TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/3 98/05/0115

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Veröffentlicht am 03.07.2001
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Index

L37129 Benützungsabgabe Gebrauchsabgabe Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art18;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §1 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Humana-Vereines zur Förderung Not leidender Menschen in der Dritten Welt in Wien, vertreten durch Brauneis, Klauser & Prändl, Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Bauernmarkt 2, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 29. April 1998, Zl. MA 64- BE 185/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Wr. GebrauchsabgabeG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Hinsichtlich des auch hier zu beurteilenden Sachverhaltes wird zunächst auf die Darstellung im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2001, K I-2/99, Punkte I.1.- I.2. verwiesen:

"I. 1. Der antragstellende Verein - eine karitative Organisation - betreibt zur Finanzierung seiner Vereinsziele u.a. das Sammeln von Alttextilien.

2.1. Mit Duldung der Stadt Wien stellte er dazu seit ca. zehn Jahren innerhalb des Gebietes der Gemeinde Wien etwa 140 Alttextil-Sammelbehälter mehrheitlich auf öffentlichem Gut auf.

...

2.2.1. Für die auf öffentlichem Gut aufgestellten Sammelbehälter existiert für die Ingebrauchnahme von Straßengrund keine schriftliche Vereinbarung zwischen dem antragstellenden Verein und der Stadt Wien.

Aus dem Antragsvorbringen und den Verwaltungsakten geht hervor, dass keine Bewilligungen in Bescheidform gemäß den §§ 1 und 2 des Wiener Landesgesetzes über die Erteilung von Erlaubnissen zum Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund und die Einhebung einer Abgabe hiefür (Gebrauchsabgabegesetz 1966, im Folgenden: Wr. GAG), LGBl. für Wien 1966/20, erteilt wurden. (In einem einzelnen Fall wurde zwar vom Magistrat der Stadt Wien (MA 35) zunächst mit Bescheid eine Gebrauchserlaubnis gemäß Wr. GAG für das Aufstellen eines Alttextil-Sammelbehälters an einem näher bezeichneten Ort erteilt (Bescheid vom 19. März 1993, Z MA 35-G/14-97/93) und gleichzeitig eine Gebrauchsabgabe vorgeschrieben (wobei sich die Abgabenberechnung auf Tarif B, Post 15 des Wr. GAG stützte), doch wurde dieser Bescheid mit weiterem Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (MA 35) vom 8. Februar 1994, Z MA 35-G/14-75/94, gemäß § 68 Abs 2 AVG dahingehend abgeändert, dass die Abgabenverpflichtung nach dem Wr. GAG ersatzlos aufgehoben wurde.)

...

Die durch das Aufstellen der Sammelbehälter für die Benützung von Straßen erforderlichen straßenpolizeilichen Bewilligungen gemäß § 82 Abs 1 StVO 1960 wurden jedoch erteilt.

2.2.2.

...

2.2.3.

...

2.3. In einem Schreiben des Magistrats der Stadt Wien (MA 48) vom 10. Juli 1996 an den antragstellenden Verein wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die zu diesem Zeitpunkt auf öffentlichem Gut aufgestellten Alttextil-Sammelbehälter seitens der Gemeinde Wien nur bis auf jederzeitigen Widerruf geduldet seien.

2.4. Nach einer von der Stadt Wien im Jänner des Jahres 1996 durchgeführten 'Ausschreibung', an der sich auch der antragstellende Verein beteiligte, erhielt nach einstimmigem Beschluss des Gemeinderatsausschusses für Umwelt und Verkehrsorganisation vom 12. März 1997 das Österreichische Kolpingwerk als Bestbieter einen Vertrag über die Sammlung von Alttextilien in Wien auf öffentlichem Gut der Gemeinde Wien und auf Bundesstraßen. Als Vertragsbeginn wurde der 1. April 1997 vereinbart.

2.5. Mit Schreiben des Magistrats der Stadt Wien (MA 48) vom 24. März 1997 wurde der antragstellende Verein mit dem Hinweis, dass auf Grund der öffentlichen Ausschreibung ein Mitbewerber den Vertrag über die Sammlung von Alttextilien auf 'öffentlichem Gut und auf Bundesstraßen' erhalten habe, um Kontaktaufnahme ersucht, 'um den sukzessiven Austausch (der) derzeitig aufgestellten, bis auf jederzeitigen Widerruf geduldeten Sammelbehälter zu ermöglichen'.

2.6. In der Folge kam es zwischen dem antragstellenden Verein und dem Magistrat der Stadt Wien (MA 48) hinsichtlich der Entfernung der Alttextil-Sammelbehälter zu keiner Einigung, sodass der antragstellende Verein mit Schreiben des Magistrats der Stadt Wien (MA 48) vom 12. August 1997 aufgefordert wurde, bis 30. September 1997 sämtliche in Wien auf öffentlichem Gut aufgestellte Alttextil-Sammelbehälter zu entfernen. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

'Nachdem unser letzter Versuch über einen einvernehmlichen Abzug Ihrer Behälter von öffentlichem Gut, am 11. Juni 1997 in einer diesbezüglichen Besprechung, leider kein Ergebnis gebracht hat, fordern wir Sie nochmals auf, sämtliche Alttextil-Sammelbehälter in Wien von öffentlichem Gut zu entfernen.

Wir widerrufen unsere bis auf jederzeitigen Widerruf ausgesprochene Duldung der Aufstellung Ihrer Alttextil-Sammelbehälter auf öffentlichem Gut. Wir verweisen auf

unser Schreiben vom 10. Juli 1996, in welchem wir Sie ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht hatten, dass Ihre bestehenden Standorte auf öffentlichem Gut von der MA 48 bis auf jederzeitigen Widerruf geduldet sind, welches Sie unwidersprochen angenommen hatten.

unser Schreiben vom 24. März 1997, in welchem wir Sie erstmals aufgefordert hatten, Ihre Behälter sukzessive abzuziehen.

unser Schreiben vom 9. April 1997, in welchem wir Ihren Rechtsstandpunkt zurückgewiesen hatten und unsere Aufforderung zur Entfernung Ihrer Alttextil-Sammelbehälter wiederholt hatten.

Als Frist für die Entfernung Ihrer Behälter setzen wir Ihnen den 30. September 1997.

Sollten die Alttextil-Sammelbehälter von Ihnen nicht fristgerecht abgezogen sein, führen wir ab 1. Oktober 1997 die Entfernung selbst durch und werden Ihnen die hiebei entstehenden Kosten (Lade- und Transportkosten, Leerfahrten, Standplatzreinigung und Lagegebühr auf dem Areal der Deponie Rautenweg) zur Verrechnung bringen. ... (Es folgt eine Auflistung der vom 'Widerruf der Duldung' betroffenen Alttextil-Sammelbehälter.)

Abschließend dürfen wir bemerken, dass diese Aufzählung alle Standorte betrifft; unabhängig davon ob Sie an diesen Standorten einen, zwei oder noch mehr Behälter platziert haben sind alle Behälter zu entfernen. Gleichfalls erlauben wir uns nochmals darauf hinzuweisen, dass die oben angeführten Standorte die 'aktenkundigen' Aufstellungsorte darstellen, sollten Sie eigenmächtig weitere Standorte auf öffentlichem Gut gesetzt haben, gilt der Widerruf auch für Ihre Eigenmächtigkeiten.'

2.7. Mit weiterem Schreiben vom 26. August 1997 kündigte der Magistrat der Stadt Wien (MA 48) den vom Verein behaupteten, von der Gemeinde Wien jedoch bestrittenen, 'allfällig durch Duldung der Sammelbehälter ... entstandenen zivilrechtlichen Vertrag zur Nutzung des öffentlichen Gutes per 1. Oktober 1997' und setzte unter Androhung 'entsprechender gerichtlicher Klagen' für die Entfernung der Alttextil-Sammelbehälter neuerlich eine Frist bis 3. November 1997. Der Magistrat der Stadt Wien teilte in diesem Schreiben weiters mit, er werde von der in Aussicht gestellten Entfernung der Behälter im Wege der Selbsthilfe (vorerst) absehen.

2.8. Gegen beide Schreiben erhob der antragstellende Verein 'vorsichtshalber' Berufung und vertrat dabei die Auffassung, dass die 'Kündigung' als ein unzulässiger Widerruf der durch stillschweigende Duldung erteilten Gebrauchserlaubnis im Sinn des Wr. GAG anzusehen sei. Mit Schreiben des Magistrats der Stadt Wien (MA 48) vom 29. September 1997 wurde der antragstellende Verein über die Vorlage der Berufungen an den Berufungssenat der Stadt Wien (MA 64) informiert und ihm mitgeteilt, dass das Schreiben vom 26. August 1997 als überholt anzusehen sei. Auch dagegen brachte der antragstellende Verein Berufung ein.

2.9. Der Berufungssenat der Stadt Wien wies die Berufungen mit Bescheid vom 29. Jänner 1998 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück; dies mit der Begründung, dass in keinem der Schreiben 'über das Bestehen oder Nichtbestehen eines öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisses in hoheitlicher Weise rechtsverbindlich abgesprochen' worden sei und daher keinem der angefochtenen Schreiben Bescheidqualität zukomme. Die Aufstellung von Alttextil-Sammelbehältern stelle keinen Sachverhalt dar, der unter das Wr. GAG subsumierbar sei, und bestehe sohin kein Bezugspunkt zum öffentlichen Recht. Gegen diesen Bescheid richtete sich die zu B 719/98 protokollierte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 9. Juni 1998, B 719/98, abgelehnt wurde."

Für die Beurteilung durch den Verwaltungsgerichtshof wesentlich erscheint auch der Wortlaut des oben zitierten Schreibens des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 48 (im Folgenden: MA 48), vom 26. August 1997, welches an die Beschwerdeführervertreter gerichtet war:

"In Beantwortung Ihres Schreibens vom 21.8.1997 in der Causa 'HUMANA' erlauben wir uns Ihnen Folgendes mitzuteilen:

1. Die MA 48 wird die in Aussicht gestellte Selbsthilfe per 1.10.1997 nicht durchführen.

2. Der von Ihnen behauptete, von uns bestrittene, allfällig durch Duldung der Sammelbehälter Ihrer Mandantschaft entstandene zivilrechtliche Vertrag zur Nutzung des öffentliches Gutes wird per 1.10.1997 gekündigt.

3. Als Frist für die Räumung des öffentlichen Gutes von den Sammelbehältern Ihrer Mandantschaft wird Ihnen der 3.11.1997 eingeräumt.

4. Bei Überschreitung dieser Frist werden entsprechende gerichtliche Klagen eingebracht.

5. Wir teilen die Hoffnung Ihrer Mandantschaft, dass in der gegenständlichen Causa doch noch eine einvernehmliche Lösung gefunden werden kann. Wir müssen Sie allerdings darauf aufmerksam machen, dass eine einvernehmliche Lösung nur in Zusammenwirken mit unserem Vertragspartner, dem Kolpingwerk, möglich ist. Für den Fall eines ernst gemeinten Interesses an einer einvernehmlichen Lösung, ersuchen wir Sie, bis spätestens 5.9.1997 der Stadt Wien, Magistratsabteilung 48, einen Vorschlag seitens Ihrer Mandantschaft vorzulegen.

Abschließend bitten wir ebenfalls um Verständnis, wenn wir das Verhalten Ihrer Mandantschaft, insbesondere nach Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung, an der sich auch HUMANA beteiligt hatte, nicht widerspruchslos hinnehmen können. Das Kolpingwerk behauptet nämlich ebenfalls - unseres Erachtens zu Recht - dass durch die gegenwärtige Situation ihre Existenzgrundlage und die von ihr verfolgten karitativen Zwecke bedroht sind."

Schließlich richtete die MA 48 am 29. September 1997 ein weiteres Schreiben an die Beschwerdeführervertreter mit folgendem Inhalt:

Auf ihr Schreiben vom 21. August sowie vom 5. September 1997 kann Ihnen die Magistratsabteilung Folgendes mitteilen:

Ihre in diesem Schreiben enthaltenen Berufungen werden der in dieser Angelegenheit zuständigen Geschäftsstelle des Berufungssenates der Wien (Magistratsabteilung 64) vorgelegt und wird die behördliche Entscheidung abzuwarten sein.

Im Hinblick auf das anhängig gemachte Behördenverfahren ist unser zuletzt erfolgtes Schreiben vom 26. August 1997 als überholt anzusehen."

Zu ergänzen ist weiters, dass der Beschwerdeführer auch gegen das zuletzt zitierte Schreiben "vorsichtshalber" Berufung erhoben und "insbesondere" den "möglichen Bescheidinhalt, wodurch die Formulierung 'im Hinblick auf das anhängig gemachte Behördenverfahren ist unser zuletzt erfolgtes Schreiben vom 26. August 1997 als überholt anzusehen' zum Ausdruck gebracht worden sein könnte, dass seitens der MA 48 nun doch zur Selbsthilfe im Sinne einer eigenmächtigen Entfernung der Altkleidersammelkontainer geschritten" werde, bekämpft hat. Auch diese Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 29. Jänner 1998, Spruchpunkt III. als unzulässig zurückgewiesen.

Nach Abtretung der oben unter Punkt I.2.9. genannten Beschwerde machte der Beschwerdeführer von der ihm vom Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Möglichkeit einer Ergänzung Gebrauch, wobei er sich in seinem Recht darauf verletzt erachtet, dass über seine drei eingebrachten Berufungen meritorisch entschieden werde. Er beantragt daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Zurückweisung der an sie gerichteten Berufungen hinsichtlich der drei oben wiedergegebenen Schreiben damit begründet, dass diesen Schreiben Bescheidcharakter nicht zukomme. In keinem der Schreiben werde über das Bestehen oder Nichtbestehen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses in hoheitlicher Weise rechtsverbindlich abgesprochen. Es komme kein Bezugspunkt mit dem öffentlichen Recht in Betracht, weil die Aufstellung von Alttextilsammelbehältern keinen Sachverhalt darstelle, der unter das Gebrauchsabgabegesetz subsumierbar wäre. Vielmehr sei allein über Privatrechtsverhältnisse abgesprochen worden.

Zu einem anderen, an den Beschwerdeführer ergangenen Schreiben der MA 48 hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. Mai 2001, Zl. 99/05/0063, allgemein ausgeführt:

"Enthält eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung, dann ist das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. In jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essenziell (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, VwSlg. N. F. 9458/A).

Das Erfordernis, dass ein Bescheid einen Spruch enthalten muss, ist nicht streng formal auszulegen; vielmehr ist der normative Abspruch auch aus der Formulierung erschließbar, doch muss sich der Wille der Behörde, in einer Verwaltungssache hoheitlich abzusprechen, eindeutig aus der Erledigung ergeben. Aus der Erledigung muss der objektiv erkennbare Wille der Behörde hervorgehen, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen. Auch formlose Schreiben können Bescheide sein (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 875, 884 und 895, angeführte Rechtsprechung; siehe auch die hg. Erkenntnisse vom 31. Jänner 2000, Zl. 99/11/0202, und vom 10. August 2000, Zl. 2000/07/0043)."

In seinem Erkenntnis vom 16. Mai 2001, Zl. 2001/08/0046, hat der Verwaltungsgerichtshof unter ausführlicher Zitierung der Lehre die Bescheidqualität eines nicht in Bescheidform im Sinne der §§ 56 ff AVG ergangenen Aktes einer Behörde davon abhängig gemacht, ob der Akt nach seinem Inhalt, somit nach dem aus der Erledigung hervorleuchtenden Willen der Behörde eine normative Erledigung im Einzelfall (also gegenüber einem individuell bestimmten Personenkreis) darstellt und ob die Behörde nach der anzuwendenden Rechtslage einen Bescheid zu erlassen hatte.

Das zuletzt genannte Kriterium ist nach dem eingangs zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes erfüllt: Danach stellt die Aufstellung der Alttextil-Sammelbehälter auf öffentlichem, als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dienenden Gemeindegrund im Sinne des § 1 Abs. 1 Wr. GebrauchsabgabeG eine über den Gemeindegebrauch in qualitativer Hinsicht hinausgehende Sondernutzung am öffentlichen Gut dar und es liegt sohin ein Rechtsverhältnis vor, das durch das Wr. GebrauchsabgabeG in das öffentliche Recht übertragen und durch Akte der Hoheitsverwaltung gestaltet wird. Auf die ausführliche Begründung im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Ausgehend davon hatte die Behörde (Behörde ist immer der Magistrat der Bundeshauptstadt Wien, unabhängig davon, welche Magistratsabteilung die jeweilige Sachmaterie wahrnimmt) bei einem Gebrauch ohne Vorliegen einer Gebrauchserlaubnis nach § 6 GebrauchsabgabeG vorzugehen. Diese Bestimmung lautet:

"§ 6

Beseitigung von Einrichtungen bei unerlaubtem Gebrauch

Der Magistrat ist berechtigt, den Besitzer von Einrichtungen, durch die ein im § 1 umschriebener Gebrauch ohne Vorliegen einer Gebrauchserlaubnis ausgeübt wird, durch Bescheid zu verpflichten, diese Einrichtungen binnen einer angemessenen Frist zu beseitigen. Die Bestimmung des § 16 wird hiedurch nicht berührt."

Sollte hingegen eine Gebrauchserlaubnis vorgelegen sein, so müsste ein Widerruf gemäß § 5 Abs. 1 GebrauchsabgabeG in Bescheidform ergehen. Die Voraussetzungen des Erlöschens der Wirksamkeit der Gebrauchserlaubnis sind im § 4 GebrauchsabgabeG geregelt.

Mit den hier zu beurteilenden Schreiben wurde von Seiten einer Behörde einem individuellen Adressaten aufgetragen, die auf öffentlichem Gut befindlichen Alttextil-Sammelbehälter bis 30. September 1997 (Schreiben vom 12. August 1997) bzw. bis 3. November 1997 (Schreiben vom 26. August 1997) bzw. bis 30. September 1997 (Schreiben vom 29. September 1997) zu entfernen. Diese normativen Akte wurden von einer Behörde (Magistrat der Stadt Wien) gesetzt, die mit Hoheitsgewalt hinsichtlich der über den Gemeingebrauch hinausgehenden Sondernutzung am öffentlichen Gut ausgestattet ist. Ob die Behörde subjektiv der Meinung war, im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung tätig zu sein, spielt keine Rolle, weil es sich dabei nur um einen Rechtsirrtum hinsichtlich der anzuwendenden Norm handelte; Rechtsgrundlage für das Handeln der Behörde erster Instanz war nicht das ABGB, sondern das GebrauchsabgabeG, und zwar entweder dessen § 6 oder dessen § 4. Nach dem aus der Erledigung hervorleuchtenden Willen der Behörde sollte eine normative Erledigung im Einzelfall angestrebt werden, wobei die Behörde nach der anzuwendenden Rechtslage einen Bescheid zu erlassen hatte. Damit bleiben aber keine Zweifel mehr offen, sodass auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid verzichtet werden konnte.

Davon ausgehend hätte die belangte Behörde die gegen diese Bescheide gerichteten Berufungen nicht aus dem Grund, dass kein Bescheid vorgelegen wäre, zurückweisen dürfen. Mit ihrer Zurückweisung belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Einen gesonderten Ersatz des Schriftsatzaufwandes, der dadurch entsteht, dass die Beschwerde nach Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof ergänzt wird, sieht das Gesetz nicht vor. Wien, am 3. Juli 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998050115.X00

Im RIS seit

27.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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