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24 StrafrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags eines Strafgefangenen auf Aufhebung der Bestimmung des Strafgesetzbuches über die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher mangels Legitimation; Möglichkeit der Anregung zur Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages im Zuge des strafgerichtlichen VerfahrensSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Mit Eingabe vom 20.7.1998 begehrt der nicht anwaltlich vertretene Antragsteller der Sache nach die Aufhebung des §21 Abs2 StGB. Er bringt vor, daß er mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 21.11.1989 "wegen §75 §§21/2" zu einer Haftstrafe in der Dauer von 20 Jahren verurteilt worden sei, die er in der Justizanstalt Mittersteig verbüße. Er halte es für rechtlich illegitim, daß man dann, wenn man wie er eine Familie in der Außenwelt habe und ordentliche Therapieerfolge aufweise, die Maßnahme nach §21 Abs2 StGB nach Ablauf der Strafe über sich ergehen lassen müsse. Er begehre daher die verfassungsmäßige Prüfung des die zitierte Vorschrift betreffenden Gesetzesbeschlusses.
1.2. Der Verfassungsgerichtshof wertet dieses Begehren als Individualantrag iSd Art140 B-VG.
1.3. §21 StGB lautet in der (noch geltenden) Stammfassung BGBl. Nr. 60/1974 wie folgt:
"Unterbringung in einer Anstalt für
geistig abnorme Rechtsbrecher
§21. (1) Begeht jemand eine Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und kann er nur deshalb nicht bestraft werden, weil er sie unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§11) begangen hat, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, so hat ihn das Gericht in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, wenn nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, daß er sonst unter dem Einfluß seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.
(2) Liegt eine solche Befürchtung vor, so ist in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher auch einzuweisen, wer, ohne zurechnungsunfähig zu sein, unter dem Einfluß seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad eine Tat begeht, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist. In einem solchen Fall ist die Unterbringung zugleich mit dem Ausspruch über die Strafe anzuordnen."
2. Der Antrag ist unzulässig.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtssprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11684/1988, 13871/1994).
Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann gegeben, wenn bereits ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren läuft, das dem Betroffenen Gelegenheit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bietet (VfSlg. 8312/1978, 9939/1984, 10857/1986, 11045/1986, 11823/1988). Dieser Grundsatz gilt auch für den Fall, daß ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig war, in welchem der Antragsteller über die Möglichkeit verfügte, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (VfSlg. 8890/1980 und 12810/1991). In so einem Fall wäre ein Individualantrag nur bei Vorliegen - im gegenständlichen Verfahren gar nicht behaupteter - besonderer, außergewöhnlicher Umstände zulässig (VfSlg. 8312/1978, 11344/1987, 11823/1988).
2.2. Wie sich aus dem letzten Satz des angefochtenen §21 Abs2 StGB ergibt, ist die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher zusammen mit dem Ausspruch über die Strafe, und d.h.: in einem gerichtlichen Urteil, anzuordnen. Dem Antragsteller stand daher die Möglichkeit offen, im Rahmen des gegen ihn geführten strafgerichtlichen Verfahrens, das zu seiner Verurteilung und Unterbringung gemäß §21 Abs2 StGB geführt hat, seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §21 Abs2 StGB vorzubringen und beim Obersten Gerichtshof die Stellung eines amtswegigen Prüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof anzuregen.
3. Der Individualantrag war daher allein schon deshalb ohne weiteres Verfahren wegen mangelnder Legitimation mit in nichtöffentlicher Sitzung gefaßtem Beschluß als unzulässig zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG), ohne daß ein Verbesserungsauftrag zu erteilen war.
Schlagworte
Strafrecht, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:G126.1998Dokumentnummer
JFT_10019071_98G00126_00