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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des J U, (geboren am 26. April 1963), vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. Mai 2001, Zl. SD 708/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 7. Mai 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei laut seinen Angaben am 4. November 1991 nach Österreich eingereist und habe Sichtvermerke bis 30. März 1993 erhalten. Ein Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. August 1994 abgewiesen worden. Dieser Bescheid sei im Instanzenzug vom Bundesminister für Inneres bestätigt worden.
Am 28. April 1993 habe sich der Beschwerdeführer scheiden lassen. Am 9. Februar 1994 habe er in Wien eine österreichische Staatsbürgerin geehelicht und in weiterer Folge Aufenthaltsbewilligungen zum Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" mit Gültigkeit bis 23. September 2001 erhalten. Nachdem seine Ehe am 9. September 1997 einvernehmlich rechtskräftig geschieden worden sei, habe er am 22. Februar 2000 neuerlich die kroatische Staatsangehörige, von der er am 28. April 1993 geschieden worden sei, geehelicht.
Am 28. Februar 1997 sei er vom Bezirksgericht Josefstadt wegen der Vergehen gemäß § 83 Abs. 1 StGB und § 36 Abs. 1 Z. 2 Waffengesetz zu einer bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe von vier Wochen rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass er am 9. Dezember 1995 in Wien vor einem näher bezeichneten Lokal andere Personen durch Faustschläge, mit Gummiknüppel und "Nun-Chaku" sowie durch Besprühen mit Tränengasspray am Körper verletzt sowie eine verbotene Waffe, nämlich einen Tränengasspray, besessen und verwendet habe. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Dezember 1998 sei er wegen der Verbrechen gemäß den §§ 12, 15, 169 Abs. 1, §§ 12, 15, 173 Abs. 1 StGB (versuchte Brandstiftung und versuchte vorsätzliche Gefährdung durch Sprengmittel) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei im Wesentlichen zu Grunde gelegen, dass er im Jahr 1998 mehrmals versucht habe, andere Personen dazu zu bestimmen, in verschiedenen Automatenlokalen durch Werfen von Molotow-Cocktails und durch Entzünden von Rohrbomben eine Feuersbrunst herbeizuführen. Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei daher erfüllt. Auf Grund des diesen Verurteilungen zu Grunde liegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers sei die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß gefährdet. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots gegen ihn erweise sich sohin im Grund des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - als gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit neuneinhalb Jahren in Österreich. Seine Ehegattin lebe mit dem gemeinsamen Kind in Kroatien. Weitere in Österreich lebende Verwandte des Beschwerdeführers (wie etwa eine Tante und ein Cousin, die die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen) wären nur dann vom Schutzbereich des § 37 Abs. 1 leg. cit. erfasst, wenn ein gemeinsamer Haushalt mit diesen bestünde, was aber vorliegend nicht der Fall sei. Laut Mitteilung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger sei der Beschwerdeführer vom 1. Jänner 1998 bis 30. April 1998 und vom 1. Dezember 1998 bis 30. Juni 2000 gewerblich selbstständig erwerbstätig gewesen und seit 11. Juli 2000 als Arbeiter beschäftigt. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 37 Abs. 1 leg. cit. zu bejahen.
Das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche sehr augenfällig, dass er nicht gewillt sei, die strafrechtlichen Normen seines Gastlandes einzuhalten. Vor diesem Hintergrund, insbesondere in Anbetracht der hohen kriminellen Energie, die den strafbaren Handlungen zu Grunde gelegen sei, könne eine Verhaltensprognose für ihn keinesfalls positiv ausfallen. Die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme erweise sich sohin zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier:
zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Vermögens und der körperlichen Unversehrtheit Dritter - als dringend geboten.
Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG erforderlichen Interessenabwägung sei auf seinen neuneinhalbjährigen inländischen Aufenthalt Bedacht zu nehmen, aber gleichzeitig zu berücksichtigen gewesen, dass einer daraus ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert werde. Diesen - solcherart geschmälerten - privaten Interessen stünden die genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme. Zu seinem Vorbringen, dass er in seinem Heimatland Kroatien politischer Verfolgung ausgesetzt wäre, sei festzuhalten, dass mit dem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen werde, dass er in ein bestimmtes Land auszureisen habe und wohin er (allenfalls) abgeschoben würde. Abgesehen davon sei es im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ohne Belang, ob die Abschiebung des Fremden in ein bestimmtes Land aus den Gründen des § 57 Abs. 1 FrG unzulässig wäre, weil diese in einem gesonderten Verfahren nach § 75 leg. cit. zu prüfen seien. Dem weiteren Einwand des Beschwerdeführers, durch die Erlassung des Aufenthaltsverbots wäre sein Unternehmen in seiner Existenz bedroht, was zu einem großen gesamtwirtschaftlichen Schaden führen könnte, sei zu erwidern, dass bei der Interessenabwägung nach § 37 FrG zu Gunsten des Fremden nur den privaten und familiären Bereich betreffende Umstände zu berücksichtigen seien.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass keine besonderen, zu seinen Gunsten sprechenden Gründe vorlägen, könne sein weiterer Aufenthalt auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.
Unter Bedachtnahme auf sämtliche für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Umstände erscheine eine Befristung auf zehn Jahre ausreichend und könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Ablauf dieses Zeitraumes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Gegen diese Beurteilung bestehen im Hinblick auf die unbestrittenen Feststellungen zur obgenannten strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers vom 3. Dezember 1998 keine Bedenken.
2.1. Die Beschwerde macht geltend, dass das den festgestellten Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers bereits länger als drei Jahre zurückliege und er sich seither wohlverhalten habe, was seinen Gesinnungswandel und seine Unrechtseinsicht beweise. Ferner sei er persönlich und beruflich voll in die (österreichische) Gesellschaft integriert. Diese Integration und seine Unrechtseinsicht rechtfertigten eine günstige "Zukunftsprognose" und die Annahme, dass er in Zukunft keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde liegt der besagten Verurteilung des Beschwerdeführers, der bereits am 28. Februar 1997 wegen der Begehung eines Gewaltdeliktes strafgerichtlich verurteilt worden war, zu Grunde, dass er im Jahr 1998 mehrmals versuchte, andere Personen dazu zu bestimmen, in verschiedenen Automatenlokalen durch Werfen von Molotow-Cocktails und durch Entzünden von Rohrbomben eine Feuersbrunst herbeizuführen, wodurch er die Verbrechen der versuchten Brandstiftung und der versuchten vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel - mehrmals - verwirklichte. Bei diesen, jeweils mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedrohten Verbrechen handelt es sich nach der Systematik des Strafgesetzbuches um "gemeingefährliche strafbare Handlungen". Ohne Zweifel geht gerade von derartigen - schwer wiegenden - Straftaten eine besonders große Gefährdung der öffentlichen Sicherheit aus. Durch sein Gesamtverhalten hat der Beschwerdeführer in drastischer Weise seine mangelnde Verbundenheit mit in Österreich besonders geschützten rechtlichen Werten und seine Bereitschaft zu erkennen gegeben, auch nicht vor brutaler Gewaltanwendung zurückzuschrecken. Darüber hinaus lag das besagte gemeingefährliche Verhalten des Beschwerdeführers bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch keineswegs so lange zurück, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes auf einen Wegfall oder eine entscheidende Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr hätte geschlossen werden können, war er doch - wie bereits dargelegt - erst kurz zuvor, im Jahr 1997, wegen einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung gegen Leib und Leben verurteilt worden - ein Umstand, der ihn jedoch von der mehrfachen Begehung der obgenannten Verbrechen im Jahr 1998 nicht abhalten konnte.
Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 (Z. 1) FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.
3.1. Ebenso begegnet die Beurteilung der belangten Behörde im Grund des § 37 Abs. 1 FrG keinem Einwand. Diese hat auf Grund des unbestrittenermaßen neuneinhalbjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Sie hat aber auch - unter Hintanstellen dieser persönlichen Interessen des Beschwerdeführers - zu Recht den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - so zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und zum Schutz des Vermögens und der körperlichen Integrität Dritter - dringend geboten sei, manifestieren sich doch in den vom Beschwerdeführer verübten Straftaten, derentwegen er gerichtlich verurteilt wurde, die von ihm ausgehende massive Gefahr für die körperliche Sicherheit und Unversehrtheit sowie das Vermögen anderer und seine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten.
3.2. Im Lichte dessen kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde bei der Abwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen hat als den erheblichen gegenläufigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers. Selbst wenn, wie die Beschwerde vorbringt, auch seine Ehegattin, ihre gemeinsame Tochter und sein Bruder im Bundesgebiet leben sollten, könnte dies an dem Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. nichts ändern. Angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Beendigung seines Aufenthaltes müssen die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie von diesem in Kauf genommen werden.
4. Ferner begegnet es auch keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen einer Ermessensübung gemäß § 36 Abs. 1 FrG Abstand genommen hat, wäre doch ein solches Vorgehen bei einer rechtskräftigen Verurteilung eines Fremden wegen einer der im § 35 Abs. 3 Z. 1 FrG genannten strafbaren Handlungen zu einer dort angeführten unbedingten Freiheitsstrafe - wie vorliegend des Beschwerdeführers mit Urteil vom 3. Dezember 1998 zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von zwei Jahren - offensichtlich nicht "im Sinne des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) gelegen (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490).
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 27. Juni 2001
Schlagworte
Begründung von Ermessensentscheidungen Ermessen Ermessen besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001180110.X00Im RIS seit
13.11.2001