RS UVS Oberösterreich 1996/10/30 VwSen-240172/3/Wei/Bk

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Veröffentlicht am 30.10.1996
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Rechtssatz

Gemäß § 74 Abs.5 LMG 1975 begeht im Falle der Ziffer 2 eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu 25.000,-- S zu bestrafen,

wer den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 15 Abs.7 oder 8 lit.a oder b, 19 oder 31 Abs.1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt. Die verfahrensrelevante LMKV 1993 wurde nach ihrer Präambel auf Grund der §§ 7 Abs.2, 10 Abs.1 und 19 Abs.1 LMG 1975 erlassen. Sie hat demnach ihre Grundlage in gesetzlichen Vorschriften, die entweder unter die Blankettstrafnorm des § 74 Abs.4 Z1 oder unter die des § 74 Abs.5 Z2 LMG 1975 fallen. Im Hinblick auf zwei in Betracht kommende gesetzliche Strafbestimmungen mit verschiedenen Strafrahmen muß bei Heranziehung von Gebots- oder Verbotsnormen der LMKV 1993 genau differenziert werden, welche Bestimmung auf welcher gesetzlichen Grundlage beruht.

Die Gebotsnormen der §§ 4 und 5 LMKV 1993 betreffen erkennbar die bloße Kennzeichnung von verpackten Waren, die für den Letztverbraucher bestimmt sind (vgl § 1 Abs.1 LMKV 1993). Sie haben ihre gesetzliche Grundlage im § 19 LMG 1975, der die Kennzeichnung von Lebensmitteln, Verzehrprodukten und Zusatzstoffen regelt und eine Verordnungsermächtigung enthält. Hingegen ermächtigt der § 10 LMG 1975 den Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz besondere Vorschriften für das Inverkehrbringen mit Verordnung zu erlassen, die zur Sicherung einer einwandfreien Nahrung oder zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung oder Täuschung geboten sind. Dabei geht es an sich nicht um bloße Kennzeichnungsvorschriften. Beim Schutz des Verbrauchers vor Täuschung bestehen aber fließende Übergänge zur Kennzeichnung. Die LMKV 1993 gibt demnach auch den § 10 LMG 1975 als gesetzliche Grundlage an. Die gegenständlich maßgeblichen §§ 4 und 5 LMKV 1993 regeln die Kennzeichnung iSd § 19 LMG 1975. Die belangte Behörde hatte daher die Strafnorm des § 74 Abs.5 Z2 LMG 1975 heranzuziehen. Nach dem § 4 LMKV 1993 haben verpackte Waren, sofern die §§ 5 bis 7 dieser Verordnung nichts anderes bestimmen, bestimmte Kennzeichnungselemente zu enthalten, die in mehreren Ziffern ausführlich beschrieben werden. § 4 Z5 schreibt die Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums - das ist nach der einleitenden Begriffsbestimmung jener Zeitpunkt, bis zu dem die Ware ihre spezifischen Eigenschaften behält, - mit den Worten: "mindestens haltbar bis ..." vor.

Gemäß dem § 5 LMKV 1993 ist bei in mikrobiologisch sehr leicht verderblichen Waren, die folglich nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnten, anstelle des Mindesthaltbarkeitsdatums nach § 4 Z5 LMKV 1993 das Verbrauchsdatum mit den Worten: "verbrauchen bis ..."

anzugeben.

Diese Unterscheidung zwischen Mindesthaltbarkeitsdatum und Verbrauchsdatum folgt auch aus Art.3 Abs.1 Z4 und Art.9a Abs.1 der EU-Etikettierungsrichtlinie (Richtlinie des Rates 79/112/EWG vom 18.12.1978 idgF, zitiert bei Feil, Österreichisches Lebensmittelrecht, 2. Band: Kennzeichnungsvorschriften (1995), 27 ff). Nach Art.2 Abs.1 lit.a) EU-Etikettierungsrichtlinie darf die Etikettierung nicht geeignet sein, den Käufer über Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen.

Die differenzierte Angabe zur Haltbarkeit von Waren dient offenbar der besseren Information der Verbraucher. Ist das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen, so ist deshalb die Ware noch nicht verdorben. Auch wenn das Lebensmittel bereits kurz nach Fristablauf wertgemindert sein kann, weil seine spezifischen Eigenschaften nicht mehr zur Gänze vorliegen, kann es dennoch ohne Gefahr für die Gesundheit konsumiert werden. Anders verhält es sich bei mikrobiologisch sehr leicht verderblichen Lebensmitteln, die mit einer Verbrauchsfrist zu kennzeichnen sind. Ist das Verbrauchsdatum abgelaufen, so ist wegen der unmittelbaren Gesundheitsgefahr vom Konsum schlechthin abzuraten. Zur gegenständlich strittigen Kennzeichnungsfrage verweist die Berufung zunächst richtig auf den Umstand, daß die LMKV 1993 ebensowenig wie die EU-Kennzeichnungsrichtlinie eine Aufstellung jener Produkte enthält, bei denen ein Verbrauchsdatum anzugeben ist. Der daraus gezogene Schluß, daß Produkte mit mindestens drei Tagen Haltbarkeit zulässigerweise durch ein Mindesthaltbarkeitsdatum zu kennzeichnen seien, erscheint aber nicht nachvollziehbar. Für diese Auslegung führt die Berufung das Rundschreiben Nr. 49/1994 des Verbandes der Fleischwarenindustrie vom 14. Juli 1994 ins Treffen, das sich seinerseits auf das zuvor mit Rundschreiben Nr. 46/1994 versendete "erlaßmäßige Schreiben" des BMGSK (gemeint: Erlaß vom 16.6.1994, Zl. 32.014/6-III/B/1b/94) und dessen Behandlung durch das Plenum der Codexkommission in der Sitzung am 6.7.1994 bezieht.

Dieses Rundschreiben des Verbandes der Fleischwarenindustrie erwähnt zunächst richtig, daß mit dem Schreiben des BMGSK die Dauer der Haltbarkeitsfristen für Fleisch und bestimmte Fleischwaren gemäß § 5 LMKV 1993 festgelegt wurde. Genau genommen hatte der BMGSK ein Gutachten des Ständigen Hygieneausschusses betreffend Verbrauchsfristen für Fleisch und Fleischwaren, die in mikrobieller Hinsicht als sehr leicht verderblich anzusehen sind, in der Anlage seines Runderlasses bekanntgemacht. Dem bezughabenden Protokoll der Codexkommission (vgl Erläuterungen von Steinkellner) ist zu entnehmen, daß dieser Verbrauchsfristen-Erlaß als Orientierungshilfe dienen sollte. Im gegebenen Zusammenhang wird wörtlich ausgeführt:

"d) Abweichungen vom Erlaß (Orientierungshilfe, widerlegbares Gutachten) sind rechtlich möglich, da in jedem Einzelfall der tatsächliche Zustand der Waren unter Zugrundelegung der Begriffsbestimmungen des § 8 LMG 1975 entscheidend ist."

An diese Darstellung anknüpfend stellt das Rundschreiben des Verbandes der Fleischwarenindustrie zunächst im Punkt 1. zutreffend fest, daß die jeweils festgelegte Dauer der Haltbarkeitsfristen rechtlich nicht bindend und durch ein Gutachten eines gemäß § 50 LMG 1975 befugten Sachverständigen widerlegt werden kann. Auf der Grundlage von Lagerversuchen und einer darauf aufbauenden Begutachtung könnten unter Beachtung der spezifischen Voraussetzungen auch längere Fristen ausgezeichnet werden. Im Punkt 2. des Rundschreibens wird schließlich unter Hinweis auf eine EU-konforme Interpretation und den "authentischen Kommentar" zum § 5 LMKV 1993, der im Verlag Manz demnächst erscheine, behauptet, daß die im "erlaßmäßigen Schreiben" angeführten Produkte nicht in jedem Fall mit der Verbrauchsfrist gekennzeichnet werden müßten. Nach lückenhaftem Zitat aus dem "authentischen Kommentar" (vgl dazu Barfuß/Smolka/Onder, Lebensmittelrecht, 2. A, Teil II A Kennzeichnungsrecht, Komm zu § 5 LMKV, 100) kommt die vorgegebene EU-konforme Interpretation des § 5 LMKV 1993 sogleich zum Ergebnis, daß Produkte, die mindestens 3 Tage oder länger haltbar sind, nach der gegebenen Rechtslage zulässigerweise mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum zu kennzeichnen wären. Produkte, die einen oder zwei Tage haltbar sind, kämen hingegen für die Anbringung eines Verbrauchsdatums in Betracht.

Diese vom Verband der Fleischwarenindustrie mitgeteilte Grenzziehung für die Angabe von Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum erscheint dem erkennenden Verwaltungssenat willkürlich und unhaltbar. Weder der Runderlaß des BMGSK vom 16. Juni 1994 noch das Protokoll der Sitzung der Codexkommission vom 6. Juli 1994 oder der zitierte "authentische Kommentar" lassen eine derartige Auslegung vertretbar erscheinen. Aus der Anlage des erwähnten Runderlasses ist vielmehr eindeutig abzuleiten, daß das in der Aufzählung angeführte Fleisch und die Fleischwaren nach der Fachmeinung des Ständigen Hygieneausschusses jedenfalls unter den Begriff der in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderblichen Waren iSd § 5 LMKV 1993 zu subsumieren ist, für welche Verbrauchsfristen und nicht Mindesthaltbarkeitsfristen anzugeben sind. Auch der Betreff des Runderlasses verweist unmißverständlich auf Verbrauchsfristen nach dem § 5 LMKV für bestimmtes Fleisch bzw bestimmte Fleischwaren. Allein bei der Länge der den aufgelisteten Waren zugeordneten Verbrauchsfristen, die sich nach den Vorgaben des Ständigen Hygieneausschusses im Rahmen von einem bis zu fünf Tagen bewegten, wären Abweichungen in Form von längeren Verbrauchsfristen denkbar, wenn dies entsprechend fachkundig durch Lagerversuche belegt werden kann. Dies war in der Sitzung der Codexkommission mit dem widerlegbaren Gutachten gemeint. Die Unvertretbarkeit der Grenze von 3 Tagen folgt schon ganz einfach daraus, daß in der Anlage des Runderlasses des BMGSK selbst eine Frist von 5 Tagen noch als Verbrauchsfrist nach dem § 5 LMKV angegeben wird. Außerdem ist nicht einmal ansatzweise ein sachliches Kriterium für die Auslegung im Rundschreiben des Verbandes der Fleischwarenindustrie erkennbar. Lebensmittel, denen ein Verbrauchsdatum zuzuordnen ist, können nicht allein durch kurze Haltbarkeitsfristen charakterisiert werden. Verbrauchsfristen tragen vielmehr dem Umstand Rechnung, daß bei mikrobiologisch sehr leicht verderblichen Waren bereits unmittelbar nach Ablauf der (meist kurzen) Haltbarkeitsfrist eine besondere Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht.

Daß eine EU-konforme Interpretation für das Ergebnis des Verbandes der Fleischwarenindustrie spreche, entbehrt jeder Grundlage. Für Geflügel gilt jedenfalls das Gegenteil. Nach der unmittelbar anwendbaren Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates vom 26. Juni 1990 über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch (ABl Nr. L 173 vom 6.7.1990), wird frisches Geflügelfleisch unter mikrobiologischen Gesichtspunkten als sehr leicht verderbliches Lebensmittel eingestuft, bei dem es angezeigt ist, das Mindesthaltbarkeitsdatum durch das Verbrauchsdatum zu ersetzen. Art.5 Abs.2 dieser Verordnung sieht daher ausdrücklich die Kennzeichnung von frischem Geflügelfleisch gemäß Art.9a Absatz 1 der Richtlinie 79/112/EWG vor. Diese und weitere EU-Rechtsgrundlagen sind auch in dem im Manz Verlag erschienenen Kommentar zum Lebensmittelrecht nachzulesen (vgl näher Barfuß/Smolka/Onder, Lebensmittelrecht, 2. A, Teil II A Kennzeichnungsrecht, Komm zu § 5 LMKV, 100 f).

Nur der Vollständigkeit halber ist noch auf den Erlaß des BMGSK vom 10. Februar 1995, Zl. 32.014/0-III/B/1/95, zu verweisen, dessen Klarstellungen schon bei objektiver Auslegung des Runderlasses vom 16. Juni 1994 folgen. Im Punkt 1) dieses klarstellenden Erlasses wird unter Hinweis auf § 54 LMG 1975 zutreffend betont, daß es zur Auslegung des § 5 LMKV des Fachwissens einschlägiger Hygieneexperten bedarf. Deshalb wurde mit dem Runderlaß des BMGSK vom 16. Juni 1994 die maßgebende Fachmeinung des Ständigen Hygieneausschusses den beteiligten Verkehrskreisen bekanntgegeben. Der Erlaß vom 10. Februar 1995 stellt klar, daß bei sämtlichen vom Ständigen Hygieneausschuß aufgezählten Waren ein Verbrauchsdatum zuzuordnen ist. Dieser habe sich auf die Nennung jener sehr leicht verderblichen Waren beschränkt, die unbestrittenermaßen "nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnten" (§ 5 LMKV 1993). Lediglich bei der Angabe der Verbrauchsfristen handelte es sich um Durchschnittswerte zur Orientierung, die im Einzelfall nach entsprechenden praxisnahen Lagerversuchen angepaßt werden können. Insofern besteht im Hinblick auf die Fachmeinung des Ständigen Hygieneausschusses eine Umkehr der Beweislast.

Als Zwischenergebnis ist festzustellen, daß sämtliche Rechtsausführungen der Berufung, die auf dem Rundschreiben Nr. 49/1994 des Verbandes der Fleischwarenindustrie vom 14. Juli 1994 beruhen, unzutreffend sind. Auf einem grundlegenden Mißverständnis des Kennzeichnungsrechts beruht auch die verfehlte Ansicht der Berufung, daß für die Anwendung des § 5 LMKV 1993 pathogene Keime hätten konkret festgestellt werden müssen. Vielmehr genügt für die besondere Kennzeichnungspflicht iSd § 5 LMKV 1993 der Umstand, daß rohes Geflügelfleisch einen sehr guten Nährboden für die meisten Mikroorganismen, insbesondere für pathogene Keime wie Salmonellen, bildet (vgl Stellungnahme der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung vom 7.8.1995). Die Angabe des Verbrauchsdatums beim Inverkehrbringen von sehr leicht verderblicher Ware dient der Vermeidung von unmittelbaren Gefahren für die menschliche Gesundheit durch vorbeugende Information des Verbrauchers. Damit wird vom Konsum nach Ablauf der Verbrauchsfrist wegen besonderer Gesundheitsgefahr schlechthin abgeraten. Das bedeutet aber nicht zwingend, daß das Lebensmittel sogleich nach Fristablauf bereits gesundheitsschädlich sein muß.

Auch mit dem Hinweis, daß der Runderlaß vom 16. Juni 1994 keine Regelung über Putenprodukte enthält, ist für den Standpunkt des Bw nichts gewonnen. Auch wenn in der Fachmeinung des Ständigen Hygieneausschusses nur von rohen Hühnern mit Dehnfolie umhüllt (getwistet) die Rede ist, kann daraus noch nicht geschlossen werden, daß anderes Geflügel nicht sehr leicht verderblich wäre. Das ist kein Problem der verbotenen Analogie oder ausdehnenden Auslegung, zumal § 5 LMKV 1993 ganz allgemein auf in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderbliche Waren abstellt und der genannte Runderlaß auch keine abschließende Beurteilung und Aufzählung von diesen sehr leicht verderblichen Waren enthalten konnte. Abgesehen davon wird frisches Geflügelfleisch im EU-Recht (vgl oben die Ratsverordnung über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch vom 26.6.1990) ohnehin ausdrücklich als in mikrobiologisch sehr leicht verderbliches Lebensmittel eingestuft. Die Berufung macht mit der Behauptung, daß der Bw auf die Interpretation des Verbandes der Fleischwarenindustrie vertrauen hätte können, sinngemäß einen entschuldigenden Rechtsirrtum iSd § 5 Abs.2 VStG geltend. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl die zahlreichen Judikaturnachweise bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. A (1996), 778 ff) entschuldigt eine irrige Auslegung oder Unkenntnis des Gesetzes nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet war und der Irrende trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt das Unrecht nicht einsehen konnte (vgl auch § 5 Abs.2 VStG). Kann nach dem gesamten Verhalten nicht angenommen werden, daß der Irrtum unverschuldet war und der Beschuldigte das Unerlaubte nicht einsehen konnte, so scheidet ein entschuldigender Rechtsirrtum aus. Das gilt vor allem auch dann, wenn es Sache des Beschuldigten gewesen wäre, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel eine kompetente Rechtsauskunft einzuholen. Bei Gewerbetreibenden oder sonstigen Unternehmern und Bewilligungsinhabern nimmt die Judikatur regelmäßig eine aus der Tätigkeit folgende Erkundigungspflicht an (vgl dazu Hauer/Leukauf, aaO, 781, E 22 ff zu § 5 Abs.2 VStG).

Der bloße Umstand, daß in einer bestimmten Rechtsfrage Rechtsunsicherheit herrscht, berechtigt nicht dazu, sich ohne weitere Nachforschungen für die günstigste Variante zu entscheiden. Vielmehr hat sich der Beschuldigte einschlägig zu informieren und unrichtige amtliche Auskünfte nachzuweisen, die zu seiner unzutreffenden Rechtsmeinung führen konnten (vgl VwGH 15.12.1994, 94/09/0091 und 94/09/0092).

Der erkennende Verwaltungssenat kann weder aus der Aktenlage noch nach dem Berufungsvorbringen einen entschuldigenden Rechtsirrtum des Bw erkennen. Wie bereits oben näher dargelegt wurde, war die Rechtsansicht zur Kennzeichnung von Waren mit Verbrauchsfrist oder Mindesthaltbarkeitsfrist im Rundschreiben Nr. 49/1994 des Verbandes der Fleischwarenindustrie vom 14. Juli 1994 unvertretbar. Der Bw kannte den Runderlaß des BMGSK vom 16. Juni 1994, weil er ihm mit Rundschreiben Nr. 46/1994 des Verbandes der Fleischwarenindustrie vom 4. Juli 1994 übermittelt worden war. Bei sorgfältiger Lektüre dieses Runderlasses, der ganz eindeutig auf die einschlägige Kennzeichnungsvorschrift des § 5 LMKV 1993 Bezug nimmt, samt der Anlage "Verbrauchsfristen" hätte er erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung des Verbandes der Fleischwarenindustrie hegen müssen, die ihn verpflichtet hätten, beim BMGSK hinsichtlich der inhaltlichen Deutung des Runderlasses anzufragen. Außerdem wäre zu erwarten gewesen, daß ihm als Betriebsleiter eines Geflügel verarbeitenden Unternehmens die einschlägige Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates vom 26. Juni 1990 über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch bekannt ist. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er die Unhaltbarkeit der Rechtsmeinung des Verbandes der Fleischwarenindustrie zur Frage der sehr leichten Verderblichkeit von Lebensmitteln zumindest in bezug auf frisches Geflügelfleisch sofort erkannt. Demnach hat der Bw keinesfalls jene Sorgfalt walten lassen, die ihm nach seinen Verhältnissen zumutbar gewesen wäre. Er durfte sich nicht blind auf die ihm mitgeteilte Rechtsmeinung seiner Interessensvertretung verlassen, sondern hatte sich selbst mit den einschlägigen Rechtsvorschriften und dem Runderlaß auseinanderzusetzen. Mangels entsprechender Initiative des Bw liegt kein relevanter Rechtsirrtum und damit auch kein Entschuldigungsgrund vor. Außerdem folgt die leichte Verderblichkeit von Geflügelfleisch, insbesondere die Gefahr von Erkrankungen durch Salmonellen, schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung.

Der behauptete Verfahrensmangel zur Bestimmung der Tatzeit liegt nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates ebenfalls nicht vor. Die Feststellungen zur Tatzeit hinsichtlich der gelieferten Packungen "Putenleber frisch" konnte die belangte Behörde entsprechend der Anzeige der W, die auf den Angaben der stellvertretenden Filialleiterin des belieferten Handelsunternehmens beruhte, bedenkenlos treffen. Unbestritten steht fest, daß die Ware mit einem Klebeetikett der Firma S versehen und daher diesem Unternehmen zuzurechnen war. Wenn aus dem Klebeetikett nicht die Angaben ersichtlich sind, die zur Feststellung, aus welcher Produktion die Probe stammt, angeblich notwendig sind, so hat sich das der Bw selbst zuzuschreiben. Selbst wenn die Spedition im Auftrag der Firma L Warenhandel Ges.m.b.H. erfolgte, wäre es dem Bw wohl möglich gewesen, den Liefertag durch Rückfrage bei der Spedition oder bei der Firma L Warenhandel Ges.m.b.H. zu überprüfen, falls er die Angaben der stellvertretenden Filialleiterin bezweifeln sollte. Die Richtigkeit des angenommenen Liefertages hat er jedenfalls nicht ausdrücklich und durch Erstattung eines konkreten Tatsachenvorbringens bestritten. Somit bestand kein Anlaß für weitere Erhebungen durch die belangte Strafbehörde.

Hinsichtlich der 3 Packungen "Putenleber frisch", die nach Angaben der stellvertretenden Filialleiterin der L Warenhandel Ges.m.b.H. entweder am 31.1.1995 oder am 1.2.1995 geliefert wurden, erscheint der Tatvorwurf noch hinreichend konkretisiert. Zum einen hätte der Bw aufgrund des Klebeetiketts oder sonstiger Aufzeichnungen den genauen Liefertag feststellen und mitteilen können. Zum anderen bestand für ihn ausreichend Gelegenheit, zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen und Beweise anzubieten. Auch eine Verwechslungsgefahr ist nicht realistisch. Daher liegt im Sinne der Rechtsschutzüberlegungen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a VStG (vgl näher mit Nachw Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. A (1996), 969 ff, Anm 2 zu § 44a VStG) ein ausreichend bestimmter Tatvorwurf vor. Der unabhängige Verwaltungssenat sieht sich dennoch im Zweifel zugunsten des Bw veranlaßt, auch hinsichtlich der 3 Packungen "Putenleber frisch" den 31. Jänner 1995 als Tag der Lieferung und Tatbegehung anzunehmen. Da in diesem Fall sowohl für Spruchpunkt 1) als auch 2) der 31. Jänner 1995 als Tag der Lieferung und damit Übergabe der Ware an eine Spedition heranzuziehen ist, ergibt sich ein einheitliches Tatgeschehen, das nach Maßgabe der Formulierung der verletzten Rechtsvorschrift des § 5 LMKV 1993 auch nur als ein einziges Delikt gewertet werden kann. Außerdem erscheint es im allgemeinen naheliegender, daß Waren eines Herstellers an einem Tag und nicht an zwei unmittelbar hintereinander liegenden Tagen geliefert werden, wenn nicht ohnehin eine tägliche Anlieferung erfolgt, was aus der Aktenlage aber nicht hervorgeht. Im Ergebnis hatte der erkennende Verwaltungssenat daher die beiden Spruchpunkte zu einem Schuldspruch zusammenzufassen und eine Neuformulierung vorzunehmen, wobei auch die übertretenen Rechtsvorschriften der LMKV 1993 zu präzisieren waren. Im Sinne der objektiven Kriterien des § 19 Abs.1 VStG hat die belangte Behörde eine Schädigung des Interesses der Konsumenten auf ausreichende Information über die angebotenen Waren angenommen. Die falsche Kennzeichnung mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum war jedenfalls objektiv geeignet, die Verbraucher hinsichtlich der sehr leichten Verderblichkeit der Ware und der unmittelbaren Gefahr für die Gesundheit im Falle eines wenn auch raschen Konsums nach Ablauf der angegebenen Frist zu täuschen. Daß der Bw eine solche Täuschung wollte oder zumindest ganz bewußt in Kauf nahm, kann nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden.

Aus der aktenkundigen Aufstellung der belangten Behörde über die Verwaltungsstrafverfahren gegen den Bw geht hervor, daß drei gewerberechtliche Straferkenntnisse rechtskräftig geworden sind, während zahlreiche Strafverfahren wegen Übertretungen der LMKV noch nicht rechtskräftig entschieden waren. Demnach ist der Bw zwar noch nicht als einschlägig vorbestraft anzusehen, von Unbescholtenheit kann aber ebenso keine Rede sein. Außerdem stellt Unbescholtenheit allein noch nicht den Milderungsgrund iSd § 34 Z2 StGB (iVm § 19 Abs.2 VStG) her, weil hinzukommen muß, daß die Tat in auffallendem Widerspruch zum bisherigen Lebenswandel steht (vgl etwa VwGH 16.3.1995, 94/16/0300). Dies ist auch im Hinblick auf die zahlreichen anhängigen Strafverfahren wegen Übertretung des § 5 LMKV nicht der Fall.

Der letztgenannte Gesichtspunkt in Verbindung mit der mangelnden Schuldeinsicht kann dem Bw entgegen der Ansicht der belangten Strafbehörde auch nicht als selbständiger Erschwerungsgrund zugerechnet werden. Mangelnde Schuldeinsicht ist kein Erschwerungsgrund iSd § 33 StGB (vgl Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A (1992), Rz 15 zu § 33). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß dem Bw die Schuldeinsicht nicht aufgrund von besonderen Charaktermängeln sondern wegen seines - wenn auch nicht entschuldigenden - Rechtsirrtums fehlt. Freilich ist eine gewisse Beharrlichkeit und Unbelehrbarkeit des Bw festzustellen, die auch das Maß der Schuld nicht so unwesentlich erscheinen läßt, wie es der Berufung vorschwebt. Die vom Bw verlangte Anwendung des § 21 VStG scheitert jedenfalls bereits am Erfordernis der geringen Schuld. Außerdem gebieten auch spezialpräventive Erfordernisse die Verhängung einer Strafe.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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