RS UVS Oberösterreich 1996/06/04 VwSen-103721/7/Br

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Veröffentlicht am 04.06.1996
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Rechtssatz

Der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, hat einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, daß er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten. In gleicher Weise hat sich der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, vor einer Radfahrerüberfahrt zu verhalten, um einem Radfahrer, der sich auf einer solchen Radfahrerüberfahrt befindet oder diese erkennbar benützen will, das ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen (§ 9 Abs.2 StVO 1960).

Der Erstbehörde ist durchaus beizupflichten, daß das allfällige Befahren in der falschen Richtung eines Radweges einen Fahrzeuglenker nicht von der obigen Verpflichtung befreit. Eine andere Absicht kann dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden, weil ein Fahrzeuglenker häufig nicht wissen kann, ob vor einer ihm angezeigten Radfahrerüberfahrt, eine derartige Anlage auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite eingerichtet ist. Die gegensätzliche Rechtsansicht eines fehlenden Vorranges auf einer Radfahrerüberfahrt, falls diese bei Vorhandensein eines gegenüberliegenden Radweges in Gegenrichtung zu der nächstgelegenen Fahrbahn befahren wird, vermag nicht zu überzeugen. Ein eine solche Anlage überquerender Fahrzeuglenker wird, wie schon bemerkt, in aller Regel nicht erkennen können, ob sich auf der Gegenseite ein Radweg befindet, sodaß eine solch differenzierte Betrachtung aus Gründen der Sicherheit für die schwächeren Verkehrsteilnehmer - die Radfahrer - (welche bereits im Alter von zehn Jahren am Radfahrerverkehr teilnehmen), dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden kann. Das Gebotszeichen "Kennzeichnung einer Radfahrerüberfahrt" (§ 53 2b StVO 1960) würde einerseits seines Sinnes überhaupt weitgehend entleert, andererseits läßt der klare Wortlaut des § 9 Abs.2 StVO in seinem Kern, daß "einem Radfahrer der sich auf einer solchen Anlage befindet oder diese erkennbar benützen will, das ungefährdete Überqueren zu ermöglichen ist" eine so differenzierte Auslegung nicht zu. Auch die Argumentation mit dem Vertrauensgrundsatz zieht nicht, weil im Falle des "Erkennenkönnens bzw. des Erkennenmüssens" eines Fehlverhaltens der Vertrauensgrundsatz nicht mehr zur Anwendung gelangen würde. Der Berufungswerber verhielt sich hier aber trotzdem verkehrsgerecht. Von keinem Fahrzeuglenker wäre in der hier vorliegenden Konstellation ein anderes Verhalten zu erwarten gewesen. Nachdem die Radfahrerin vorerst angehalten hatte, mußte er nicht (mehr) damit rechnen, daß die Radfahrerin in weiterer Folge ihm gleichsam direkt vor das Fahrzeug fahren würde. Sie hätte objektiv beurteilt zumindest ab der Blickwendung des Pkw-Lenkers nach links erkennen müssen, daß der Fahrzeuglenker "seine gesamte Aufmerksamkeit" im Hinblick auf den Fahrzeugverkehr von links dem Einbiegevorgang zuzuwenden hatte. Es schadet in diesem Zusammenhang auch nicht, wenn der Berufungswerber ausführte, daß er die Radfahrerin vor dem Zusammenstoß nicht gesehen haben will. Für ihn war durch den vorerst gemachten Blick nach rechts die Annäherung eines fahrenden Fahrzeuges nicht (mehr) erkennbar (die Radfahrerin hatte angehalten), sodaß das folgliche Hineintasten in die Kreuzung keine Verletzung der Vorschrift des § 9 Abs.2 (leg.cit.) darstellt. Das Verhalten der Radfahrerin war für den Berufungswerber objektiv als Vorrangverzicht zu beurteilen (§ 19 Abs.8 StVO 1960). Er mußte daher nicht damit rechnen, daß die Radfahrerin, bei welcher es sich um eine erwachsene Person handelte, wieder weggefahren und sich in der kritischen Phase seines Hineintastens in die Kreuzung, ihm gleichsam vor sein Fahrzeug fährt.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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