RS UVS Steiermark 1996/06/17 20.3-17/95

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Veröffentlicht am 17.06.1996
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Rechtssatz

Als Prämisse einer Vorführung nach § 9 Abs 1 UBG und § 46 Abs 1 SPG durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sieht das Gesetz die Annahme aus besonderen Gründen vor. Es sind somit ganz konkrete Anhaltspunkte im Verhalten des Betroffenen gefordert, aus denen sich der Schluß auf das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen im Sinne des § 3 UBG ergibt. Eine qualifizierte fachmedizinische Beurteilung der Unterbringungsvoraussetzungen, insbesondere des psychischen Zustandes einer Person, ist jedoch hiebei nicht verlangt. Diesem Zweck dient erst die an die Vorführung anschließende ärztliche Untersuchung. Für die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Sicherheitsorgane kann es daher auch nicht darauf ankommen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen - ex post betrachtet - richtigerweise angenommen wurden, sondern darauf, ob das Organ ihr Vorliegen aus seiner Sicht (ex ante) vertretbar annehmen durfte (Christian Kopetzki, Unterbringungsrecht II, Seite 532). In concreto hat das einschreitende Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes nur den Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967 gehabt, und unterschied sich der Beschwerdeführer von keinem anderen Menschen, der in diesem Verdacht steht, eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben. Keine wie immer geartete erhebliche Selbst- oder Gemeingefährdung konnte auch der beigezogene medizinische Sachverständige in seinem Gutachten feststellen, wobei noch ausgeführt wird, daß die beschriebene auffallende Bewegungsstörung, offenbar ein jahrelanges, der Behörde bekanntes eingeschliffenes spontanes Verhaltensmuster (unkoordinierte Bewegungen, Schütteln etc.), welches sich angeblich ca. 15 Minuten vor der Anhaltung manifestierte, keinen Voraussetzungsgrund zur Beiziehung eines Arztes darstellt. Des weiteren führt der Sachverständige aus, daß - der Tathergang keine relevanten manifesten psychopathologisch faßbaren Beeinträchtigungen zeigt, die eine ärztliche Untersuchung nach dem UBG rechtfertigen würden - und ist seines Erachtens für eine solche Schlußfolgerung - infolge des eindeutigen Sachverhaltes - eine medizinische Ausbildung nicht notwendig. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes fehlt es somit dem einschreitenden Sicherheitsorgan an besonderen Gründen im Sinne des § 9 UBG bzw. § 46 Abs 1 SPG, die eine sofortige Vorführung zum Arzt rechtfertigen würden. Alleine der Verdacht des Lenkens eines Fahrzeuges ohne Lenkerberechtigung rechtfertigt keinesfalls die Vorführung zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt und ist eine derartige Vorgangsweise in einem mit Grundrechten ausgestatteten Rechtsstaat unvereinbar. Die von der belangten Behörde geäußerte Rechtsansicht, daß die Vorgeschichte des Beschwerdeführers (mehrere Verwaltungsübertretungen und Provokationen gegenüber der Behörde) im Anlaßfall miteinzubeziehen gewesen wäre, findet in den einschlägigen Gesetzen keine Deckung und schießt somit über den Zweck der einschlägigen Gesetzesbestimmungen - das Hintanhalten einer Selbst- bzw. Gemeingefährdung psychisch Kranker - weit hinaus. Ebenso verfehlt ist die Begründung einer fehlenden Einsichtsfähigkeit bezüglich der Verwaltungsübertretung und damit der Rechtfertigung zur Vorführung, wobei hiezu aus dem medizinischen Gutachten zu entnehmen ist: Ob wissenschaftlich begründete Aussagen zu einer solchen Fähigkeit überhaupt möglich sind, ist umstritten. Die Fähigkeit, das Unrecht einer strafbaren Handlung nicht einzusehen bzw. nicht einsehen zu wollen, ist jedenfalls in aller Regel für eine psychische Krankheit nicht pathognomonisch. Die fehlende Einsichtsfähigkeit als Begründung der Handlungsermächtigung im Sinne des § 9 UBG bzw. § 46 Abs 1 SPG würde einer willkürlichen Vorführung zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt Tür und Tor öffnen.

Schlagworte
Vorführung Selbstgefährlichkeit Gemeingefährlichkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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