RS UVS Oberösterreich 1997/04/25 VwSen-280196/8/Ga/La

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Veröffentlicht am 25.04.1997
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Rechtssatz

Die Berufung wendet sich dagegen, daß die belangte Behörde zu diesen Schuldsprüchen keine Strafen verhängte und statt dessen Ermahnungen erteilte. Es sei aber - die Rechtsmittelbegründung zusammengefaßt - der § 21 VStG zu Unrecht angewendet worden, weshalb die Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafen zu beiden Fakten beantragt werde.

In diesem Zusammenhang allerdings verfehlt ist die Deutung der (bloß pauschal verwiesenen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch das AI dahin, daß Übertretungen des KJBG ausnahmslos "nicht als geringes Verschulden zu werten" seien. Tatsächlich kommt es, was die Gewichtung des Verschuldens angeht, auch bei Übertretungen des KJBG auf die Umstände des Einzelfalles an. Rechtsirrig ist weiters die Auffassung, vorliegend seien sogen. fortgesetzte Delikte verwirklicht worden und es könne schon deshalb nicht von einem bloß geringfügigen Verschulden iSd § 21 Abs.1 VStG die Rede sein. Abgesehen davon, daß durch das eine das andere nicht von vornherein ausgeschlossen ist (zB VwGH 27.5.1992, 92/02/0167, ua), sind die Taten gemäß 1. a) und b) nicht als fortgesetzte Delikte, sondern als echte Unterlassungsdelikte mit der Wirkung von Dauerdelikten zu qualifizieren. Und schließlich erlaubt die schon in sich widersprüchliche "Mitteilung" (auf Seite 2 oben d der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch, 5.A (1996), 862, E 6 und 7 zu § 21 VStG; Leukauf/Steiniger, Kommentar zum StGB,

3. A, § 42 Rz 14). Nach der Judikatur des OGH zum vergleichbaren § 42 StGB muß die Schuld absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen der jeweiligen Deliktsverwirklichung geringfügig sein (vgl ua EvBl 1989/189 = JBl 1990, 124; SSt 55/59; SSt 53/15; SSt 51/21). Maßgebend ist zum einen der das Unrecht mitbestimmende Handlungsunwert und zum anderen der Gesinnungsunwert, der das Ausmaß der deliktstypischen Strafzumessungsschuld ebenso entscheidend prägt (vgl Leukauf/Steiniger, aaO, Rz 14 f mwN). Der Aspekt des Erfolgsunwerts wurde im § 21 Abs.1 VStG ebenso wie im § 42 StGB unter dem Merkmal "unbedeutende Folgen der Tat" verselbständigt (vgl auch Erk UVS OÖ 9.9.1994, VwSen-260085/ 8/Wei/Bk).

Unrechtsgehalt bzw die Schuld des Täters sind im Berufungsfall im eben aufgezeigten Sinn nicht strafwürdig. Dies wird zunächst daraus deutlich, daß der Beschuldigte den Minderjährigen nicht aus Eigennutz zu Arbeiten heranzog (iS von "Benutzen" oder "Beiziehen"), sondern, wie die belangte Behörde zutreffend darstellt, im Rahmen eines - auch vom AI nicht bestrittenen - guten Nachbarverhältnisses aus eigenem Wollen des Minderjährigen und mit Wissen und Billigung seiner Eltern. Der Beschuldigte hat in dieser Konstellation aus dadurch motivierter Unbesonnenheit dem Wunsch des Kindes bzw der Eltern nachgegeben. Aus dem Blickwinkel des Erfolgsunwerts darf weiters nicht übersehen werden, daß der Minderjährige immerhin bereits 13 1/2 Jahre alt war. Zu berücksichtigen ist schließlich, daß es sich jeweils nur um kurzzeitige Verrichtungen handelte und der Minderjährige offenbar jederzeit, nach eigener Lust und Laune auch fernbleiben konnte (so jedenfalls geschehen am Donnerstag, dem 28. Juli 1994). Überdies scheint der Eindruck nicht verfehlt, daß die Mitfahrt beim Ausliefern - nach dem gemeinsamen nachbarschaftlichen Frühstück - wohl vor allem Erlebnischarakter (Sommerferien!) für den Minderjährigen hatte. Zuletzt kann angesichts der geringen Anzahl der Tage, an denen die Hilfstätigkeiten geleistet wurden, noch nicht von einer längeren Dauer gesprochen werden.

Das aus allen diesen Gründen daher geringe Unrecht begründet auch insoweit keine besondere Tatschuld, weil Schuld im strafrechtlichen Sinn immer nur die Vorwerfbarkeit des konkret verwirklichten Unrechts bedeutet. Zusammenfassend ist das tatbildmäßige Verhalten des Beschuldigten erheblich hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unwert- und Schuldgehalt zurückgeblieben. Eine bescheidmäßige Ermahnung, um den Beschuldigten in Hinkunft von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten, hält das erkennende Mitglied schon deshalb nicht für erforderlich, weil der Berufungsfall durch die Einzigartigkeit des Geschehens insbesondere aus dem Nachbarschaftsverhältnis und dem darin begründeten, wenngleich unbedacht gewesenen Entgegenkommen des Beschuldigten geprägt ist und keinerlei Hinweise hervorgekommen sind, die eine spezialpräventive Einwirkung auf den - absolut unbescholtenen - Beschuldigten über diesen Fall hinaus in Form einer Ermahnung erforderlich machen könnten.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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