TE Vwgh Erkenntnis 2001/6/28 2000/11/0345

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Veröffentlicht am 28.06.2001
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Index

L92054 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Oberösterreich;
L92104 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Oberösterreich;

Norm

BehindertenG OÖ 1991 §43 Abs1;
BehindertenG OÖ 1991 §43 Abs2;
BehindertenG OÖ 1991 §43 Abs6;
SHG OÖ 1998 §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des W in L, vertreten durch Mag. Gerda Ferch-Fischer und Mag. Maria Navarro, Rechtsanwältinnen in 4020 Linz, Goethestraße 11, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. November 2000, Zl. SO-421019/19-2000-Kö/Hi, betreffend nachträglicher Kostenbeitrag nach dem O.ö. Behindertengesetz 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem (im Jahr 1950 geborenen) Beschwerdeführer wird seit 2. Juli 1987 Hilfe durch Beschäftigung in einer Tagesheimstätte verbunden mit einer internen Unterbringung in einer Wohngruppe gewährt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ihm die nachträgliche Leistung eines Kostenbeitrages in der Höhe von S 1,267.827,-- für diese Hilfe auferlegt. Als Rechtsgrundlage dafür werden im angefochtenen Bescheid § 43 Abs. 1, 2 und 6 und § 48 Abs. 7 O.ö. Behindertengesetz 1991 (O.ö. BhG 1991), LGBl. Nr. 113/1991 idgF, genannt.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, durch die dem Beschwerdeführer gewährte Hilfe seien dem Land Oberösterreich seit 1. August 1995 Kosten von S 2,815.743,-- entstanden. Dazu werde ein monatlicher Kostenbeitrag von derzeit S 10.000,-- geleistet. Der ungedeckte Aufwand des Landes Oberösterreich betrage somit S 2,205.566,--. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer über ein Vermögen von derzeit S 1,367.827.-- verfüge (Stand per 31. Dezember 1999: Sparbuch S 181.298,--, Konto S 4.576,--, Wertpapierbestände S 1,181.953,--). In der von der Sachwalterin des Beschwerdeführers abgegebenen Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme werde auf einen zwischen dem Beschwerdeführer und dem Verein Lebenshilfe Oberösterreich geschlossenen Schenkungsvertrag auf den Todesfall hingewiesen, der vom Bezirksgericht Linz als Sachwaltergericht genehmigt worden sei. Durch diesen Schenkungsvertrag werde der Beschwerdeführer in seiner Verfügungsberechtigung zu Lebzeiten nicht beschränkt. Der Einwand der Sachwalterin, der Beschwerdeführer sei einen gewissen Lebensstandard gewohnt, der bei Geltendmachung der nachträglichen Kostenbeitragsverpflichtung nicht mehr gewährleistet sei, sei unverständlich, weil dem Beschwerdeführer ohnedies ein Betrag von S 100.000,-- belassen werde und die Möglichkeit, weiterhin auf Kosten des Landes Oberösterreich in der Fördereinrichtung bei interner Unterbringung zu verbleiben, nicht in Zweifel gezogen werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den Beschwerdefall wesentlichen Bestimmungen des O.ö. Behindertengesetzes 1991 - O.ö. BhG 1991, LGBl. Nr. 63/1997 (das O.ö. Behindertengesetz 1991, LGBl. Nr. 113/1991, wurde durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 63/1997 in der in diesem Landesgesetz enthaltenen Fassung unter Beibehaltung des Kurztitels neuerlich beschlossen) lauten wie folgt:

§ 43.

Kostenbeitrag

(1) Zu den Maßnahmen der

1. Heilbehandlung (§ 6 Z. 1),

2.

Hilfe zur Frühförderung, Erziehung und Schulbildung (§ 6 Z. 3),

3.

Hilfe zur beruflichen Eingliederung (§ 6 Z. 4),

4.

Hilfe durch Beschäftigung (§ 6 Z. 6),

5.

Hilfe durch ambulante und mobile Pflege und Betreuung (§ 28),

6.

Hilfe durch Unterbringung in Einrichtungen für Pflege und Betreuung (§ 29)

haben der behinderte Mensch bzw. die für ihn gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Kostenbeiträge zu leisten. ....

(2) Wird eine Maßnahme gemäß Abs. 1 Z. 1, 2, 3 oder 4 in Verbindung mit einer internen Unterbringung in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe oder Hilfe durch Unterbringung in Einrichtungen für Pflege und Betreuung gewährt, so ist ein Kostenbeitrag in sinngemäßer Anwendung der §§ 9 und 51a O.ö. Sozialhilfegesetz, ausgenommen der Voraussetzung der Vollendung des 19. Lebensjahres, zu leisten.

...

(6) Der behinderte Mensch oder die für ihn gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen sind zur nachträglichen Leistung der Kostenbeiträge verpflichtet, wenn nachträglich bekannt wird, dass er (sie) zur Zeit der Durchführung der Hilfeleistung Zuwendungen oder ein Einkommen bzw. ein verwertbares Vermögen in einer Höhe hatte(n), das ihn (sie) gemäß Abs. 2 bis 5 zum Kostenbeitrag verpflichtet hätte.

...

§ 9 des O.ö. Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 66/1973, trägt die Überschrift "Einsatz der eigenen Mittel". Nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle ist Hilfe nur soweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern.

Das O.ö. Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 66/1973, ist gemäß § 71 Abs. 1 des O.ö. Sozialhilfegesetzes 1998, LGBl. Nr. 82/1998, mit Ablauf des 31. Dezember 1998 außer Kraft getreten. Sofern in anderen landesrechtlichen Vorschriften auf Bestimmungen des O.ö. Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 66/1973, verwiesen wird, gelten zufolge § 71 Abs. 4 erster Satz O.ö. Sozialhilfegesetz 1998 anstelle dieser Bestimmungen nunmehr die entsprechenden Vorschriften dieses Landesgesetzes.

§ 9 O.ö. Sozialhilfegesetz 1998 trägt die Überschrift "Einsatz der eigenen Mittel, Kostenbeitrag". Nach § 9 Abs. 1 dieser Bestimmung hat die Leistung sozialer Hilfe unter Berücksichtigung des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der hilfebedürftigen Person, bei sozialer Hilfe zur Pflege auch unter Berücksichtigung der pflegebezogenen Geldleistungen, zu erfolgen, es sei denn, dies wäre im Einzelfall mit der Aufgabe sozialer Hilfe unvereinbar oder würde zu besonderen Härten führen.

Der in § 43 Abs. 2 O.ö. Behindertengesetz 1991 genannte § 51a O.ö. Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 66/1973, enthält Einschränkungen des Ersatzes durch gesetzlich zum Unterhalt verpflichtete Angehörige und ist für den Beschwerdefall ohne Bedeutung.

Der angefochtene Bescheid gründet die Verpflichtung zur nachträglichen Leistung eines Kostenbeitrages auf § 43 Abs. 6 O.ö. Behindertengesetz 1991. Die nachträgliche Beitragspflicht des behinderten Menschen nach dieser Gesetzesstelle setzt voraus, dass nachträglich bekannt wird, dass er zur Zeit der Durchführung der Hilfeleistung Zuwendungen oder ein Einkommen bzw. ein verwertbares Vermögen in einer Höhe hatte, das ihn gemäß Abs. 2 bis 5 zum Kostenbeitrag verpflichtet hätte. Dem angefochtenen Bescheid liegt erkennbar die Annahme zugrunde, der Behörde sei das Vermögen des Beschwerdeführers erst nachträglich (offenbar aufgrund der mit Schreiben an das Bezirksgericht Linz vom 17. Juli 2000 eingeleiteten Ermittlungen betreffend das Vermögen des Beschwerdeführers) bekannt geworden, ohne dass allerdings konkret dargelegt würde, wann und wodurch die belangte Behörde vom Vermögen des Beschwerdeführers Kenntnis erlangt haben will. Unter Zugrundelegung der von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ist die genannte Annahme aktenwidrig. In den Verwaltungsakten befinden sich vier (aus je einem Blatt bestehende) von der Sachwalterin des Beschwerdeführers ausgefüllte und mit 23. Oktober 1995 datierte Erhebungsbögen für behinderte Menschen, die in einer Einrichtung der Behindertenhilfe intern untergebracht sind. In diesen Erhebungsbögen wurde u.a. das Wertpapiervermögen des Beschwerdeführers angegeben mit dem Vermerk "ist gerichtlich gesperrt". Die Erhebungsbögen sind (mit anderen Urkunden) zusammengeheftet. Auf dem obersten Blatt der Erhebungsbögen findet sich der Eingangsstempel des Amtes der O.ö. Landesregierung vom 16. November 1995. In dieser Stampiglie ist die Aktenzahl, unter der das den Beschwerdeführer betreffende Verfahren nach dem O.ö. Behindertengesetz geführt wird, eingesetzt sowie der Hinweis, dass mit dem obersten Erhebungsbogen neun Beilagen vorgelegt wurden. Unter den an den obersten Erhebungsbogen angehefteten Beilagen finden sich u.a. eine Ausfertigung des Notariatsaktes vom 11. August 1989 über die Schenkung auf den Todesfall betreffend ein Wertpapierdepot (Kurswert ca. S 1,2 Mio.) und ein Sparbuch (Einlagenstand ca. S 40.000,--) und eine Kopie des Genehmigungsbeschlusses des Bezirksgerichtes Linz vom 29. August 1989.

Nach der Aktenlage muss sohin davon ausgegangen werden, dass der belangten Behörde das (insbesondere aus Wertpapieren bestehende) Vermögen des Beschwerdeführers seit November 1995 bekannt war. Dennoch hat sie mit dem an die Sachwalterin gerichteten Bescheid vom 2. Dezember 1996 gemäß § 43 Abs. 1 und 2 O.ö. Behindertengesetz 1991 lediglich die Leistung eines Kostenbeitrages von monatlich S 3.850,-- (bestehend aus Familienbeihilfe, Erhöhungsbetrag für erheblich behinderte Kinder und Kinderabsetzbetrag) vorgeschrieben. Wenn sie damals die Wirkungen der Schenkung auf den Todesfall unrichtig rechtlich beurteilt hat und davon ausgegangen ist, der Beschwerdeführer besitze im Hinblick auf diese Schenkung kein verwertbares Vermögen im Sinne des § 9 Abs. 1 O.ö. Sozialhilfegesetz, ändert dies nichts daran, dass ihr nach der Aktenlage die für die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer verwertbares Vermögen besitzt, maßgebenden Tatsachen bereits seit November 1995 bekannt waren. Damit fehlt aber eine wesentliche Voraussetzung für die Geltendmachung der nachträglichen Kostenbeitragspflicht gemäß § 43 Abs. 6 O.ö. Behindertengesetz 1991.

Da somit der angefochtene Bescheid auf einer aktenwidrigen Sachverhaltsannahme beruht, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Juni 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000110345.X00

Im RIS seit

17.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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