Die belangte Strafbehörde hat als verletzte Rechtsvorschriften den § 74 Abs.4 Z1 LMG 1975 und den § 74 Abs.5 Z5 (Z5 gibt es nicht, richtig wäre Z2) LMG 1975 genannt. Die unübersichtlichen Blankettstrafnormen des § 74 Abs.4 und 5 LMG 1975 sehen auch verschiedene Strafrahmen vor.
Nach dem § 74 Abs.4 LMG 1975 begeht im Falle der Ziffer 1 eine Verwaltungsübertretung und ist wie nach Abs.1 (Geldstrafe bis zu S 50.000,--) zu bestrafen, wer den Bestimmungen einer auf Grund des § 10, des § 12 Abs.2 hinsichtlich der Deklaration von Zusatzstoffen, des § 16 Abs.4 hinsichtlich vorgeschriebener Bezeichnungen, der §§ 21, 27 Abs.1, 29, 30 Abs.5 oder 33 Abs.1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt.
Nach § 74 Abs.5 LMG 1975 begeht im Falle der Ziffer 2 eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu bestrafen,
wer den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 15 Abs.7 oder 8 lit.a oder b, 19 oder 31 Abs.1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt. Die verfahrensrelevante LMKV 1993 wurde nach ihrer Präambel auf Grund der §§ 7 Abs.2, 10 Abs.1 und 19 Abs.1 LMG 1975 erlassen. Sie hat demnach ihre Grundlage in gesetzlichen Vorschriften, die entweder unter die Blankettstrafnorm des § 74 Abs.4 Z1 oder unter die des § 74 Abs.5 Z2 LMG 1975 fallen. Im Hinblick auf zwei in Betracht kommende gesetzliche Strafbestimmungen mit verschiedenen Strafrahmen muß bei Heranziehung von Gebots- oder Verbotsnormen der LMKV 1993 genau differenziert werden, welche Bestimmung auf welcher gesetzlichen Grundlage beruht. Dies hat die belangte Strafbehörde unterlassen. Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurden einfach beide Strafnormen angegeben. Der Begründung ist zu entnehmen, daß die belangte Behörde den verwiesenen Strafrahmen des § 74 Abs.4 LMG 1975 (Geldstrafe bis zu S 50.000,--) herangezogen hat.
Die Gebotsnormen des § 4 LMKV 1993 betreffen erkennbar die bloße Kennzeichnung von verpackten Waren, die für den Letztverbraucher bestimmt sind (vgl § 1 Abs.1 LMKV 1993). Sie haben ihre gesetzliche Grundlage im § 19 LMG 1975, der die Kennzeichnung von Lebensmitteln, Verzehrprodukten und Zusatzstoffen regelt und eine Verordnungsermächtigung enthält. Hingegen ermächtigt der § 10 LMG 1975 den Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz besondere Vorschriften für das Inverkehrbringen mit Verordnung zu erlassen, die zur Sicherung einer einwandfreien Nahrung oder zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung oder Täuschung geboten sind. Dabei geht es an sich nicht um bloße Kennzeichnungsvorschriften. Beim Schutz des Verbrauchers vor Täuschung bestehen aber fließende Übergänge zur Kennzeichnung. Die LMKV 1993 gibt demnach auch den § 10 LMG 1975 als gesetzliche Grundlage an. Der belangten Behörde ist einzuräumen, daß der Gesetzgeber eine ziemlich ungenaue und unübersichtliche Technik gewählt hat, indem er sich teilweise überschneidende Verordnungsermächtigungen und für Zuwiderhandlungen verschiedene Blankettstrafbestimmungen vorgesehen hat. Der gegenständlich maßgebliche § 4 LMKV 1993 regelt jedenfalls nur die Kennzeichnung iSd § 19 LMG 1975. Deshalb hätte die belangte Behörde von vornherein nur die Strafnorm des § 74 Abs.5 Z2 LMG 1975 heranziehen dürfen. Der nach dem § 74 Abs.5 LMG 1975 für alle angeführten Ziffern einheitliche Strafrahmen sieht Geldstrafen bis zum Betrag von S 25.000,-- vor. Nach dem § 4 LMKV 1993 haben verpackte Waren, sofern die §§ 5 bis 7 dieser Verordnung nichts anderes bestimmen, bestimmte Kennzeichnungselemente zu enthalten, die in mehreren Ziffern ausführlich beschrieben werden. Im Straferkenntnis hat die belangte Behörde die Verletzung der Kennzeichnungsvorschriften nach § 4 Z1 betreffend die handelsübliche Sachbezeichnung, nach § 4 Z5 betreffend das Mindesthaltbarkeitsdatum und nach § 4 Z7 betreffend die Zutaten (Bestandteile und Zusatzstoffe) vorgeworfen, wobei der Verordnungstext teilweise in den Spruch aufgenommen wurde. Strittig ist im gegebenen Zusammenhang die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 2 LMKV 1993. Nach dieser Bestimmung gilt die LMKV 1993 nicht für Waren, die in Gegenwart des Verkäufers verpackt werden, und ebensowenig für zur Verkaufsvorbereitung verpackte Waren, wenn diese nur zur kurzfristigen Lagerung für die unmittelbare Abgabe an den Letztverbraucher, ausgenommen Selbstbedienung, bestimmt sind.
Die belangte Strafbehörde verweist zur Auslegung des Merkmals "zur kurzfristigen Lagerung für die unmittelbare Abgabe an den Letztverbraucher" auf einen für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht verbindlichen Erlaß des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 17.2.1995, GZ, der nach der Aktenlage mit dem Rundschreiben der Sanitätsabteilung des Amtes der o.ö. Landesregierung vom 10.3.1995, Zl., bekanntgemacht wurde. Dabei wird die Ansicht vertreten, daß nur ein Zeitraum bis etwa 3 Stunden dieses Merkmal erfülle. Der erkennende Verwaltungssenat teilt diesen pauschalen Standpunkt nicht. Eine plausible Begründung für die Beschränkung der Lagerung von zur Verkaufsvorbereitung verpackter Ware auf ausgerechnet 3 Stunden ist nicht erkennbar. Art.12 der EG-Etikettierungsrichtlinie, der den Mitgliedsstaaten die nicht zwingende Kennzeichnungsregelung in Fällen der direkten Abgabe an den Konsumenten überläßt, spricht von Lebensmitteln, die im Hinblick auf ihren unmittelbaren Verkauf an den Endverbraucher vorverpackt werden. Aus der Bezugnahme auf die unmittelbare Abgabe von Waren an Konsumenten und aus dem Ausschluß der Selbstbedienung ist abzuleiten, daß grundsätzlich Waren gemeint sind, die für den Kunden direkt im Wege eines Gesprächs mit einem Verkäufer, sei es in einem Geschäftslokal oder an einem Marktstand, feilgeboten werden. In der Natur der Sache liegt auch, daß im Zusammenhang mit der unmittelbaren Abgabe an Letztverbraucher nur eine kurzfristige Lagerung der zu diesem Zweck vorverpackten Ware für Stunden, nicht aber für Tage in Betracht kommen kann. Die zulässige Dauer dieser kurzfristigen Lagerung ergibt sich nach den Umständen des Einzelfalls aus einer praxisorientierten Beurteilung. Dabei darf kein kleinlicher Maßstab angelegt werden, zumal bei dieser Abgabe an Letztverbraucher ohnehin stets der persönliche Kontakt zwischen Kunden und Verkäufer vorausgesetzt wird. Deshalb ist mit Barfuß/Smolka/Onder, Lebensmittelrecht, 2. A, Teil II A Kennzeichnungsrecht, Kommentar zur LMKV, 56, davon auszugehen, daß die Verkaufsvorbereitung auch am Vortag zulässig und zweckmäßig sein kann, wenn Waren für die Abgabe nach Geschäftseröffnung verpackt werden, um die am folgenden Tag zu erwartende Nachfrage rasch befriedigen zu können.
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des unwiderlegten Vorbringens des Bw an, so muß eingeräumt werden, daß der geschilderte praktische Hintergrund der in Vakuumhüllen zur Verkaufsvorbereitung verpackten Berner Würstel als einleuchtend und lebensnah anzusehen ist. Wenn die Vakuumpackung dabei neben dem Zweck, die Speckhülle verlierfest zu machen, auch der besseren Haltbarkeit diente, ist dies einerseits kein Nachteil für den Konsumenten und spricht diese Verpackungsart andererseits auch nicht von vornherein gegen die Einlassung des Bw zur unmittelbaren Abgabe an Letztverbraucher. Im Hinblick auf die oben vertretene Auslegung des § 2 LMKV 1993 hat der erkennende Verwaltungssenat auch keine Bedenken, wenn die Berner Würstel etwa am Vortag für die Feilbietung durch Fahrverkäufer am nächsten Tag vakuumverpackt werden. Eine solche Vorgangsweise entspricht durchaus den praktischen Bedürfnissen bei Auslieferung von Frischware an Letztverbraucher. Soweit in tatsächlicher Hinsicht keine weiteren Anhaltspunkte gegen die Annahme eines Ausnahmefalles nach § 2 LMKV 1993 vorliegen, beruft sich der Bw mit Recht darauf, daß die Kennzeichnungsvorschriften nicht anwendbar sind und die mangelhafte Etikettierung daher nicht strafbar sein kann. Im Fall der 6 vakuumverpackten Berner Würstel zur UZ 2327/95 folgt allerdings aus dem Inhalt der vom Hersteller, der Firma P Fleisch Gesellschaft m.b.H., angebrachten Aufklebeetikette, daß kein Ausnahmefall nach dem § 2 LMKV 1993 vorliegen kann. Diese Ware wurde nach der Kennzeichnung bereits am 20. April 1995 abgepackt. Als empfohlene Aufbrauchsfrist wurde der 2. Mai 1995, der Tag der Beanstandung durch das Lebensmittelaufsichtsorgan, angegeben. Es handelte sich demnach eindeutig nicht um eine kurzfristig vorverpackte Frischware zum unmittelbaren Verkauf an den Konsumenten. Der Bw hat bezeichnenderweise zu diesem strafbehördlichen Vorwurf nicht Stellung bezogen.
Im Ergebnis war daher zwischen den beiden Vakuumpackungen mit Berner Würstel zu differenzieren. Bei der Packung, die kein Verpackungsdatum enthält, die empfohlene Aufbrauchsfrist aber mit 7.5.1995 angibt, konnte nach der Aktenlage nicht nachgewiesen werden, daß eine über den Rahmen des § 2 LMKV 1993 hinausgehende Lagerung der vorverpackten Ware vorgelegen hätte. Deshalb war insofern der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis einzuschränken und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG teilweise einzustellen.