RS UVS Oberösterreich 1997/03/19 VwSen-280053/21/Ga/La

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Veröffentlicht am 19.03.1997
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Rechtssatz

Gemäß (dem hier noch anzuwendenden) § 31 Abs.2 lit.p ANSchG begingen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der auf Grund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafen bis zu 50.000 S zu ahnden.

Zufolge der in dieser Gesetzesstelle enthaltenen Subsidiaritätsklausel darf eine Bestrafung der davon erfaßten Verwaltungsübertretungen nur dann erfolgen, wenn die zugrundeliegenden Taten nicht gleichzeitig einen mit strengerer Strafe bedrohten Tatbestand nach anderen Gesetzen erfüllen. Als solche strengeren anderen Gesetze kommen auch Vorschriften des Justizstrafrechtes in Betracht.

Im Hinblick auf die schon in der Anzeige des Arbeitsinspektorats aufgezeigten konkreten Umstände (regennasses und dadurch besonders rutschiges Kupferblech, Absturzgefahr vom Dach als Arbeitsstelle bei Traufenhöhe von 12 m und Dachneigung von immerhin ca 8 Grad), die im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht nur bestätigt, sondern im Zusammenwirken mit weiteren ungünstigen Fakten in Summe als eine in besonderer Weise ausgeprägte Gefährlichkeit hervorgekommen sind, steht hier ein Anwendungsfall der Subsidiaritätsklausel des § 31 Abs.2 ANSchG fest. Unabhängig davon nämlich, ob der Vorfall zu einer Anzeige an die Strafverfolgungsbehörden geführt hat oder nicht, vertritt der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, daß der in diesem Berufungsverfahren zu prüfen gewesene Lebenssachverhalt den Tatbestand einer Gefährdung der körperlichen Sicherheit gemäß § 89 StGB objektiv erfüllt. So wurden die Taten - Zuwiderhandeln des Arbeitgebers gegen das ihm auferlegte Gebot, Gefahren für Leib und Leben der von ihm auf dieser Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer abzuwenden; als sogen. "Garant" hat der Arbeitgeber gegen die ihn treffende persönliche Erfolgsabwendungspflicht verstoßen - unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen, weil aus der ex-ante-Sicht eines objektiven Beobachters der Beschuldigte hätte erkennen müssen, daß auf dieser Baustelle durch das Unterlassen jeglicher Absturzsicherung für die Arbeiter jedenfalls bei Regennässe eine außergewöhnlich hohe Unfallwahrscheinlichkeit begründet ist. Mit Regennässe muß in unseren Breiten ein die in typischer Weise auftretenden Gefahren mit durchschnittlicher Sorgfalt vorausbedenkender Arbeitgeber rechnen.

Im Berufungsfall war die mit dieser qualifizierten Gefährlichkeit verbundene Zuwiderhandlung auch kausal für die Herbeiführung, wenn nicht Vergrößerung einer konkreten Gefährdung der Arbeitnehmer. Wie in der Verhandlung erwiesen wurde, hat sich die an sich schon absturzgefährliche Lage für die Dachspengler vor allem durch die Regennässe auf dem dadurch noch rutschigeren Kupferblech bereits so bedrohlich zugespitzt gehabt, daß ein Unfall eigentlich nur vom Zufall abhing bzw die Arbeitnehmer nur durch einen besonderen Schutzengel vor einem Schaden an Leib oder Leben bewahrt wurden (zu all dem vgl Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, BT I, 3., § 89 RN 10f; zur Garantenstellung des schutzpflichtigen Arbeitnehmers: Leukauf/Steiniger, Komm, 3.A, § 2 RN 14f). Die Verwaltungsübertretungen des Berufungsfalles sind im Sinne der oben wiedergegebenen Subsidiaritätsklausel durch § 89 StGB mit einer strengeren Strafe bedroht, weil für dieses Gefährdungsdelikt

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anders als im Verwaltungsstraftatbestand gemäß § 31 Abs.2 ANSchG

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auch eine primäre Freiheitsstrafe angedroht ist.

Sind aber aus allen diesen Gründen die Voraussetzungen für das Wirksamwerden der Subsidiaritätsklausel für die dem Berufungswerber angelasteten Taten erfüllt, war dem Rechtsmittel im Ergebnis Erfolg beschieden und war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Gleichzeitig war im Grunde des § 45 Abs.1 Z1 zweiter Fall VStG die Einstellung des Verfahrens zu verfügen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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