TE Vwgh Erkenntnis 2001/6/28 99/11/0237

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Veröffentlicht am 28.06.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §38;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs2 litf;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs2a;
KFG 1967 §73 Abs3 Z3;
KFG 1967 §75a Abs1 lita;
KFGNov 19te Art5 Abs1;
StGB §81 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 9. Juli 1999, Zl. VerkR- 392.798/12-1999-Kof/O, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, Anordnung einer Nachschulung sowie einer amtsärztlichen Untersuchung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 6. Oktober 1997 entzog der Landeshauptmann von Oberösterreich dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B und sprach gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 aus, dass dem Beschwerdeführer für die Dauer von 20 Monaten (gerechnet ab 11. Juli 1997, sohin bis 11. März 1999) keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe. Die Dauer der vom Beschwerdeführer zu verbüßenden Haftstrafe von 9 Monaten sei in diese Zeit nicht einzurechnen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 75a Abs. 1 lit. a KFG 1967 das Lenken von Motorfahrrädern bis einschließlich 11. März 1999 verboten.

Anlass für diese Entscheidung war ein vom Beschwerdeführer verschuldeter Verkehrsunfall vom 7. Juni 1997, bei dem die Lenkerin des entgegen kommenden Kraftfahrzeuges tödlich, ihre Beifahrerin sowie der Beschwerdeführer selbst schwer verletzt wurden. Der Beschwerdeführer wurde deshalb mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 19. August 1997 wegen der Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z. 2 StGB und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1, Abs. 4 zweiter Deliktsfall (§ 81 Z. 2) StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer habe sich bei der betreffenden Fahrt in einem durch Alkohol stark beeinträchtigten Zustand (Blutalkoholgehalt 2,11 %o) befunden. Weiters habe er seine Fahrgeschwindigkeit im Unfallbereich nicht der in diesem Bereich gegebenen Geschwindigkeitsbeschränkung bzw. den örtlichen Gegebenheiten angepasst, sodass er wegen überhöhter Geschwindigkeit die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren habe. Dieses Verhalten des Beschwerdeführers berechtige trotz seiner bisherigen Unbescholtenheit zur Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit in der angegebenen Dauer.

Mit hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zl. 97/11/0300, wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, er habe bereits in seiner früheren Judikatur in - was das Fehlen von Vorstrafen betrifft - gleich gelagerten Fällen eine Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 von zwei Jahren als zu lang befunden. So habe er im Erkenntnis vom 25. September 1985, Zl. 83/11/0128, in vergleichbarem Zusammenhang eine Zeit von 20 Monaten, im Erkenntnis vom 22. Mai 1990, Zl. 90/11/0022, eine Zeit von 15 Monaten als zu lange qualifiziert, wenn bei der betreffenden Person nur ein einziges Alkoholdelikt vorlag. In diesen Erkenntnissen habe er weiters ausgesprochen, dass die Schwere der Unfallsfolgen im gegebenen Zusammenhang außer Betracht zu bleiben habe. Bei dieser Rechtslage wäre die hier mit 20 Monaten bemessene Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 angesichts der völligen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers auch in Verbindung mit einem bloß geringfügigen Verschulden am Verkehrsunfall als überhöht zu werten. Angesichts der aus § 73 Abs. 3 KFG 1967 ersichtlichen Gewichtung des Ausmaßes der Alkoholbeeinträchtigung einer Person durch den Gesetzgeber käme selbst in Anbetracht des hohen Ausmaßes der Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers auf Grund des Alkoholdeliktes allein zwar die Festsetzung einer längeren als der in § 73 Abs. 3 Z. 3 genannten Mindestzeit von 4 Monaten in Betracht. Um die hier festgesetzte Zeit von 20 Monaten als gerechtfertigt erscheinen zu lassen, bedürfte es aber eines weiteren gewichtigen Umstandes, etwa eines sonstigen schwer wiegenden Verschuldens des Beschwerdeführers. Dazu genügte nicht schon das Verschulden eines Verkehrsunfalles schlechthin, sofern dieses Verschulden für sich nicht als schwer wiegend zu werten sei. Die belangte Behörde sei zwar in diesem Zusammenhang von überhöhter, weil nicht der im Unfallsbereich gegebenen Geschwindigkeitsbeschränkung bzw. den örtlichen Gegebenheiten angepasster Geschwindigkeit ausgegangen. Es sei allerdings nicht ersichtlich, worauf sich diese Annahme stützen könnte. Es fehlten Ermittlungen und darauf gestützte Feststellungen im angefochtenen Bescheid über die nach § 20 Abs. 1 StVO 1960 für die Wahl der Fahrgeschwindigkeit maßgebenden Umstände sowie über das Fahrverhalten, insbesondere die Fahrgeschwindigkeit, des Beschwerdeführers. Ohne derartige Feststellungen könne die Schwere seines sonstigen Verschuldens am gegenständlichen Unfall und damit die Frage, ob dieses Verschulden ein solches Ausmaß erreicht habe, das in Verbindung mit dem Alkoholdelikt die von der belangten Behörde angenommene Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit als nicht überhöht erscheinen ließe, nicht beurteilt werden.

Die wieder offene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 9. Juli 1999 als unbegründet abgewiesen und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 24. Juli 1997 mit der Maßgabe bestätigt, als ausgesprochen werde, dass die Entziehung der Lenkerberechtigung zu Recht erfolgte. Die Zeit, für die keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe, wurde bis einschließlich 31. Dezember 1999 festgesetzt. Das Lenken von Motorfahrrädern wurde bis einschließlich 31. Dezember 1999 verboten. Schließlich wurde ausgesprochen, dass sich der Beschwerdeführer bis spätestens 31. Dezember 1999 einer Nachschulung bei einer vom Landeshauptmann ermächtigten Stelle zu unterziehen habe, wobei die Entziehungszeit um drei Monate zu verlängern sei, wenn eine solche Anordnung nicht befolgt oder die Mitarbeit bei der Nachschulung unterlassen werde, sowie sich spätestens bis 31. Dezember 1999 einer amtsärztlichen Untersuchung beim Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn gemäß § 67 Abs. 2 KFG 1967 zu unterziehen zu habe.

In der Begründung führte der Landeshauptmann von Oberösterreich aus, der Beschwerdeführer habe am 7. Juni 1997 gegen 23.05 Uhr seinen Pkw auf der L 504 in Richtung F. gelenkt. In einem Baustellenbereich mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h in beiden Fahrtrichtungen sei er in einer lang gezogenen unübersichtlichen und mäßig ansteigenden Rechtskurve auf die linke Fahrbahnhälfte geraten und frontal gegen den entgegenkommenden Pkw geprallt. Die Lenkerin des entgegenkommenden Pkw sei dabei auf der Stelle getötet und die Mitfahrerin schwer verletzt worden. Auch der Beschwerdeführer sei schwer verletzt worden. An beiden Fahrzeugen sei Totalschaden entstanden. Der Beschwerdeführer habe sich bei dieser Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Blutalkoholgehalt 2,11 %o) befunden. Die vom Beschwerdeführer eingehaltene Fahrgeschwindigkeit sowie die Kollisionsgeschwindigkeit hätten 112 km/h betragen. Das Landesgericht Ried im Innkreis habe mit Urteil vom 19. August 1997 den Beschwerdeführer wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z. 2 StGB und des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1, Abs. 4, zweiter Deliktsfall (§ 81 Z. 2) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt. Dieses Urteil sei durch Rechtsmittelverzicht in Rechtskraft erwachsen. Die belangte Behörde habe im vorliegenden Fall gemäß § 41 Abs. 1 FSG nicht das FSG, sondern das KFG 1967, und zwar im Hinblick auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Fassung der 19. KFG-Novelle anzuwenden. Dass der Beschwerdeführer ein so genanntes "Alkoholdelikt im Straßenverkehr" begangen habe, stehe durch das Blutalkohol-Gutachten sowie durch die rechtskräftige gerichtliche Bestrafung nach § 81 Z. 2 StGB fest. Der Gesetzgeber habe mit der 19. KFG-Novelle in § 73 Abs. 3 Z. 3 KFG die Entziehungsdauer bei einem Alkoholisierungsgrad von 1,6 %o oder mehr um 3 Monate (von vorher 4 Wochen auf nunmehr 4 Monate) erhöht. Diese Erhöhung um 3 Monate sei auch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen. Es sei aktenkundig, dass der Beschwerdeführer 3 Monate und 1 Tag in Strafhaft verbracht habe. Die Haftzeit von 3 Monaten sei daher jedenfalls zu berücksichtigen. Aus dem Gutachten des Sachverständigen für Straßenverkehrsunfälle vom 27. Juli 1997 weise die Fahrbahn im Bereich der Unfallstelle eine durchschnittliche Breite von 6 m auf und sei in der Mitte durch eine unterbrochene Mittelleitlinie in zwei gleich breite Fahrstreifen von je 3 m geteilt. Zum Unfallzeitpunkt sei es dunkel, die Fahrbahnoberfläche nass gewesen. Die Kollisionsgeschwindigkeit des Beschwerdeführers habe 112 km/h betragen, in der Kollisionsposition habe sich sein Pkw zur Gänze auf dem Fahrstreifen des entgegenkommenden Pkw befunden. Ein solches Fahrverhalten erfolge unter besonders gefährlichen Verhältnissen im Sinne des § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 bzw. sei geeignet, besonders gefährliche Verhältnisse im Sinn des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 herbeizuführen. Es sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer wie sich aus der Identität von Fahrgeschwindigkeit und Kollisionsgeschwindigkeit ergebe, auch gar nicht mehr in der Lage gewesen sei, entsprechend zu reagieren, als er auf die linke Fahrbahnseite geraten sei. Nach § 20 Abs. 1 StVO 1960 sei der durch den Genuss von Alkohol beeinträchtigten Fahrtüchtigkeit bei der Wahl der Geschwindigkeit auf jeden Fall Rechnung zu tragen, also auch dann, wenn sich der Fahrzeuglenker ungeachtet der Verbotsvorschrift des § 5 Abs. 1 StVO 1960 zu einer Fahrt entschließe. Für den Beschwerdeführer sei daher (selbst) eine Geschwindigkeit von 50 km/h als zu hoch anzusehen gewesen. Die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit von 112 km/h sei als eklatante Geschwindigkeitsüberschreitung zu bezeichnen. Der Beschwerdeführer habe somit zwei bestimmte Tatsachen im Sinn des § 66 Abs. 1 KFG 1967, nämlich solche nach § 66 Abs. 2 lit. e und lit. f KFG 1967, verwirklicht. Der Verwaltungsgerichtshof habe in ständiger Rechtsprechung "in ähnlich gelagerten Fällen" auch bei erstmaliger Begehung solcher Delikte eine Entziehungsdauer von zwei Jahren ohne Einrechnung von Haftzeiten als rechtmäßig bestätigt bzw. die dagegen erhobenen Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Diese Erkenntnisse seien zur Rechtslage vor der 19. KFG-Novelle ergangen. Im vorliegenden Fall seien aber bedingt durch die 19. KFG-Novelle sowie bedingt durch die vom Beschwerdeführer verbüßte Strafe jeweils 3 Monate "hinzuzurechnen". Insgesamt ergebe sich somit eine Entzugsdauer bzw. Zeit, für welche keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe, von 30 Monaten, gerechnet ab Entziehung der Lenkberechtigung (11. Juli 1997), daher bis einschließlich 31. Dezember 1999. Ebenso sei gemäß § 75a Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 73 Abs. 2 KFG 1967 dem Beschwerdeführer das Lenken von Motorfahrrädern bis einschließlich 31. Dezember 1997 zu verbieten gewesen. Gemäß § 73 Abs. 2a dritter Satz KFG 1967 sei die Nachschulung zwingend anzuordnen gewesen. Auch die amtsärztliche Untersuchung sei gemäß § 75 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 vorzuschreiben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Das Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers war bereits am 1. November 1997, dem Tag des Inkrafttretens des FSG, anhängig. Gemäß § 41 FSG ist für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides daher die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des FSG maßgeblich.

Nach der Auffassung des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid diejenige Rechtslage zu Grunde zu legen gehabt, die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung am 7. Juni 1997 in Geltung stand, d.h. das KFG 1967 in der Fassung vor der 19. KFG-Novelle. Diese Rechtsansicht ist unzutreffend. Die belangte Behörde hat zu Recht die gemäß Art. V Abs. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 103/1997 bereits am 20. August 1997 in Kraft getretene 19. KFG-Novelle berücksichtigt. Dieses Vorgehen steht in Übereinstimmung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das eine Androhung der Entziehung der Lenkerberechtigung nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 betreffende hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/11/0147, zur Maßgeblichkeit der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits wirksamen 17. KFG-Novelle). Das Beschwerdevorbringen bietet keinen Grund dafür, von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzugehen, wonach - bei Fehlen spezieller Übergangsbestimmungen - die Behörde ihrem Bescheid die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu Grunde zu legen hat. Soweit der Beschwerdeführer aus Art. III Abs. 8 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 103/1997, wonach Art. I Z. 70 (Einfügung einer lit. j in § 66 Abs. 2 KFG 1967) auf Übertretungen anzuwenden sei, die nach Inkrafttreten "dieses Bundesgesetzes" begangen worden sind, ist ihm zu entgegnen, dass diese für einen neuen Entziehungstatbestand vorgesehene Übergangsbestimmung keinen Analogieschluss auf andere durch die 19. KFG-Novelle bewirkte Änderungen erlaubt. Ebenso wenig kann ein solcher Rückschluss, wie der Beschwerdeführer meint, aus Z. 71 der 19. KFG-Novelle (betreffend § 73 Abs. 2a KFG 1967) gezogen werden. Der Gebrauch der Wendung "Bei der Entziehung" steht der - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden - Anwendung der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits geltenden (neuen) Rechtslage nicht entgegen.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des KFG 1967 lauten in der Fassung der 19. KFG-Novelle (auszugsweise):

"§ 66. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 2) und ihrer Wertung (Abs. 3) angenommen werden muss, dass sie auf Grund ihres Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe

a) die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

...

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand

...

lit. e) ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei entweder eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1, Abs. 1a oder Abs. 1b StVO 1960, auch wenn die Tat nach § 83 SPG zu beurteilen ist, oder eine strafbare Handlung gemäß den §§ 80, 81 und 88 StGB begangen hat, lit. f) als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung der maßgebenden Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, ...; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten udgl., auf Schutzwegen oder das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen.

...

(3) Für die Wertung der im Abs. 1 angeführten Tatsachen sind bei strafbaren Handlungen ihre Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend;

... .

...

§ 73.

(1) Besitzern einer Lenkerberechtigung, die nicht mehr im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig ... sind ..., ist die Lenkerberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen ... .

(2) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welche Zeit keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Diese Zeit ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen und darf bei Personen, die nicht verkehrszuverlässig sind, unbeschadet des Abs. 3 nicht kürzer als 3 Monate sein. ... .

(2a) Bei der Entziehung kann die Behörde auch begleitende Maßnahmen (Nachschulung u.dgl.) anordnen. Wird eine solche Anordnung nicht befolgt oder die Mitarbeit bei der Nachschulung unterlassen, so ist die Entziehungszeit um 3 Monate zu verlängern. Die Behörde hat begleitende Maßnahmen anzuordnen, wenn ... die Entziehung wegen einer Übertretung im Sinn des § 66 Abs. 2 lit. e erfolgt und der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l oder mehr ... betragen hat.

(3) Im Falle der erstmaligen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e, ist die im Abs. 2 angeführte Zeit, wenn

...

3. der Alkoholgehalt des Blutes 1,6 g/l oder mehr ... betragen hat, mit mindestens 4 Monaten festzusetzen.

...

§ 74. (1) Die Lenkerberechtigung ist vorübergehend zu entziehen, wenn ihr Besitzer nicht mehr im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig ... ist, ..., und anzunehmen ist, dass nach Ablauf von nicht mehr als 18 Monaten die Gründe für die Entziehung nicht mehr gegeben sind. Hiebei finden die Bestimmungen des § 73 sinngemäß Anwendung.

...

§ 75a. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig ... sind ..., hat die Behörde unter sinngemäßer Anwendung der §§ 73 Abs. 2 und 3, 74 Abs. 3, 75 Abs. 1 bis 3 und 78 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines Motorfahrrades

a) ausdrücklich zu verbieten,

..."

§ 81 StGB lautet:

"§ 81. Wer fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt

1.

unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder

2.

nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch Genuss von Alkohol oder den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, obwohl er vorhergesehen hat oder hätte vorhersehen können, dass ihm eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet ist,

ist mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren zu bestrafen."

              2.              Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Entziehung der Lenkerberechtigung, des Ausspruches der Zeit, für die eine Lenkerberechtigung nicht erteilt werden darf, sowie des Verbotes des Lenkens von Motorfahrrädern im Wesentlichen damit, die belangte Behörde habe zu Unrecht angenommen, dass mit einer vorübergehenden Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 nicht das Auslangen gefunden werden könne, und die Entziehungszeit im Ergebnis unzulässig lang bestimmt.

Der Beschwerdeführer bestreitet hingegen nicht die Feststellungen der belangten Behörde zu den Umständen seiner strafgerichtlichen Verurteilung. Insbesondere bleibt die Feststellung über seinen Alkoholisierungsgrad (Blutalkoholgehalt 2,11 g/l) unbestritten. Im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers gemäß §§ 81 und 88 StGB ist die belangte Behörde zu Recht vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinn des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 ausgegangen.

Die belangte Behörde ist allerdings darüber hinaus auch noch vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinn des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 ausgegangen. Sie hat ausdrückliche Feststellungen dazu getroffen, dass es zum Zeitpunkt des Unfalles dunkel und die Fahrbahn nass war und - dies unter Rückgriff auf das im gerichtlichen Strafverfahren erstattete Sachverständigengutachten -

der Beschwerdeführer ungeachtet einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h wegen eines Baustellenbereiches mit einer Geschwindigkeit von 112 km/h unterwegs gewesen sei, als er auf die linke Fahrbahnseite geriet und den Verkehrsunfall verursachte. Ausdrücklich festgestellt wurde auch, dass der Beschwerdeführer nicht mehr in der Lage gewesen sei, bis zur Kollision das Fahrzeug abzubremsen, da die Kollisionsgeschwindigkeit mit seiner gefahrenen Geschwindigkeit identisch gewesen sei. Der Beschwerdeführer tritt diesen Feststellungen der belangten Behörde mit eigenen sachverhaltsbezogenen Feststellungen nicht entgegen. Er rügt allerdings, dass die belangte Behörde, die sich erstmals auf § 66 Abs. 2 lit. f KFG gestützt habe, ihm im fortgesetzten Verfahren kein Parteiengehör eingeräumt habe. Mangels eines eigenen gegenteiligen sachverhaltsbezogenen Vorbringens in der Beschwerde, gelingt es dem Beschwerdeführer aber nicht, die Relevanz des von ihm behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof legt daher die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde seiner weiteren rechtlichen Beurteilung zu Grunde.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bestand keine Bindung der belangten Behörde an das strafgerichtliche Urteil insofern, als ihr die Heranziehung des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 verwehrt gewesen wäre, weil keine Verurteilung des Beschwerdeführers gemäß § 81 Z. 1 StGB erfolgt sei. Spätestens seit der 17. KFG-Novelle, mit der die im Beschwerdefall maßgebliche Fassung des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 eingeführt wurde, kann im Hinblick auf den Wortlaut dieser Bestimmung ("... ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besondere gefährliche Verhältnisse herbeizuführen") kein Zweifel bestehen, dass sich der damit geregelte Tatbestand von demjenigen des § 81 Z. 1 StGB ("... unter besonders gefährlichen Verhältnissen ...") unterscheidet. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers ist daher nicht zutreffend.

Im Hinblick auf die unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde hegt der Verwaltungsgerichtshof aber auch keinen Zweifel, dass die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass das im angefochtenen Bescheid dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers - Lenken eines Fahrzeuges bei Dunkelheit und nasser Fahrbahn bei einer Geschwindigkeit, die bereits auf einer Freilandstraße ohne Beeinträchtigungen jedenfalls überhöht gewesen wäre, im Hinblick auf die Geschwindigkeitsbeschränkung wegen eines Baustellenbereichs aber mehr als das Doppelte der zulässigen Höchstgeschwindigkeit betrug, in einem gravierend durch Alkohol beeinträchtigten Zustand - ein Verhalten darstellte, das an sich geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Wie die belangte Behörde daher zu Recht erkannte, lagen im Falle des Beschwerdeführers zwei bestimmte Tatsachen im Sinne des § 66 Abs. 1 KFG 1967 vor, welche die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers nach sich zogen.

Dennoch erweist sich die Beschwerde im Ergebnis als begründet.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid, die dreimonatige Strafhaft des Beschwerdeführers einrechnend, eine Entziehungsdauer von 30 Monaten für zutreffend befunden. Sie hat sich dabei ausdrücklich auf den Rechtsstandpunkt gestellt, seit der Erhöhung der Mindestentziehungszeit nach § 73 Abs. 3 Z. 3 KFG 1967 (in der Fassung der 19. KFG-Novelle) sei eine Hinzurechnung von drei Monaten auch im vorliegenden Fall geboten. Diese Rechtsauffassung ist unzutreffend. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber für Fälle erstmaliger Begehung einer Übertretung im Sinn des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 in § 73 Abs. 3 Z. 3 bei Vorliegen eines Alkoholgehaltes des Blutes von 1,6 g/l oder mehr eine Mindestentziehungszeit von vier Monaten - an Stelle der bisherigen von vier Wochen - für erforderlich gehalten hat, kann nicht geschlossen werden, dass schematisch sämtliche Entziehungszeiten in einem Ausmaß von drei Monaten zu verlängern wären. Damit erweist sich aber die von der belangten Behörde bestimmte Entziehungszeit von 30 Monaten als deutlich überhöht. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Vorerkenntnis vom 9. Februar 1999, Zl. 97/11/0300, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Lichte seiner Vorjudikatur die im damaligen Berufungsbescheid mit 20 Monaten bemessene Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 angesichts der völligen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers auch in Verbindung mit einem bloß geringfügigen Verschulden am Verkehrsunfall als überhöht zu werten wäre. Um die festgesetzte Zeit von 20 Monaten als gerechtfertigt erscheinen zu lassen, bedürfte es eines weiteren gewichtigen Umstandes, etwa eines sonstigen schwer wiegenden Verschuldens des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde hat zwar, wie aufgezeigt, ergänzende Feststellungen getroffen, die im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Vorerkenntnis ein so schwer wiegendes Fehlverhalten des Beschwerdeführers erkennen lassen, dass ungeachtet seiner bisherigen Unbescholtenheit, von der auch die belangte Behörde ausgegangen ist, eine Entziehungszeit im Sinne des § 73 Abs. 2 KFG 1967 von 20 Monaten nicht als überhöht anzusehen wäre. Indem sie jedoch in Verkennung der Rechtslage vermeinte, eine deutlich höhere Entziehungszeit aussprechen zu müssen und dabei neuerlich dem Aspekt der bisherigen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nicht ausreichend Rechnung trug, belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid im dargestellten Umfang mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

              3.              Die Beschwerde ist auch insofern begründet, als sie sich gegen die von der belangten Behörde erstmals ausgesprochenen Anordnungen einer Nachschulung sowie einer amtsärztlichen Untersuchung bis 31. Dezember 1999 wendet. Das KFG 1967 enthält, was den Zeitpunkt der Anordnung einer begleitenden Maßnahme betrifft, keine ausdrückliche Regelung. Nach dem Gesetzeswortlaut ist zwar anzunehmen, dass der Gesetzgeber offenbar als Regelfall die gleichzeitige Anordnung der Entziehung der Lenkerberechtigung mit einer begleitenden Maßnahme vor Augen hatte. Eine Untrennbarkeit ist bei einem Entziehungsausspruch unter Anordnung von begleitenden Maßnahmen allerdings nicht gegeben. Das Gesetz enthält kein Verbot der Anordnung von Begleitmaßnahmen nach Erlassung eines Entziehungsbescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 94/11/0289). Daraus folgt aber wegen der Trennbarkeit von Entziehung und Anordnung begleitender Maßnahmen für den vorliegenden Fall, wie der Beschwerdeführer zutreffend hervorhebt, dass die belangte Behörde über die durch den Bescheid der Behörde erster Instanz, der noch keinen Ausspruch über die Anordnung einer begleitenden Maßnahme enthielt, abgesteckte "Sache" des Berufungsverfahrens in unzulässiger Weise hinausgegangen ist. Schon aus diesem Grund ist daher der angefochtene Bescheid, auch was den Anspruch der Anordnung von begleitenden Maßnahmen anlangt, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

              4.              Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

              5.              Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

              6.              Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 28. Juni 2001

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999110237.X00

Im RIS seit

10.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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