TE Vfgh Beschluss 1998/9/29 B1287/98

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Veröffentlicht am 29.09.1998
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

Nö NaturschutzG §5
VfGG §85 Abs2
VfGG §85 Abs2 / Begründung des Antrages
VfGG §85 Abs2 / Eisenbahnrecht
VfGG §85 Abs2 / Natur- und Landschaftsschutz

Leitsatz

Keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung der naturschutzbehördlichen Bewilligung des Semmering-Basistunnels und die Untersagung dieses Projekts; keine ausreichenden Darlegungen hinsichtlich eines unverhältnismäßigen Nachteils für die Beschwerdeführerin

Spruch

Dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird gemäß §85 Abs2 VerfGG 1953 k e i n e

F o l g e gegeben.

Begründung

Begründung:

1.1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 9. Juni 1998, mit welchem einem Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Errichtung der Hochleistungsstrecke Gloggnitz - Mürzzuschlag gemäß dem naturschutzrechtlichen Einreichprojekt 1994, Projektteil II - Anlagen im Landschaftsschutzgebiet "Rax-Schneeberg", keine Folge gegeben und das Vorhaben gemäß §5 NÖ Naturschutzgesetz untersagt wurde.

Die beschwerdeführende Gesellschaft beantragt, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung hinsichtlich des Spruchteiles "Weiters wird das Vorhaben aufgrund der Anzeige gemäß §5 NÖ Naturschutzgesetz vom 29. Dezember 1995 untersagt" zuzuerkennen und begründet dies wie folgt:

"Zwingende öffentliche Interessen stehen einer Bewilligung der aufschiebenden Wirkung offenkundig nicht entgegen. Bei dem gegenständlichen Baufortschritt wird der Tunnelvortrieb in rund einem Jahr die Grenze NÖ-Steiermark erreichen. Durch die Untersagung des gegenständlichen Projektes wird der Einschreiterin die Möglichkeit genommen, den Tunnelvortrieb auch auf niederösterreichischer Seite fortzuführen. Das verfahrensgegenständliche Projekt dient einer im Vergleich zur bisherigen Bahntrasse erheblich sichereren Streckenführung. Zum einen verringert die neue Bahnstrecke die derzeit bestehende Steinschlag- und Murengefährdung, zum anderen werden derzeit technisch bedingte, erhöhte Gefahrenstellen auf der künftigen Hochleistungsstrecke vollständig beseitigt, zusätzlich werden aufgrund der unterirdischen Tunnelbauweise der Neubaustrecke die Lärmeinwirkung für den größten Teil der bisherigen Anrainer beseitigt. Darüber hinaus dient das neue Projekt einem zwingenden Verkehrsbedürfnis, nämlich der wesentlichen Verbesserung der Trassierungsverhältnisse, der Schaffung der technischen Voraussetzungen zur Führung von Zügen der rollenden Landstraße sowie der Erhöhung der Kapazitäten der Bahn und deren Attraktivität durch Beseitigung der als trassierungsbedingtes 'Nadelöhr' bezeichneten bestehenden Semmeringbahnstrecke. Die Beschwerdeführerin verweist hiezu auch auf den Beschluß des VfGH vom 15.3.1995, Zl. B286/95-8. Darüber hinaus ist die verfahrensgegenständliche Hochleistungsstrecke Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird diesbezüglich auf die Ausführungen unter IV.2., insbesondere auf den Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 22/95 vom Rat festgelegt am 28. September 1995 im Hinblick auf den Erlaß der Entscheidung ... des europäischen Parlaments und des Rates vom ... über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes (95/C331/01), verwiesen. Wie bereits oben dargelegt, können aus der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung auch dritten Personen keinerlei Nachteile erwachsen. Die Annahmen der im Verfahren beigezogenen Naturschutzsachverständigen gehen über das "worst case"-Szenario selbst des Sachverständigen Dr. B hinaus, wobei, selbst wenn man der belangten Behörde folgt, nur eine ganz kurze Tunnelstrecke allfällig betroffen wäre. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf unser Vorbringen unter IV. 2 verwiesen."

1.2. Die belangte Behörde hat sich in einer Äußerung gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausgesprochen.

2.1. Gemäß §85 Abs2 VerfGG hat der Verfassungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers der Beschwerde die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des Bescheides für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Es ist Sache der beschwerdeführenden Partei, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in ihrem Antrag konkret darzulegen (vgl. zB VfGH 28.3.1996 B1054/96) und solcherart der ihr obliegenden Konkretisierungspflicht (vgl. zB VfGH 9.9.1996 B2798/96) zu entsprechen. Ein unverhältnismäßiger Nachteil iSd §85 Abs2 VerfGG muß nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der beschwerdeführenden Partei selbst drohen; etwaige Interessen Dritter sind unerheblich. Ein Nachteil ist dann unverhältnismäßig, wenn bei einem mittlerweiligen Vollzug des angefochtenen Bescheides (im Sinne einer auf welche Weise immer stattfindenden Umsetzung des angefochtenen Bescheides in die Wirklichkeit) durch die dadurch bewirkte Lage der Tatsachen der beschwerdeführenden Partei ein Nachteil droht, der auch nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Hauptverfahren nicht wieder gutzumachen und daher geeignet ist, den vom Verfassungsgerichtshof zu gewährenden Rechtsschutz zu beeinträchtigen (vgl. dazu etwa die Wiedergabe der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bei Mayer, B-VG2,1997, 808 f.).

2.2. Der oben wiedergegebenen Begründung des Aufschiebungsantrages und auch den übrigen, in diesem Zusammenhang vorgetragenen Behauptungen kann nicht entnommen werden, daß mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides - soweit er die Untersagung des Projekts ausspricht - für die beschwerdeführende Gesellschaft ein derart unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre, daß die nach der zitierten gesetzlichen Bestimmung geforderte Interessenabwägung zu ihren Gunsten spräche:

2.2.1. Zunächst erkennt die beschwerdeführende Gesellschaft zutreffend, daß die Bewilligung der aufschiebenden Wirkung eine fehlende naturschutzrechtliche Bewilligung auch während der Dauer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens nicht zu ersetzen vermöchte und daher insoweit von vornherein nicht in Betracht käme.

2.2.2. Selbst wenn man hinsichtlich des Ausspruches über die Untersagung des Vorhabens die diesbezügliche Auffassung der Beschwerdeführerin teilte, daß ihr Vorhaben in Wahrheit nicht der Bewilligungspflicht nach dem NÖ Naturschutzgesetz unterliege (eine Frage, die erst durch das Hauptverfahren zu klären sein wird), kann es auf sich beruhen, ob es zulässig wäre, schon für die Beschlußfassung über die aufschiebende Wirkung (d.h. noch während der rechtlichen Existenz des angefochtenen Bescheides, soweit dieser auf der Grundlage einer Bewilligungspflicht des Vorhabens nach dem NÖ Naturschutzgesetz diese Bewilligung versagt) davon auszugehen, daß das Projekt nicht den Vorschriften des NÖ Naturschutzgesetzes unterliegt und ob es - unter dieser Prämisse - weiters zulässig wäre, gegen den Ausspruch über die Untersagung des Projektes einstweiligen Rechtsschutz durch Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu gewähren: die Ausführungen der Beschwerdeführerin, welche sich lediglich auf die Wichtigkeit des Projektes für die Sicherheit des Eisenbahnbetriebes im fraglichen Streckenabschnitt und auf die überörtliche Bedeutung des Projektes unter gesamteuropäischen Gesichtspunkten beziehen, sind nämlich nicht geeignet darzutun, daß durch ein Zuwarten mit der weiteren Bauführung für die Dauer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil entstünde.

2.3. Ist aber das Vorbringen der Beschwerdeführerin zum Nachweis eines unverhältnismäßigen Nachteils - im Sinne des §85 Abs2 VerfGG und der hierzu ergangenen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung - nicht geeignet, so kommt eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung schon deshalb nicht in Betracht, ohne daß es bei dieser Sachlage auf eine Abwägung der beteiligten Interessen und auf die Frage, ob und welche öffentlichen Interessen einer solchen Zuerkennnung allenfalls entgegenstünden, noch ankäme.

3. Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher gemäß §85 Abs2 VerfGG keine Folge zu geben.

Schlagworte

VfGH / Wirkung aufschiebende, Eisenbahnrecht, Naturschutz, Landschaftsschutz, Eingriffe bewilligungspflichtige, EU-Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B1287.1998

Dokumentnummer

JFT_10019071_98B01287_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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