Die Freiheitsentziehung im Sinn des PersFrSchG und der MRK umfaßt sowohl die Verhaftung (Festnahme) als auch die Anhaltung; die Verhaftung ist ein einmaliges Ereignis (Eintritt einer Freiheitsbeschränkung), der vom Willensakt eines Organs getragen wird. Dagegen stellt die Anhaltung die Fortdauer, die Aufrechterhaltung des einmal eingetretenen Zustands der Festgenommenheit dar; auch dieses Verhalten eines Organs muß von dessen Willen getragen sein. Damit müssen nach Klaus Zeleny, Zur Festnahme allgemein und von Schwarzfahrern im besonderen, ÖJZ 1995, S.562ff, jeweils zwei Elemente vorliegen, nämlich ein tatsächliches Verhalten und der Wille zur Freiheitsbeschränkung. Dieser Wille, durch den das bloße Verhalten erst zum normativen Akt, nämlich zum Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wird, kann nun einerseits ausdrücklich erklärt werden oder andererseits auch aus dem Verhalten des Organs erschlossen werden. Im gegenständlichen Fall räumt auch die belangte Behörde ein, daß mit den Worten "im Namen des Gesetzes sind Sie festgenommen" eine ausdrückliche Verhaftungserklärung erfolgt ist.
Daß unter diesen Umständen die Unfreiwilligkeit der Freiheitsbeschränkung vorlag, ist evident; denn selbst wenn sich, wie im gegenständlichen Fall, der Bf der Verhaftung nicht widersetzt hat - da ihm dies offensichtlich zwecklos erschien -, kann nicht davon gesprochen werden, daß die Freiheitsbeschränkung mit seinem Willen geschah; denn wenn ein Mitkommen, ohne Widerstand zu setzen, aufgrund einer Verhaftungserklärung die Freiheitsentziehung aufheben würde, wäre der einzelne - um sich erfolgreich dagegen beschweren zu können - gewissermaßen verpflichtet, Widerstand gegen die Staatsgewalt (§ 269 StGB) zu leisten. Dies wäre aber eine denkunmögliche Gesetzesauslegung. Auch die in Art.2 PersFrSchG angeführten Voraussetzungen für eine rechtmäßige Festnahme lagen nicht vor:
Denn weder der Grund des Abs.1 Z2 (wenn er einer bestimmten, mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist) noch jener der Z3 (zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung, bei der er auf frischer Tat betreten wird, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiteren gleichartigen strafbaren Handelns erforderlich ist) lagen im Ergebnis vor. Selbst wenn man den Beamten den Verdacht (der sich später ohnehin als unbegründet herausstellte) zubilligt, so wurde der Bf keinesfalls auf frischer Tat betreten; vielmehr wurde der Bf im Flur seines elterlichen Wohnhauses in R angetroffen und festgenommen, und zwar am 18.11.1996 um ca. 7.30 Uhr; zu diesem Zeitpunkt lag das Lenken eines Kraftfahrzeuges in G bereits zwei Tage zurück (16.11.1996 um 01.50 Uhr).
Aber auch wenn man den Beamten den (wiederum letztlich unbegründeten) Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung (Urkundenunterdrückung?) zubilligt, könnte dies kein anderes Ergebnis bringen. Denn zu Recht weist der Bf in seiner Äußerung vom 4.2.1997 auf die eingeschränkten Voraussetzungen, die die Rechtsordnung für einen Eingriff in die persönliche Freiheit als gerechtfertigt erachtet, hin; insbesondere erklärt die StPO hier, daß derartig gravierende Eingriffe nur über richterliche Anordnung zulässig sind. Auch Art.4 PersFrSchG bestimmt, daß eine derartige Festnahme nur in Vollziehung eines begründeten richterlichen Befehles zulässig ist.
Die StPO erklärt die Anordnung der vorläufigen Verwahrung durch unzuständige Richter und Sicherheitsorgane zur Ausnahme; die Voraussetzungen, insbesondere das Vorliegen von Gefahr im Verzug, müssen daher streng beurteilt werden. Gefahr im Verzug ist nur dann gegeben, wenn es nach den Umständen als wahrscheinlich anzunehmen ist, daß der Verdächtige ohne sofortige Verhaftung fliehen oder sich verbergen, die Wahrheitsfindung erschweren oder die Tat wiederholen oder die versuchte oder angedrohte Tat ausführen werde (vgl. VfGH Slg. 2697, 5232, 5518, 5704). Steht genügend Zeit zur Verfügung, um einen richterlichen Haftbefehl einzuholen, so ist eine Verhaftung nach § 177 Abs.1 Z2 stets unzulässig (VfGH Slg. 4450; LSK 1984/140).
Von der grundsätzlichen Regel, daß ein richterlicher Haftbefehl einzuholen ist, darf nur in besonderen Fällen - nämlich wenn die besonderen Umstände eine Einholung nicht erlauben - abgegangen werden (vgl. VfSlg.8298/1978). Unerläßlich ist die Einholung eines richterlichen Haftbefehles zB im allgemeinen immer dann, wenn mit dem Untersuchungsrichter des zuständigen Gerichtes während der Dienst- und Journaldienststunden unverzüglich eine fernmündliche Verbindung hergestellt werden kann (vgl. VfGH 28.11.1989, Slg.Nr.12230).
Weil nun kein Betreten auf frischer Tat gegeben war, war auch die Ermächtigung zur Festnahme nach § 35 VStG im vorliegenden Fall nicht einschlägig.
Hinsichtlich der allfälligen Gefahr im Verzug (wieder unter der Voraussetzung, daß der Bf einer Urkundenunterdrückung dringend verdächtig gewesen wäre) lag zumindest zu diesem Zeitpunkt insbesondere im Hinblick auf die eben ausgeführten strengen Vorgaben der StPO nicht vor, zumal der Zeitpunkt der Festnahme auf einen Montag um ca. 07.30 Uhr fiel, einem Zeitpunkt sohin, bei dem regelmäßig die zuständigen Behörden ihren normalen Amtsbetrieb aufnehmen; damit soll aber ausdrücklich nicht dargetan werden, daß eine Festnahme in der Nacht oder noch am Wochenende rechtmäßig gewesen wäre. Zum Festnahme-Zeitpunkt hätten die Beamten jegliche Möglichkeit gehabt, telefonische Anfragen bei Behörden und Gerichten durchzuführen, bzw. durch Einholung eines richterlichen Haftbefehles (auf telefonischem Wege) eine Verhaftung entsprechend der Vorgaben der StPO durchzuführen oder sich über den wahren Sachverhalt zu informieren.
Denn insbesondere Art.1 Abs.3 zweiter Halbsatz PersFrSchG richtet sich an die Vollziehung wenn er anordnet, daß die persönliche Freiheit jeweils nur dann entzogen werden darf, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht (außer Verhältnis steht eine Freiheitsbeschränkung erst dann, wenn es sich um Exzesse der Vollziehung handelt). Zufolge Art.5 Abs.2 PersFrSchG ist vom Freiheitsentzug abzusehen, wenn gelindere Mittel ausreichen. Für den gegenständlichen Fall heißt das, daß die Gendarmeriebeamten, insofern sie den dringenden Verdacht einer Urkundenunterdrückung bzw. eines Fahrens ohne Lenkerberechtigung hatten, vorher (dh. vor der beabsichtigten Verhaftung) durch entsprechende Rückfragen bei den Behörden (BH Urfahr-Umgebung bzw. BH Innsbruck-Land) sich über den wahren Sachverhalt informieren hätten müssen; zur Aufklärung bedurfte es aber nicht der Verhaftung und somit der unbedingten Anwesenheit des Bf am Gendarmerieposten, zumal er ihnen aus offenbar vorgängigen Amtshandlungen und auch wegen der örtlichen Nähe (Wohnhaus ist laut Akt nur 100 m vom Gendarmerieposten entfernt) bestens bekannt gewesen ist. Insofern die belangte Behörde darauf hinweist, daß offenbar die Information bzw. Benachrichtigung insbesondere über die Aufhebung des Führerscheinentzuges und Rückgabe des Führerscheines an den Bf durch die BH Innsbruck-Land der belangten Behörde bzw. dem Gendarmeriebeamten in keiner Weise zur Kenntnis gelangt ist, so ist darauf zu verweisen, daß derartige Informationsmängel sowohl zwischen den Behörden (und der Exekutive) als auch innerhalb der belangten Behörde nicht zu Lasten der persönlichen Freiheit gehen dürfen. Im übrigen hat Herr O bereits mit Schreiben vom 24.10.1996, Zl., dem Führerscheinreferat der belangten Behörde mitgeteilt, daß das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren eingestellt worden war, weshalb damit zu rechnen war, daß von der BH Innsbruck der Führerscheinentzug aufgehoben werden würde.
Zusammengefaßt ist daher festzustellen, daß aufgrund von Informationsmängeln zwischen Behörde und Gendarmerie letztere insbesondere im Hinblick auf das sehr hoch anzusetzende Grundrecht auf persönliche Freiheit und auch im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht ermächtigt waren, unter den gegebenen Umständen den Bf festzunehmen und erst während der Anhaltung die entsprechenden Überprüfungen bei den zuständigen Behörden durchzuführen, zumal zum Zeitpunkt der Festnahme längst nicht mehr von einem allfälligen Betreten auf frischer Tat gesprochen werden konnte und auch keinerlei Gefahr im Verzug gegeben war.
Sicherlich ist zuzugestehen, daß der Bf den Informationsmangel der Gendarmerieorgane insofern ausgenützt hat und im Zuge der mehrfachen Versuche der Gendarmerieorgane diese in keiner Weise über die Aufhebung des Führerscheinentzugsbescheides und Rückgabe des Führerscheines in Kenntnis gesetzt hat, obwohl dies für ihn aufgrund der örtlichen Nähe des Gendarmeriepostens kein Problem gewesen wäre. Dennoch kann auch ein derartiges (provokantes) Verhalten des Bf die Organe nicht zu einer Festnahme berechtigen, sondern sie hätten vorher entsprechenden Kontakt mit den zuständigen Behörden herstellen müssen, zumal die gesamte Identität des Bf den Beamten bekannt war.
Insgesamt besehen erweist sich damit die Festnahme und Anhaltung als rechtswidrig.