TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/3 2001/05/0198

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Veröffentlicht am 03.07.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Melderecht;

Norm

AVG §56;
MeldeG 1991 §1 Abs8 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §15 Abs6;
MeldeG 1991 §15a Abs2 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §15a idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;
MeldeG 1991 §17 Abs3a idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §17 idF 2001/I/028;
Novellen BGBl2001/I/028 AnlC;
Novellen BGBl2001/I/028;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Marktgemeinde Schwarzach im Pongau, Hermann Steinlechner, vertreten durch Dr. Franz Nistelberger, Rechtsanwalt in Wien I, Stock im Eisen-Platz 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. April 2001, Zl. 602.140/4- II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien Dr. Michael Häupl, Wien I., Rathaus,

2. Karla Spiluttini in Wien VI, Königseggasse 2/16), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der erstmitbeteiligte Bürgermeister beantragte am 21. März 2000 gemäß § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz1991 (MeldeG) die Einleitung eines Reklamationsverfahrens zur Entscheidung darüber, ob die zweitmitbeteiligte Partei, die in der Gemeinde des beschwerdeführenden Bürgermeisters mit Hauptwohnsitz angemeldet ist, dort weiterhin den Hauptwohnsitz hat.

Begründet wurde dieser Antrag im Wesentlichen damit, dass die zweitmitbeteiligte Partei seit Juli 1999 in Wien VI. mit weiterem Wohnsitz gemeldet sei. Sie trete während des Jahres überwiegend von dort aus den Weg zu ihrem Studienplatz an und halte sich 170 Tage im Jahr in Wien auf. Wien sei als maßgeblicher Mittelpunkt der Lebensbeziehungen der zweitmitbeteiligten Partei anzusehen, weil ein ernstlich betriebenes Studium eine qualifizierte leistungsintensive Anwesenheit am Studienort erfordere, der daneben aber auch vielfältigste Zerstreuungs- und Kontaktmöglichkeiten biete. Die Stadt Wien sei mit all ihren zahlreichen kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Angeboten der zweitmitbeteiligten Partei "dienlich".

Der beschwerdeführende Bürgermeister wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die zweitmitbeteiligte Partei sich für Schwarzach im Pongau als Hauptwohnsitz entschieden habe; das überwiegende Naheverhältnis bestehe zu dieser, ihrer Heimatgemeinde.

Die zweitmitbeteiligte Partei erstattete trotz Aufforderung keine Stellungnahme.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag des erstmitbeteiligten Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der zweitmitbeteiligten Partei an der gemeldeten Adresse in Schwarzach im Pongau gemäß § 17 MeldeG Folge und hob deren Hautwohnsitz an der dortigen Adresse auf. Sie trug der zweitmitbeteiligten Partei gemäß § 17 Abs. 4 MeldeG auf, innerhalb eines Monates bei der für ihren nunmehrigen Hauptwohnsitz zuständigen Meldebehörde die erforderliche Meldung vorzunehmen. Hiezu stellte die belangte Behörde fest, die zweitmitbeteiligte Partei sei in der Gemeinde des beschwerdeführenden Bürgermeisters mit Hauptwohnsitz und an einer näher genannten Adresse in Wien VI. mit weiterem Wohnsitz gemeldet. Von der letztgenannten Unterkunft trete sie während des Jahres überwiegend den Weg zu ihrem Studienplatz in Wien an. Sie verbringe 195 Tage an ihrem Hauptwohnsitz und 170 Tage an ihrem weiteren Wohnsitz. Der Schwerpunkt der "ausbildungsmäßigen Lebensbeziehungen" liege "somit" in Wien. Da die zweitmitbeteiligte Partei keine Stellungnahme abgegeben habe, definiere sie somit kein "überwiegendes Naheverhältnis" zu einem ihrer Wohnsitze. Aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens (Vorliegen der beruflichen, ausbildungsmäßigen Lebensbeziehungen und dem zeitlichen Aufenthalt von etwa einem halben Jahr in Wien) komme dem Wohnsitz in Schwarzach im Pongau keine Mittelpunktqualität mehr zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides infolge Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die erstmitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift und beantragte wie die belangte Behörde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der erstmitbeteiligte Bürgermeister führt in seiner Gegenschrift zunächst aus, die Beschwerde sei als unzulässig zurückzuweisen, wenn nicht gemäß § 18 Abs. 1 Salzburger Gemeindeordnung 1994 (GdO) ein Beschluss des zuständigen Gemeinderates zu Beschwerdeerhebung vorliegen sollte.

Mit diesem Vorbringen wird jedoch die Rechtslage verkannt. Im Geltungsbereich der auch im Beschwerdefall anzuwendenden Salzburger Gemeindeordnung hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 2000, Zl. 99/06/0170, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher begründet ausgeführt, dass selbst die Nichteinhaltung von innerorganisatorischen Vorschriften einer juristischen Person in dem Fall nicht von Bedeutung ist, wenn ein zur Vertretung nach außen schlechthin ermächtigtes Organ dieser juristischen Person tätig wird. Der Bürgermeister einer Gemeinde ist gemäß § 39 Abs. 3 GdO ein solches zur Vertretung der Gemeinde nach außen schlechthin berufenes Organ. Der Umstand, dass für die Erhebung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof kein Beschluss der dafür gemäß § 34 Abs. 6 Z. 7 leg. cit. zuständigen Gemeindevorstehung vorliegt, ist daher schon in Fällen der Vertretung der Gemeinde durch den Bürgermeister gemäß § 39 Abs. 3 GdO für die Zulässigkeit der Beschwerde ohne Bedeutung. Im Beschwerdefall stützt sich aber die Zulässigkeit der Beschwerde durch den Bürgermeister nicht auf § 39 Abs. 3 GdO. Gemäß § 18 Abs. 3 GdO ergeben sich die Befugnisse und Aufgaben der Gemeindeorgane nämlich nicht nur aus diesem Gesetz, sondern auch aus anderen Verwaltungsvorschriften. Die Parteistellung des beschwerdeführenden Bürgermeisters gründet sich in einem Reklamationsverfahren nach § 17 Meldegesetz (MeldeG) auf Abs. 2 Z. 2 dieses Paragraphen. Seine Beschwerdelegitimation an den Verwaltungsgerichtshof folgt aus § 17 Abs. 6 leg. cit..

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid von folgender anzuwendenden Rechtslage des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung BGBl. Nr. 352/1995, aus:

"Reklamationsverfahren

§ 17. (1) Der Landeshauptmann führt über Antrag (Abs. 2) ein Reklamationsverfahren durch und entscheidet darüber, ob ein Mensch, der in einer Gemeinde seines Landes mit Hauptwohnsitz angemeldet ist, dort weiterhin den Hauptwohnsitz hat.

(2) Das Reklamationsverfahren wird über Antrag des Bürgermeisters

1. der Gemeinde, in der ein Mensch mit Hauptwohnsitz angemeldet ist, oder

2. einer Gemeinde, in der ein Mensch zwar nicht mit Hauptwohnsitz angemeldet ist, aber einen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat,

geführt. In diesem Verfahren sind der Betroffene, der Antragsteller und der Bürgermeister der Gemeinde, in der der Betroffene mit Hauptwohnsitz angemeldet ist, Partei.

(3) Die Entscheidung wird aufgrund des Vorbringens der Parteien getroffen, die zur Mitwirkung in besonderem Maße verpflichtet sind; die Bürgermeister dürfen hiebei jedoch nur Tatsachen geltend machen, die sie in Vollziehung eines Bundes- oder Landesgesetzes ermittelt haben und die keinem Übermittlungsverbot unterliegen. Bestehen aufgrund dieser Vorbringen Zweifel darüber, ob der Betroffene in einer bestimmten Gemeinde (Abs. 2 Z. 1 oder 2) einen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat, so kann zum Ermittlungsergebnis eine Stellungnahme des Österreichischen Statistischen Zentralamtes eingeholt werden.

(4) Wird der Hauptwohnsitz des Betroffenen aufgehoben, so ist diesem in dem Bescheid außerdem aufzutragen, binnen einem Monat bei der für seinen nunmehrigen Hauptwohnsitz zuständigen Meldebehörde die erforderliche Meldung vorzunehmen; dies gilt nicht, wenn Grund zur Annahme besteht, der Betroffene habe im Inland keinen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen. Gegen den Bescheid ist eine Berufung nicht zulässig.

(5) Der Bescheid ist nach Eintritt der Rechtskraft den für die betroffenen Gemeinden zuständigen Meldebehörden mitzuteilen. Die für die Unterkunft gemäß Abs. 2 Z. 1 zuständige Meldebehörde hat allenfalls aufgrund des Bescheides ihre Melderegister mit dem Datum der Rechtskraft des Bescheides zu berichtigen.

(6) Gegen den Bescheid können die Bürgermeister, die im Verfahren Parteistellung hatten, Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof erheben."

Im Geltungsbereich dieser Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31. August 1999, Zl. 99/05/0076, näher begründet ausgeführt, dass in einem Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 1 MeldeG von der Behörde darüber zu entscheiden ist, "ob ein Mensch, der in einer Gemeinde seines Landes mit Hauptwohnsitz angemeldet ist, dort weiterhin den Hauptwohnsitz hat". Im Reklamationsverfahren nach § 17 MeldeG wird also ausschließlich die Wohnsitzqualität des gemeldeten Hauptwohnsitzes geprüft; gemäß Abs. 2 Z. 2 dieser Gesetzesstelle kann - wie dies im beschwerdegegenständlichen Verwaltungsverfahren geschehen ist - auch über Antrag des Bürgermeisters einer Gemeinde, in der ein Mensch zwar nicht mit Hauptwohnsitz angemeldet ist, aber einen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat, das Reklamationsverfahren geführt werden. Da somit die Antragslegitimation nach § 17 Abs. 2 Z. 2 MeldeG an dem materiellrechtlichen Kriterium "Mittelpunkt der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hängt, kann das eigentliche Reklamationsverfahren nach § 17 leg. cit. erst eingeleitet werden, wenn feststeht, dass der Betroffene in der Gemeinde des antragstellenden Bürgermeisters tatsächlich einen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat. Nach Bejahung der Antragslegitimation des Bürgermeisters hat die Behörde in der Folge das eigentliche Verfahren nach § 17 MeldeG einzuleiten und darüber zu entscheiden, ob der Betroffene in der Gemeinde, in der er mit Hauptwohnsitz angemeldet ist, weiterhin seinen Hauptwohnsitz hat.

Der Frage der Antragslegitimation des erstmitbeteiligten Bürgermeisters kommt im Beschwerdefall deshalb besondere Bedeutung zu, weil der angefochtene Bescheid nach dem 1. April 2001 erlassen worden ist, an welchem Tage die hier relevanten Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 30. März 2001, mit welchem das Meldegesetz 1991, das Volkszählungsgesetz 1980 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert worden sind, BGBl. I Nr. 28/2001, in Kraft getreten sind (siehe §  23 Abs. 4 und 5 MeldeG). Die Behörden haben nämlich grundsätzlich das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg.Nr.9315/A). Eine andere Betrachtungsweise wird - von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall, dass der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, auf anhängige Verfahren sei noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden, abgesehen - dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Wenn die Auslegung der Verwaltungsvorschriften ergibt, dass eine vor der Erlassung des Bescheides bestandene Rechtslage von Bedeutung ist, kommt es nicht auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides an (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11237/A). Ob - in Ermangelung einer Übergangsbestimmung - eine stichtags- bzw. zeitraumbezogene Entscheidung zu erfolgen hat, muss aus der Bestimmung selbst ermittelt werden (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 19. Februar 1991, Slg. Nr. 13384/A, und vom 26. April 2000, Zl. 99/05/0239). Der Grundsatz, dass Bescheiden die im Zeitpunkt ihrer Erlassung geltende Rechtslage zu Grunde zu legen ist, findet aber - vorbehaltlich anderslautender, hier jedoch nicht erfolgter Anordnung - stets in Ansehung jener Rechtsvorschriften Anwendung, die das Zustandekommen des Bescheides (Zuständigkeit, Verfahren, Rechtsmittel) regeln (siehe hiezu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Seite 973, Anmerkung 6 zu § 59 AVG). Bezüglich des im Beschwerdefall anzuwendenden Reklamationsverfahrens nach § 17 MeldeG bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Behörden bei Erlassung ihrer Bescheide nicht von der jeweils geltenden Rechtslage auszugehen hätten.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des MeldeG in der Fassung des Gesetzes vom 30.März 2001, BGBl. I Nr. 28/2001, haben folgenden Wortlaut:

Nach § 1 Abs. 7 wurde folgender Abs. 8 angefügt:

"(8) Für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen sind insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften."

Nach § 15 wurde folgender § 15a samt Überschrift eingefügt:

"Wohnsitzerklärung

§ 15a. (1)  Der Bürgermeister ist ermächtigt, von Menschen, die in der Gemeinde angemeldet sind, zum Zweck der Überprüfung der Richtigkeit der im Melderegister gespeicherten Daten die Abgabe einer Wohnsitzerklärung zu verlangen. Die Wohnsitzerklärung hat inhaltlich dem Muster der Anlage C zu entsprechen. Der Betroffene hat die Wohnsitzerklärung binnen angemessener, vom Bürgermeister festzusetzender, mindestens vierzehntägiger Frist abzugeben.

(2) Die mit der Wohnsitzerklärung ermittelten Daten sind vier Monate nach Einlangen beim Bürgermeister zu löschen, es sei denn, dieser hatte die Einleitung eines Reklamationsverfahrens beantragt. Nach Beendigung eines Reklamationsverfahrens sind die Daten jedenfalls zu löschen. Eine weitere Wohnsitzerklärung darf von einem solchen Menschen in dieser Gemeinde erst nach Ablauf von drei Jahren verlangt werden, es sei denn, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse, die für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Betroffenen maßgeblich sind, offensichtlich geändert haben."

In § 17 wurde folgender Abs. 3a eingefügt:

"(3a) Anträge gemäß Abs. 2 Z 2 sind auch ohne Nachweis des Bestehens eines Mittelpunktes der Lebensbeziehungen in dieser Gemeinde zulässig, wenn der Betroffene keine vollständige oder eine in sich widersprüchliche Wohnsitzerklärung abgegeben hat, obwohl er unter Setzung einer Nachfrist auf diese Folge hingewiesen wurde. In Fällen, in denen der Bürgermeister ein Reklamationsverfahren beantragt, nachdem der Betroffene trotz Hinweises auf diese Folge seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Wohnsitzerklärung innerhalb der Nachfrist nicht nachgekommen ist, haben die Bezirksverwaltungs-, Schul-, Kraftfahr- und Finanzbehörden sowie die Träger der Sozialversicherung dem Bürgermeister auf Anfrage alle Hinweise auf das Vorliegen eines Wohnsitzes des Betroffenen, dessen Ehegatten oder Lebensgefährten und dessen minderjährige unverheiratete Kinder mitzuteilen; solche Auskünfte können auch von der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices eingeholt werden, die zur Auskunftserteilung verpflichtet ist. Dieses Auskunftsrecht kommt dem Bürgermeister auch zu, wenn sich ein Betroffener - trotz Hinweises auf diese Folge - weigert, im Reklamationsverfahren mitzuwirken."

Während mit der Anfügung des Abs. 8 im § 1 MeldeG noch keine inhaltliche Änderung der früheren Rechtslage erfolgt ist, vielmehr die nunmehr im Gesetz enthaltene demonstrative Aufzählung der zur Beurteilung einer Unterkunft als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen maßgeblichen Merkmale mit den bisherigen Bestimmungskriterien übereinstimmt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 31. August 1999, Zl. 99/05/0076), haben die Bürgermeister mit § 15a MeldeG die rechtliche Grundlage erhalten, von den Bürgern ihrer Gemeinde Informationen zur Wohnsitzanknüpfung einzuholen. Diese den Bürgermeistern zur Überprüfung der Richtigkeit der Meldedaten eingeräumte "eigene Dauerermittlungsbefugnis" dient ergänzend zur im § 15 Abs. 6 MeldeG eingeräumten Ermächtigung der Vorbereitung und Durchführung eines Reklamationsverfahrens für die Feststellung eines Lebensmittelpunktes (siehe hiezu die RV zu Z 7). Die mit der Wohnsitzerklärung ermittelten Daten sind daher zu löschen, wenn kein Reklamationsverfahren beantragt wird oder ein solches beendet worden ist (Abs. 2 des § 15a MeldeG).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits mehrfach zitierten Erkenntnis vom 31. August 1999, Zl. 99/05/0076, klargelegt hat, kann ein Bürgermeister gemäß § 17 Abs. 2 Z. 2 MeldeG nur dann ein Reklamationsverfahren hinsichtlich eines Menschen, der in seiner Gemeinde nur einen weiteren Wohnsitz hat, beantragen, wenn er darlegen kann, dass der Betroffene einen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Gemeinde hat. Die nunmehr im § 15a MeldeG den Bürgermeistern eingeräumte Ermächtigung, von dem Betroffenen eine Wohnsitzerklärung verlangen zu können, soll demnach neben der Ermittlung der Daten gemäß § 15 Abs. 6 MeldeG dem Nachweis der Antragsvoraussetzungen gemäß § 17 Abs. 2 Z. 2 MeldeG dienen. Die Wohnsitzerklärung des Betroffenen bildet für den Bürgermeister die wesentliche Grundlage für seine Entscheidung, die Einleitung eines Reklamationsverfahrens zu beantragen, weil sich aus ihr die maßgeblichen tatsächlichen Anhaltspunkte für den Lebensmittelpunkt in einer Gemeinde ergeben (siehe Anlage C in BGBl. I Nr. 28/2001). Um die für einen Antrag eines Bürgermeisters nach § 17 Abs. 2 Z. 2 MeldeG erforderlichen Voraussetzungen (Mittelpunkt der Lebensbeziehungen) dartun zu können, hat daher der Bürgermeister vor Antragstellung die Wohnsitzerklärung vom Betroffenen zu verlangen (vgl. hiezu Grosinger-Szirba, Das österreichische Melderecht, 5. Auflage, Seite 199.

Dies folgt auch aus der das Reklamationsverfahren ergänzenden Bestimmung des Abs. 3a im § 17 MeldeG, welche einen Antrag gemäß Abs. 2 Z. 2 dieser Gesetzesstelle auch für den Fall für zulässig erklärt, dass "der Betroffene keine, keine vollständige oder eine in sich widersprüchliche Wohnsitzerklärung abgegeben hat, obwohl er unter Setzung einer Nachfirst auf diese Folge hingewiesen worden war". Der Gesetzgeber geht sohin davon aus, dass der für die Zulässigkeit eines Antrages eines Bürgermeisters gemäß § 17 Abs. 2 Z. 2 MeldeG geforderte Nachweis des Bestehens eines Mittelpunktes der Lebensbeziehungen in seiner Gemeinde nur mit der Wohnsitzerklärung nach § 15a leg. cit. erbracht werden kann und nur in den im § 17 Abs. 3a erster Satz MeldeG genannten Fällen von dieser Zulässigkeitsvoraussetzung abgesehen werden kann.

Da im Beschwerdefall im Hinblick auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides das MeldeG in der Fassung BGBl. I Nr. 28/2001 anzuwenden war, eine Wohnsitzerklärung der betroffenen zweitmitbeteiligten Partei vom antragstellenden erstmitbeteiligten Bürgermeister - zum erforderlichen Nachweis seiner die Antragsvoraussetzung bildenden Behauptungen, die zweitmitbeteiligte Partei habe einen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen in seiner Gemeinde - jedoch nicht eingeholt worden ist, liegen im Beschwerdefall die Voraussetzungen für eine Antragstellung nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz nicht vor. Der belangten Behörde war es daher verwehrt, in der Sache inhaltlich zu entscheiden.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Im Beschwerdefall war der angefochtene Bescheid nur bezüglich der Antragsvoraussetzungen gemäß § 17 Abs. 2 Z. 2 MeldeG im Zusammenhang mit Abs. 3a leg. cit. einer Überprüfung zu unterziehen. § 17 Abs. 3 MeldeG war für das vorliegende Erkenntnis nicht präjudiziell; eine Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof (siehe den hg. Beschluss vom 21. November 2000, Zlen. 99/05/0127 u. a.) hatte daher zu unterbleiben.

In der Sache selbst sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu dem Hinweis veranlasst, dass die belangte Behörde keine ausreichenden Feststellungen bezüglich des Mittelpunktes der Lebensbeziehungen der zweitmitbeteiligten Partei getroffen hat, weil sie nicht umfassend sämtliche nach § 1 Abs. 8 MeldeG zu berücksichtigenden Kriterien geprüft hat und demnach das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben ist. Für Studierende, die am Studienort einen weiteren Wohnsitz zum Zwecke des Studiums haben und sich im Wesentlichen nur während der Studienzeit aus Gründen der Ausbildung an diesem Wohnsitz aufhalten, kann - sofern nicht auch andere im § 1 Abs. 8 MeldeG aufgezählte bzw. nach dieser Gesetzesstelle heranzuziehende Kriterien vorliegen - nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie am Studienort den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen haben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 3. Juli 2001

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001050198.X00

Im RIS seit

31.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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