RS UVS Oberösterreich 1996/08/12 VwSen-240169/2/Wei/Bk

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Veröffentlicht am 12.08.1996
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Rechtssatz

In der Sache ist die Berufung aber im Recht. Die von der belangten Strafbehörde übernommene Rechtsansicht der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in L zur Ausnahmebestimmung des § 2 LMKV 1993, wonach diese nur auf Brot und Gebäck in vollständig offenen Papiersäcken anzuwenden wäre, entbehrt der rechtlichen Grundlage. Nach § 2 LMKV 1993 gilt diese Verordnung nicht für Waren, die in Gegenwart des Verkäufers verpackt werden, und ebensowenig für zur Verkaufsvorbereitung verpackte Waren, wenn diese nur zur kurzfristigen Lagerung für die unmittelbare Abgabe an den Letztverbraucher, ausgenommen Selbstbedienung, bestimmt sind. Art.12 der EU-Etikettierungsrichtlinie (Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18.12.1978 idgF, zitiert bei Feil, Österreichisches Lebensmittelrecht, 2. Band: Kennzeichnungs- vorschriften, 27 ff) überläßt die Kennzeichnungsregelung den Mitgliedsstaaten bei Lebensmitteln, die dem Endverbraucher in nicht vorverpackter Form feilgeboten oder auf Wunsch des Käufers am Verkaufsort verpackt oder die im Hinblick auf ihren unmittelbaren Verkauf vorverpackt werden.

Gemäß Art.1 Abs.3 lit.b EU-Etikettierungsrichtlinie bedeuten "Vorverpackte Lebensmittel" die Verkaufseinheit, die ohne weitere Verarbeitung an den Endverbraucher abgegeben werden soll und die aus einem Lebensmittel und der Verpackung besteht, in die das Lebensmittel vor dem Feilbieten abgepackt worden ist, gleichviel, ob die Verpackung es ganz oder teilweise umschließt, jedoch auf solche Weise, daß der Inhalt nicht verändert werden kann, ohne daß die Verpackung geöffnet werden muß oder eine Veränderung erfährt. Die LMKV 1993 ist gemäß ihrem § 1 Abs.1 auf verpackte Waren gemäß §§ 2 und 3 LMG 1975 (Lebensmittel und Verzehrprodukte) anzuwenden, die ohne weitere Verarbeitung für den Letztverbraucher bestimmt sind. Nach der Definition des § 1 Abs.2 LMKV 1993 sind Waren verpackt, die in Behältnissen oder Umhüllungen beliebiger Art, deren Inhalt ohne Öffnen oder Veränderung der Verpackung nicht vermehrt oder vermindert werden kann, abgegeben werden sollen. Aus den Rechtsgrundlagen der LMKV 1993 ist ebenso wie aus der EU-Etikettierungsrichtlinie abzuleiten, daß es auf die Art der Verpackung nicht ankommt. Begrifflich wesentlich ist lediglich, daß der Inhalt ohne Einwirkung auf die Verpackung durch Öffnen oder durch Verändern ihrer Gestalt nicht verändert werden kann. Entgegen der Berufungsansicht gelten nach dieser weiten Begriffsbestimmung auch Netze, Folien oder sonstige Umhüllungen als Verpackung. Damit ist aber noch nichts über die Anwendbarkeit der Ausnahmevorschrift des § 2 LMKV 1993 ausgesagt.

Die Meinung der Strafbehörde in Anlehnung an die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in L, daß nur Brot und Gebäck in vollständig offenen Papiersäcken unter die Ausnahme fallen könne, ist verfehlt. Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates erfüllen vollständig offene Papiersäcke den oben dargestellten Verpackungsbegriff überhaupt nicht, zumal die Ware ohne jede Veränderung des Papiersackes ausgetauscht werden könnte. Deshalb wäre die LMKV 1993 schon mangels relevanter Verpackung auf solche Fälle nicht anzuwenden. Demgegenüber setzt die Ausnahme nach § 2 LMKV aber eine verpackte Ware voraus.

Wesentliche Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahme nach § 2 LMKV 1993:

Die zur Verkaufsvorbereitung verpackte Ware darf nur zur kurzfristigen Lagerung für die unmittelbare Abgabe an den Letztverbraucher im Bedienungsgeschäft bestimmt sein. Nach der Anzeige des Lebensmittelaufsichtsorganes wurden die vorverpackten Brot- und Backwaren im Bedienungsbereich der Filiale der Firma J in E vorgefunden. Eine Selbstbedienung, für die die Kennzeichnungspflicht im vollen Umfang gilt, war demnach ausgeschlossen. Die angezeigten Einheiten waren in üblichen Verkaufsgrößen für die Abgabe an den Endverbraucher verpackt. Die Dauer der Lagerung wurde im strafbehördlichen Verfahren nicht ermittelt. Beim Gebäck (Semmeln, Sesamspitz) ist von vornherein anzunehmen, daß der Verzehr üblicherweise innerhalb von 24 Stunden ab Erzeugung stattfindet. Lediglich das "Sonnenblumen Roggenbrot rustikal schmackhaft" könnte auch länger gelagert werden. Insofern bietet die Aktenlage aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß nicht nur eine kurzfristige Lagerung für Stunden, sondern etwa eine für Tage erfolgte. Im Zweifel muß jedenfalls zugunsten des Bw von einer bloß kurzfristigen Lagerung für die Abgabe an den Letztverbraucher ausgegangen werden.

Da demnach die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht bei den gegenständlichen Brot- und Backwaren erfüllt waren, erfolgten Schuldspruch und Bestrafung des Bw jedenfalls zu Unrecht. Auf die weiteren Argumente der Berufung brauchte nicht mehr eingegangen zu werden.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates nicht 4 nach den Wareneinheiten getrennte Deliktsfälle, sondern im Hinblick auf den unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang nur eine einheitliche strafbare Handlung anzunehmen gewesen wäre. Die Fassung der Strafnorm des § 74 Abs.5 Z2 LMG 1975 erfordert iVm den herangezogenen Vorschriften der LMKV 1993 keine andere Betrachtungsweise.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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