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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des NH, geboren am 1. Jänner 1978, vertreten durch Dr. Gerhard Semotan, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. Mai 2000, Zl. SD 239/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 5. Mai 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen afghanischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 10. März 2000 gegen 16.00 Uhr von Sicherheitswachebeamten in Wien 16 angehalten und wegen Übertretung des FrG vorläufig festgenommen worden. Laut unbestätigten Angaben sei der Beschwerdeführer, der über keine Dokumente verfüge, die seine Identität beweisen könnten, am Vormittag desselben Tages, illegal, und zwar versteckt in einem Lkw, nach Österreich gelangt. Sowohl bei seiner Einvernahme am Bezirkspolizeikommissariat Ottakring als auch bei der erstinstanzlichen Behörde habe der Beschwerdeführer angegeben, einen Asylantrag stellen zu wollen. Dieser sei von der erstinstanzlichen Behörde per Fax am 14. März 2000 an das Bundesasylamt übermittelt worden. Einem am 3. Mai 2000 erstellten Auszug aus dem Asylinformationssystem zufolge sei das Asylverfahren am 12. April 2000 eingestellt worden. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Anhaltung über 100 US-Dollar und S 95,- verfügt. Dieser Betrag reiche aber keinesfalls aus, um den Unterhalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auch nur für wenige Tage zu finanzieren. Aus diesem Grund sei die erstinstanzliche Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG verwirklicht sei.
In der Berufung bringe der Beschwerdeführer vor, von der Caritas untergebracht und mit dem Notwendigsten versorgt zu werden. Auch dies vermöge an der Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG nichts zu ändern, weil auch aus diesem Vorbringen eine nicht bloß vorübergehende Sicherung des künftigen Unterhaltes des Beschwerdeführers mangels Dartuung eines ihm insoweit zustehenden Rechtsanspruches nicht abgeleitet werden könne. Somit habe der Beschwerdeführer auch im Berufungsverfahren nicht nachweisen können, dass er im Besitz der für seinen Unterhalt erforderlichen Barmittel sei. Diesen Nachweis habe der Beschwerdeführer jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus eigenem (initiativ) zu erbringen. Es sei daher weiterhin vom Vorliegen der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers auszugehen. Diese Mittellosigkeit stelle eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung dar, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG und der Bestimmung des § 21 Asylgesetz 1997 (im Folgenden: AsylG) - gegeben gewesen seien.
Aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nach seiner Festnahme einen Asylantrag gestellt habe, sei für ihn nichts zu gewinnen: Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Sinn des § 19 AsylG habe er nicht erlangt, weil er unter Umgehung der Grenzkontrolle bzw. entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstücks des FrG ohne gültiges Reisedokument und ohne Einreisetitel eingereist sei und ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung bislang nicht zuerkannt worden sei. Überdies wäre gemäß § 21 Abs. 1 AsylG für den Beschwerdeführer ein Schutz vor Aufenthaltsbeendigung durch Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wegen Mittellosigkeit im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG nur dann gegeben gewesen, wenn er den Asylantrag anlässlich eines von ihm selbst mit einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Kontaktes gestellt hätte. Tatsächlich sei der Beschwerdeführer aber von Sicherheitswachebeamten im Zuge deren Streifendienstes angehalten worden.
Angesichts des kurzen und darüber hinaus unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie im Hinblick auf das Fehlen familiärer Bindungen könne von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- oder Familienleben keine Rede sein. Es sei daher weder zu prüfen, ob die gegen ihn festgesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, noch eine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmen.
Dem Einwand des Beschwerdeführers, er sei als Flüchtling eingereist, weshalb weder wegen seiner illegalen Einreise noch wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes eine Bestrafung zulässig sei, werde entgegnet, dass es sich bei der vorliegenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht um eine Strafe, sondern um eine administrativrechtliche Maßnahme handle.
Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine Fluchtgründe sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, weil mit dem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen werde, in welches Land der Beschwerdeführer auszureisen habe.
Da sonst keine weiteren, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben seien, habe angesichts des vorliegenden Sachverhaltes von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des Ermessens Abstand genommen werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.
Gemäß Abs. 2 des § 36 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 7) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, und entsprechend zu belegen, dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2000, Zl. 2000/18/0147).
2.1. Der Beschwerdeführer verfügt unstrittig über kein eigenes Einkommen. Er hat schon in der Berufung vorgebracht, dass er von der Caritas untergebracht und mit dem Notwendigsten versorgt werde. Dieses Vorbringen ist als Nachweis der Mittel zu seinem Unterhalt jedoch schon deshalb nicht geeignet, weil sich daraus nicht ergibt, dass er einen Rechtsanspruch auf diese Unterstützungsleistungen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. März 2001, Zl. 98/18/0157).
Die belangte Behörde kam demnach zutreffend zu dem Ergebnis, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG erfüllt sei.
2.2. Im Hinblick auf die aus der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers resultierende Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und der finanziellen Belastung der Republik Österreich begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2000/18/0147).
3. Gegen die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass auf Grund unstrittig fehlender familiärer oder sonstiger Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich mit dem Aufenthaltsverbot kein Eingriff in dessen Privat- oder Familienleben verbunden sei, bestehen keine Bedenken, zumal sich der Beschwerdeführer erst zwei Monate in Österreich aufhält und daraus kein nennenswerter Grad an Integration abgeleitet werden kann. Damit erübrigt sich - von der belangten Behörde zutreffend beurteilt - eine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG (vgl. abermals das hg. Erkenntnis, Zl. 2000/18/0147).
4. Auch die Bestimmung des § 21 Abs. 1 AsylG steht der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Diese Bestimmung lautet:
"§ 21. (1) Auf Asylwerber findet - soweit im folgenden nicht anderes festgelegt wird - das Fremdengesetz insgesamt Anwendung, die §§ 33 Abs. 2, 36 Abs. 2 Z. 7, 55 und 61 bis 63 FrG jedoch nicht auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, sofern sie
1. den Antrag außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht haben;
2. den Antrag anläßlich der Grenzkontrolle oder anläßlich eines von ihnen sonst mit einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommen Kontaktes gestellt haben.
..."
Das Asylverfahren betreffend den Beschwerdeführer ist unstrittig am 12. April 2000 eingestellt worden. Wie der Gegenschrift zu entnehmen ist, ist das Verfahren erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides (Zustellung an den Beschwerdeführer am 11. Mai 2000) auf Grund seines Antrages vom 25. Mai 2000 fortgesetzt worden. Somit hat der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügt, weil eine solche - selbst wenn sie während des Asylverfahrens bestanden hätte - jedenfalls mit der Einstellung dieses Verfahrens geendet hätte (§ 19 Abs. 4 AsylG).
Dem Vorbringen, die belangte Behörde habe unzutreffend das Nichtvorliegen der Flüchtlingseigenschaft beim Beschwerdeführer angenommen, ist zu entgegnen, dass die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft erst mit der Gewährung von Asyl verbunden ist (§ 12 AsylG). Eine solche lag zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides unstrittig nicht vor.
5. Entgegen dem Beschwerdevorbringen bestand auch keine Veranlassung für die belangte Behörde, von ihrem Ermessen im Grund des § 36 Abs. 1 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhalt mit dem Akteninhalt noch aus der Beschwerde besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
6. Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. Juni 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000180181.X00Im RIS seit
12.12.2001