die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

1.2. Der Beschwerdeführer hat ein Suchtgiftdelikt in Bezug auf die große Menge von fast einem halben Kilogramm des besonders gefährlichen Suchtgiftes Heroin begangen. Er ging dabei in der Absicht vor, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig gemäß § 70 StGB). Diese Absicht des Beschwerdeführers dokumentiert die Suchtgiftdelikten innewohnende große Wiederholungsgefahr und damit die vom Beschwerdeführer ausgehende erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen. Sofern der Beschwerdeführer darauf verweist, dass er sich seit seiner Haftentlassung vor etwa einem Jahr wohlverhalten habe, ist ihm zu entgegnen, dass dieser Zeitraum zu kurz ist, um auf einen Wegfall oder auch nur eine entscheidende Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr schließen zu können.

Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit derartiger Suchtgiftdelikte bestehen gegen die Auffassung der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, keine Bedenken.

2.1. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Aufenthaltsdauer sowie den inländischen Aufenthalt von Eltern, Bruder und Tochter des Beschwerdeführers berücksichtigt. Eine Relativierung erfährt die Beziehung zu diesen Personen durch die unstrittig nicht bestehende Haushaltsgemeinschaft. Weiters hat die belangte Behörde auf die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers Bedacht genommen.

Die vorgebrachten Umstände, dass der Beschwerdeführer seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter nachkomme und ihm die Verleihung der Staatsbürgerschaft (vor Begehung der Straftat) bereits zugesichert worden sei, bewirkten keine zusätzliche Verstärkung der persönlichen Interessen.

Den insgesamt dennoch sehr beachtlichen persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet steht die Gefährdung öffentlicher Interessen durch die Straftat des Beschwerdeführers gegenüber. Auf Grund der überaus großen Sozialschädlichkeit des vom Beschwerdeführer begangenen Suchtgiftdeliktes begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), keinen Bedenken, zumal bei derartigen Suchtgiftdelikten - von der belangten Behörde richtig erkannt - selbst eine ansonsten volle Integration des Fremden dem Aufenthaltsverbot aus der Sicht des § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegenstünde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2001, Zl. 2001/18/0072).

Mit der Ansicht, die soziale Komponente der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration werde in ihrem Gewicht durch die Straftat gemindert, hat die belangte Behörde zum Ausdruck gebracht, dass das große Gewicht der öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers durch die aus seiner Integration (die neben der Dauer seines Aufenthaltes auch von seinem Verhalten in Österreich abhängt) ableitbaren persönlichen Interessen nicht wesentlich reduziert wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 99/18/0290). Dies widerspricht keineswegs - wie die Beschwerde meint - "eoipso den gesetzlichen Bestimmungen des § 37 und 38 FrG".

2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Behörde erster Instanz insofern die Verpflichtung zur Einräumung des Parteiengehörs verletzt habe, als sie ihren Bescheid vor Einlangen seiner fristgerecht eingebrachten Stellungnahme vom 19. Oktober 2000 erlassen habe. Hätte sie diese Stellungnahme abgewartet, wäre hervorgekommen, dass er unmittelbar nach Haftentlassung wieder bei seinem früheren Arbeitgeber zu arbeiten begonnen habe und als Filialleiter der Fleischabteilung "im Mondo" tätig sei. Auch im Berufungsverfahren seien diese Umstände "teilweise nicht einmal am Rande" berücksichtigt worden.

Die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde ohnehin berücksichtigt. Der vorgebrachte Umstand, dass er als Leiter einer Fleischabteilung bei seinem früheren Arbeitgeber tätig ist, bewirkt keine derartige Verstärkung seiner persönlichen Interessen, dass demgegenüber die dargestellten, sehr gewichtigen öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten hätten. Im Hinblick darauf hat der Beschwerdeführer die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dargetan.

3. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, der Erlassung des Aufenthaltsverbotes stehe § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG entgegen, weil ihm die Verleihung der Staatsbürgerschaft zugesichert worden sei, ist ihm Folgendes zu entgegnen:

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1990 erstmals nach Österreich eingereist ist und das den maßgeblichen Sachverhalt für die Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes darstellende Suchtgiftdelikt am 12. Mai 1998 begangen hat. § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG knüpft die Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes ausschließlich daran, dass dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 hätte verliehen werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2000, Zl. 99/18/0416). Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 das Bestehen eines mindestens zehnjährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet. Diese Voraussetzung erfüllte der Beschwerdeführer vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht. Die bereits am 23. Jänner 1997 erfolgte Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft beruht offensichtlich auf einer anderen Rechtsgrundlage - etwa jener des § 10 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (idF vor der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1999, BGBl. I Nr. 124/1998) - und kann daher zu keinem anderen Ergebnis führen.

4. Zu Recht hat die belangte Behörde ausgeführt, dass eine auf der Ausübung des gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) erfolgen würde, weil der Beschwerdeführer in einer dem § 35 Abs. 3 leg. cit. entsprechenden Weise rechtskräftig verurteilt worden ist (vgl. etwa das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1998, Zl. 98/18/0320).

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. Juni 2001

Schlagworte

Ermessen besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001180096.X00

Im RIS seit

21.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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