Die Behörde darf - wie schon aus dem Wortlaut des § 13 Abs.1 VersG hervorgeht - eine gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltete Versammlung nur "nach Umständen" auflösen (mit Hinweis auf VfSlg. 7762/1976 und VfGH 23.9.1983, B 671/80). Für eine behördliche Versammlungsauflösung muß also ein zureichender Grund vorliegen. Das im jeweiligen Fall - hier als Vorfrage vom unabhängigen Verwaltungssenat selbständig zu beurteilen - rechtmäßige Verhalten der Behörde ist wohl vor dem Hintergrund der Versammlungsfreiheit zu beurteilen.
Der staatsvertragliche (materielle) Gesetzesvorbehalt, wie er im Art.11 Abs.2 MRK umschrieben wird, gilt auch im innerstaatlichen Bereich und leitet die Vollzugsorgane an, wann sie einen zureichenden Grund für eine Versammlungsauflösung annehmen dürfen (vgl. hiezu das die Ermächtigung der Behörde, einen Verein aufzulösen, betreffende Erk. VfSlg. 8090/1977).
Die Umstände, die zur Verletzung der Anzeigepflicht hinzuzutreten haben, um eine Versammlungsauflösung zu rechtfertigen, müssen also so geartet sein, daß ohne diese Maßnahme eines der in der zitierten Konventionsnorm aufgezählten Schutzgüter gefährdet wäre. Nach der sich aus Art.11 Abs.2 MRK ergebenden Richtlinie ist dies allem voran der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Durch das Verhalten der Berufungswerberin in der hier gegenständlichen Phase war aber das Recht des Eigentümers, seine Holzbringung bzw. Bauarbeiten vorzunehmen, nicht beeinträchtigt; ebenfalls waren in diesem Zusammenhang auch keine Belange im Hinblick auf die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und die Aufrechterhaltung der Ordnung nachteilig berührt (VfGH Slg. 6883/1972, sowie VfGH 23.6.1977, B 209/76). Die Eingriffsbefugnis der Behörde (die Auflösung der Versammlung) ist im Sinne der Intention des Gesetzes jedenfalls eng auszulegen. Hier auf den Zweck der Vermeidung des Abschwemmens der nächst der ufernahen Camps gelagerten Baumstämme durch das drohende Hochwasser, wird somit primär auf den Eigentumsschutz, reduziert.
Diese Sicht wird vor allem aus verfassungsrechtlichen Überlegungen intendiert. Nach Art.7 Abs.1 MRK kann nämlich u.a. niemand wegen einer Handlung verurteilt werden, die nicht strafbar ist bzw. zur Zeit der jeweiligen Handlung nicht strafbar war. Strafbestimmungen sind dabei stets eng auszulegen, wobei jegliche Analogie unzulässig ist.
Diese - auch in Österreich im Verfassungsrang stehende - Bestimmung legt nach der Rechtsprechung der Europäischen Instanzen allgemein den Grundsatz der (strengen) Gesetzesgebundenheit (Legalitätsprinzip) des Strafrechts (nulla poena sine lege) fest (vgl. Frowein-Peukert, EMRK-Kommentar, Kehl 1985, RN 1 und 2 zu Art.7).
Die Berufungswerberin tangierte in ihrem Verhalten (Verweilen auf einem Baum) das Auflösungsziel nicht. Daß sie subjektiv das Manifestationsziel unterstützt hat, reicht hier für eine Verurteilung nicht aus.